Maßnahmen zur Reduktion von Infektions-krankheiten bei Olympischen Winterspielen

Händedesinfektion, kaum Medienkontakte, engmaschiges Monitoring: Maßnahmen zur Reduktion von Infektions-krankheiten bei Olympischen Winterspielen

Hanstad DV, Rønsen O, Andersen SS, Steffen K, Engebretsen L. Fit for the fight? Illnesses in the Norwegian team in the Vancouver Olympic Games. Br J Sports Med. 2011; 45: 571–575.

Background The development of strategies to prevent illnesses before and during Olympic Games provides a basis for improved health and Olympic results.
Objective (1) To document the effi cacy of a prevention programme on illness in a national Olympic team before and during the 2010 Vancouver Olympic Winter Games (OWG), (2) to compare the illness incidence in the Norwegian team with Norwegian incidence data during the Turin 2006 OWG and (3) to compare the illness incidence in the Norwegian team with illness rates of other nations in the Vancouver OWG.
Methods Information on prevention measures of illnesses in the Norwegian Olympic team was based on interviews with the Chief Medical Offi cer (CMO) and the Chief Nutrition and Sport Psychology Offi cers, and on a review of CMO reports before and after the 2010 OWG. The prevalence data on illness were obtained from the daily reports on injuries and illness to the International Olympic Committee.
Results The illness rate was 5.1% (five of 99 athletes) compared with 17.3% (13 out of 75 athletes) in Turin (p=0.008). A total of four athletes missed one competition during the Vancouver Games owing to illness, compared with eight in Turin. The average illness rate for all nations in the Vancouver OWG was 7.2%.
Conclusions Although no defi nite cause-and-effect link between the implementation of preventive measures and the prevalence of illness in the 2010 OWG could be established, the reduced illness rate compared with the 2006 OWG, and the low prevalence of illnesses compared with other nations in the Vancouver OWG suggest that the preparations were effective.

Bewertung:
Bei den Sommerspielen 2008 in Peking erfolgte erstmals eine offizielle Analyse/Beschreibung der Verletzungscharakteristik Olympischer Spiele. 2010 in Vancouver erfasste das Internationale Olympische Komitee in seinen Beobachtungsstudien ergänzend auch das Auftreten von Infektionskrankheiten. Im Gegensatz zu den Verletzungen existierten bis dahin über Infektionen im Sport vergleichsweise wenige Daten – diese stammten zudem alle aus Sommersportarten. Nach einem für Norwegen im letzten Vierteljahrhundert historisch schlechten Abschneiden bei den Olympischen Winterspielen in Turin 2006 wurden für dieses enttäuschende Ergebnis seitens des nationalen Verbandes auch gesundheitliche Probleme bzw. Voraussetzungen der Athleten verantwortlich gemacht. Daher wurde vor den Winterspielen in Vancouver 2010 von den medizinischen Verantwortlichen der Norweger einen Maßnahmenkatalog zur Prävention von Infektionskrankheiten entwickelt und umgesetzt (s. unten).
Während in Turin 2006 noch 13 Infektionskrankheiten  in der norwegischen Nationalmannschaft registriert werden konnten (17,3% der Athleten waren betroffen),  erkrankten 4 Jahre später nur noch 4 Sportler (5,1%) – dies entspricht einer signifikanten Reduktion der Inzidenz auf weniger als ein Drittel (p = 0,008). Die Erkrankungsrate der norwegischen Nationalmannschaft lag 2010 unter dem Durchschnitt aller teilnehmenden Nationen.
Eine eindeutige Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen der Implementierung des Präventionsprogrammes vor den Olympischen Spielen in Vancouver und der damit assoziierten reduzierten Infektionshäufigkeit konnte aus offensichtlichen methodischen Gründen nicht belegt werden. Dennoch  lässt diese Studie aufgrund der Erkrankungsreduktion gegenüber 2006 und der unterdurchschnittlichen Inzidenz der Infektionskrankheiten im Nationenvergleich einen Nutzen der norwegischen Präventionsmaßnahmen vermuten.
Die Autoren dieser Studie sehen einen entscheidenden Faktor zur Erkrankungsreduktion 2010 in der engeren, vertrauteren Beziehung zwischen den betreuenden Medizinern und den Athleten. Dadurch erhöhe sich die Compliance der Sportler. Zusätzlich konnten durch eine engere Zusammenarbeit schneller Maßnahmen bei Auftreten einer Erkrankung getroffen werden – bezüglich Therapie aber auch im Hinblick auf die Vermeidung einer Infektionsausbreitung (z. B. durch schnelle Isolation). Eine infektionsreduzierende Wirkung wurde auch der Einbeziehung des medizinischen Personals bei der Auswahl der Athletenunterkünfte zugeordnet. So erfolgte vor den Spielen in Vancouver durch das medizinische Team  eine Kontrolle der Hygiene in allen Sportlerappartements.
Eine vorangegangene Studie zur Infekthäufigkeit bei den Commonwealth Games der Junioren in Indien 2008 bestätigte bereits den krankheitsvorbeugenden Effekt derartiger verschärfter Hygienemaßnahmen. In Indien konnte beispielsweise die Häufigkeit von Reisediarrhö durch reguläres Händewaschen mit alkoholischem Gel, Verzehr von ausschließlich gekochtem Essen und Trinken von ausschließlich in Flaschen abgefülltem Wasser signifikant gesenkt werden.

Maßnahmenkatalog zur Präventionen von Erkrankungen in der norwegischen Olympiamannschaft:
•    Ausführliche Information/Schulung/Aufklärung aller Teammitglieder über den Maßnahmenkatalog und Überwachung der Umsetzung
•    Screening-Tests bei allen Sportlern im Vorfeld der Olympischen Spiele auf Allergien, Asthma sowie auf weitere Atemwegserkrankungen; Follow-up-Tests von Athleten mit bekannten Atemwegsproblemen während der Wettkämpfe
•    Umfangreiche Impfkampagnen im Vorfeld der Olympischen Spiele für alle Athleten, Trainer und Betreuer gegen H1N1-Influenza, saisonale Grippe und Keuchhusten
•    Unterbringung in Einzelzimmern für Athleten mit hoher Wettkampfbelastung, Anfälligkeit für Respirationstrakt-Infektionen und Atemwegsproblemen zur Risikominimierung einer Asthma-/Allergie-Exazerbation sowie Reduktion einer möglichen Ansteckungsgefahr durch andere Teammitglieder    
•    Flächendeckender Gebrauch von desinfizierenden Handgelen, Plastikabdeckung für Teppichböden in Hotelzimmern, Verwendung spezieller Luftfilter für Innenräume, routinemäßiger Verzicht auf Händeschütteln und Reduktion des Kontaktes zu Personen außerhalb des Teams inklusive Fans und Medienvertretern (strenge Überwachung durch das medizinische Personal)