Vibrionen

Wund- und Weichteilverletzungen durch Vibrionen

Definition
Vibrionen-Infektionen werden von gramnegativen Bakterien (fakultativ anaerobe, gekrümmte Stäbchen) der Gattung Vibrio ausgelöst. Die meisten Arten leben in Süß- oder Meerwasser. Humanpathogen sind neben dem bekannten Choleraerreger Vibrio cholerae auch Vibrio parahaemolyticus und Vibrio vulnificus, die beide in warmem Salzwasser vorkommen und für schwere Weichteilinfektionen verantwortlich sein können.

Vorkommen
Bei Wassertemperaturen über 20 Grad Celsius kommt es zu einer deutlichen Vermehrung von Vibrionen, so dass diese bevorzugt in ufernahem Meerwasser oder küstennahen Binnengewässern warmer Klimazonen auftreten. Aufgrund der hohen Wassertemperaturen besitzen unter anderem die amerikanischen Bundesstaaten am Golf von Mexiko (Texas, Louisiana, Mississippi, Alabama, Florida) ein erhöhtes Infektionsrisiko in ihren Küstengewässern. Seit den 1970er Jahren treten dokumentierte Fälle in den USA auf; seit 1985 werden im Bereich der Ostsee-Anrainerstaaten steigende Fallzahlen von Vibrionen-Infektionen registriert. Seit 1994 werden auch in Deutschland immer wieder Vibrionen-Infektionen aus der Ostsee, seltener aus der Nordsee, bestätigt. Insbesondere in der Ostsee kann an seichten Stellen die Wassertemperatur über 20 Grad betragen – durch die vermehrt warmen Sommertemperaturen hierzulande wird eine weitere Zunahme des Vibrionen-Vorkommens im Nordwesten Europas befürchtet. Für die Ostsee wird insbesondere eine Zunahme von Infektionen mit Vibrio vulnificus prognostiziert, da dieser dort mit dem relativ geringen Salzgehalt und den steigenden Wassertemperaturen günstige Wachstumsbedingungen vorfindet. Eine graphische Darstellung der weltweiten Vibrionen-Ausbreitung in Küstengewässern zeigt die Karte des ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control).

Übertragung:
Die Übertragung kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Vibrionen können beim Aufenthalt in Gewässern durch kleine Hautverletzungen (z. B. Schürf- oder Schnittwunden) in den Körper gelangen. In dieser Hinsicht sind insbesondere Wassersportler gefährdet. Bei den Infektionen in der Ostsee sind Hautverletzungen die Haupteintrittspforte.
Zudem befallen Vibrionen Meerestiere und werden über deren Verzehr durch den Menschen aufgenommen. Die infizierten Tiere können auch Hautverletzungen verursachen und dadurch in den Körper eintreten.

Risikogruppen
Besonders gefährdet sind ältere und abwehrgeschwächte Menschen mit chronischen Vorerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, HIV/AIDS, Tumor- und Bluterkrankungen, chronischer Alkoholabusus, angeborene Immunschwäche). Bei ihnen können bereits wenige Erreger einen fulminanten Krankheitsverlauf bis zu einer Sepsis mit Multiorganversagen auslösen. Zudem gefährdet sind Sportler, die mit Hautläsionen bzw. mit offenen Wunden ins Wasser gehen.

Infektionsverlauf:
Nach einem Eintritt durch Hautverletzungen können Vibrionen zunächst eine ausgeprägte Wundinfektion auslösen, die nicht selten zu einer Amputation der betroffenen Gliedmaßen führen. Im weiteren Verlauf ist ein Befall innerer Organe zu befürchten, der mit der Bildung von Eiterherden im Körper durch die Vibrionen einhergeht. In vielen Fällen kommt es dann zu einer Sepsis, die zu über 50 Prozent tödlich endet.

Therapie der Wundinfektionen:
Aufgrund des möglichen fulminanten Infektionsverlaufes ist die frühzeitige Einleitung einer antibiotischen Therapie entscheidend. Daher sollte genau beobachtet werden, ob sich eine Wunde nach einem Aufenthalt im Küstengewässern entzündet (Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz, Absonderungen/Exsudate im Wundbereich etc.). In solchen Fällen unmittelbar einen Arzt aufsuchen und eine mögliche Infektion abklären. Primär ist zur antibiotischen Therapie eine Kombination aus einem Tetracyclin und einem Cephalosporin der dritten Generation zu empfehlen, alternativ können Fluorchinolone eingesetzt werden. Bei Kindern wird aufgrund der Kontraindikation von Tetracyclinen und Fluorchinolonen eine Kombination aus Cotrimoxazol mit einem Aminoglykosid empfohlen.
Bei Wundinfektionen sind zusätzlich oft chirurgische Eingriffe notwendig, bei denen das nekrotische Gewebe abgetragen wird; bei zu spätem Therapiebeginn sind Amputationen oft nicht zu vermeiden.

Prävention:
Offizielle Richtlinien für die Prävention von Wundinfektionen durch Vibrionen gibt es nicht. Wassersportlern ist jedoch nach einem Aufenthalt in potentiell von Vibrionen betroffenen Gewässern das Abduschen der Haut unter Verwendung einer Desinfektionslösung (beispielsweise mit Octenidin) zu empfehlen.
Alle übrigen Personen mit Hautverletzungen oder chronischen Erkrankungen sollten sich generell von Gewässern, in den Vibrionen nachgewiesen wurden, fernhalten. Auf öffentliche Badeverbote ist unbedingt zu achten.

Meldepflicht:
Außer für Vibrio cholerae besteht für alle übrigen Vibrionen-Infektionen keine explizite Meldepflicht. Sie sind jedoch als bedrohliche Krankheiten meldefähig – Ärzte sollten daher bei Diagnosestellung eine Meldung vornehmen, damit über das Gesundheitsamt ggf. weitere Schutzmaßnahmen wie Badeverbote eingeleitet werden können.