Vermehrtes Auftreten von oberen Atemwegsinfektionen während Phasen des intensiven Trainings und in den Wintermonaten
Vermehrtes Auftreten von oberen Atemwegsinfektionen während Phasen des intensiven Trainings und in den Wintermonaten
P. HELLARD, M. AVALOS, F. GUIMARAES, J. TOUSSAINT, and D. B. PYNE. Training-Related Risk of Common Illnesses in Elite Swimmers over a 4-yr Period. Med. Sci. Sports Exerc., Vol. 47, No. 4, pp. 698–707, 2015.
Abstract:
Purpose: The objective of this study is to investigate the relation between sport training and the risk of common illnesses: upper respiratory tract and pulmonary infections (URTPI), muscular affections (MA), and all-type pathologies in highly trained swimmers.
Methods: Twenty-eight French professional swimmers were monitored weekly for 4 yr. Training variables included 1) in-water and dryland intensity levels: low-load, high-load, resistance, maximal strength, and general conditioning training (expressed as the percentage of the maximal load performed by each subject, at each intensity level over the study period); and 2) training periods: moderate, intensive, taper, competition, and postcompetition. Illnesses were diagnosed by a sports physician using a standardized questionnaire. Mixed-effects logistic regression analyses were used to model odds ratios for the association between common illnesses and training variables, adjusted for sport season, semiseason (summer or winter), age, competition level, sex, and history of recent events, whereas controlling for heterogeneity among swimmers.
Results: The risk of common illnesses was significantly higher in winter months, for national swimmers (for URTPI), and in cases of history of recent event (notably for MA). The odds of URTPI increased 1.08 (95% CI, 1.01–1.16) and 1.10 (95% CI, 1.01–1.19) times for every 10% increase in resistance and high-load trainings, respectively. The odds of MA increased by 1.49 (95% CI, 1.14–1.96) and 1.63 (95% CI, 1.20–2.21) for each 10% increase in high load and general conditioning training, respectively. The odds of illnesses were 50%–70% significantly higher during intensive training periods.
Conclusion: Particular attention must be paid to illness prevention strategies during periods of intensive training, particularly in the winter months or in case of the recent medical episode.
Bewertung:
Infektionen des oberen Respirationstraktes sind sportartenübergreifend eine alltagsrelevante Gefährdung für Athleten – ihre Symptome führen nach Schätzungen zu 30 bis 40 Prozent der sportmedizinischen Konsultationen von Athleten. Erkrankungen der oberen Atemwege können nicht nur zu einer deutlichen Leistungsminderung und Trainingspause führen, sondern ggf. auch das Verpassen eines wichtigen Wettkampfes bis hin zu einem olympischen Finale bedingen. Eine fehlende Sportpause oder eine verfrühte Rückkehr zu Belastungen im Rahmen einer Atemwegsinfektion kann zudem mit einer Aggravation der Erkrankung oder chronischen Organmanifestation einhergehen. Sowohl die im Sport aktiven Personen als auch ihre betreuenden Ärzte sollten sich daher der Phasen erhöhter Infektionsanfälligkeit bewusst sein.
Bislang sind nur wenige Beobachtungsstudien zur Identifikation von Risikofaktoren für Infektionskrankheiten speziell im Leistungssport veröffentlicht. Neben den bereits auf unserer Webseite vorgestellten Datenerhebungen bei Langläufern und Rugby-Spielern hat die hier besprochene Arbeit von Hellard et al. professionelle Schwimmer mit dem Ziel beobachtet, eine Beziehung zwischen dem Sport/Training und dem Auftreten von neuromuskulären Erkrankungen sowie Infektionen des oberen Respirationstraktes zu identifizieren. Dafür wurden 28 Athleten aus dem Bereich der internationalen und nationalen französischen Spitzengruppe für einen olympischen Zyklus von vier Jahren bezüglich ihrer Trainingsintensitäten/-phasen auf der einen und des Auftretens von Krankheitssymptomen auf der anderen Seite beobachtet. Zur Erhöhung der Aussagekraft erfolgte die Diagnostik der Erkrankungen durch die Vorstellung bei einem Studienarzt – routinemäßige Vorstellung jede Woche, bei Auftreten von Symptomen Konsultation innerhalb von 6 Stunden.
Durchschnittlich traten in der hier beobachteten Kohorte von Leistungsschwimmern 2,7 Erkrankungen der oberen Atemwege pro Jahr auf – analog zu vorherigen Studienergebnissen bei Athleten und der Schätzung, dass in der Allgemeinbevölkerung jeder Mensch zwei bis vier Mal pro Jahr einen Infekt der oberen Atemwege erleidet.
Infektionen des oberen Respirationstraktes traten in den Wintermonaten 2,6-fach häufiger (p < 0,0001) auf als in den Sommermonaten. Bei einer norwegischen Studie über Skilangläufer war das Infektionsrisiko ebenfalls signifikant in den Wintermonaten erhöht – um das 2,1-Fache. Da bei beiden Sportarten das Infektionsrisiko jahreszeitensynchron zunimmt, obwohl die Saisonplanung mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung verläuft (Schwimmer richten konträr zu den Langläufern ihre Trainingsplanung auf die Hauptwettkämpfe im Sommer aus), scheint die Erkrankungsgefahr stärker durch die Jahreszeit als die Trainingsphase/-intensität beeinflusst zu werden. In den Wintermonaten (grob einzuordnen von Anfang November bis Ende März) erhöhen virale und bakterielle Ausbrüche das Infektionsrisiko, insbesondere wenn das Immunsystem durch andere Einflussfaktoren (intensives Training, Flugreisen) beeinträchtigt ist. Zudem halten sich Athleten in den Wintermonaten vermehrt in geschlossenen Räumen auf (auch Freiluft-Wintersportler außerhalb der Wettkämpfe), in denen eine geringere Luftfeuchtigkeit herrscht. Die dadurch bedingte Austrocknung der Schleimhäute begünstigt eine Keiminvasion. Ein Befeuchten der Schleimhäute (regelmäßige Flüssigkeitszufuhr, Lutschen von Bonbons etc.) kann dementsprechend infektionsprotektiv wirken. Eine niedrige Luftfeuchtigkeit sorgt zudem dafür, dass ausgehustete, infektiöse Aerosole und Tröpfchen erst verspätet Richtung Boden absinken und somit eine Keimübertragung über weitere Distanzen möglich ist. Zusätzlich scheinen ein verändertes Ernährungsverhalten in dieser Jahreszeit (tendenziell vermehrte Aufnahme von Fetten und Cholesterin bei verminderter Obst- und Gemüseernährung) die Infektionshäufigkeit ebenso negativ zu beeinflussen wie eine verminderte durchschnittliche Blutkonzentration an Vitamin D und einigen immunregulatorischen Hormonen.
In Übereinstimmung mit bisherigen Studienergebnissen zeigte sich eine Zunahme von oberen Atemwegsinfektionen in Trainingsphasen, die durch eine hohe Intensität über einen längeren Zeitraum gekennzeichnet sind. Intensive körperliche Belastungen führen möglicherweise zu einer Dysbalance des Immunsystems, die bei Wiederholungen dieser Intensitäten ohne entsprechende Regenerationspausen zu Veränderungen der laborchemischen Parameter (Lymphozytopenie, verminderte Aktivität der Natürlichen Killerzellen, Zunahme der Stresshormone, erhöhte Plasmakonzentration inflammatorischer Zytokine) und entsprechend zu einer gesteigerten Infektionsanfälligkeit führt.
Abschließende Empfehlung:
Intensive Trainingsbelastungen in den Wintermonaten führen zu einem signifikanten Anstieg von oberen Atemwegsinfektionen. Daher ist es essentiell, in diese Phase in einem guten Gesundheitszustand zu starten (ausreichende Regeneration vorheriger Infektionen vor der Rückkehr zur Trainings-/Wettkampfbelastung). Werden intensive Trainingseinheiten mit ausreichender Erholungszeit dazwischen für jeden Sportler individualisiert geplant und in den Phasen der umfangreichen Trainingsbelastung die Wettkämpfe auf das Notwendige reduziert, kann die Infektionshäufigkeit gesenkt werden. Insbesondere in den Wintermonaten sollte das Augenmerk auf konsequenter Anwendung effektiver Präventionsmaßnahmen (Optimierung/Reduktion von Flugreisen, besondere Beachtung der Phasen nach einem Wettkampf, Impfprophylaxe, Hygienemaßnahmen, adäquate Regenerationsphasen mit ausreichend Erholung und Schlaf, Optimierung des Flüssigkeits-/Elektrolythaushaltes) liegen.