Workshop Mai 2019

Die Mauern der altehrwürdigen Sorbonne Université boten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des fünften Workshops des trinationalen Doktorandenkollegs eine einzigartige Kulisse, um sich über die eigenen Promotionsprojekte auszutauschen, aktuelle Forschungsfragen zu diskutieren und den Jahresschwerpunkt Zeitdiagnosen: Krisen und Aufbrüche aus verschiedenen Blickwinkeln heraus zu betrachten.

Isabell Koch (Sorbonne Université/Universität Düsseldorf) eröffnete mit ihrem Vortrag über deutsche Kriegsgefangene im französischen Gewahrsam in der Zeit von 1914 bis 1920 den Workshop. In Gruppen diskutierten die Teilnehmenden zunächst Quellen und Literatur zum Thema. Die von Isabell Koch gestaltete Gruppenarbeit half nicht nur, ins Thema einzufinden. Sie warf auch ein Dilemma auf, das wohl viele Promovierende beschäftigt: Welchen Umfang an Quellenarbeit kann ich leisten? An welchem Punkt ist es gerechtfertigt, auch durchaus spannende Quellen nicht mehr in meine Analyse einfließen zu lassen? Innerhalb des Vortrages charakterisierte die Referentin die Geschichte der Kriegsgefangenen als überaus wechselseitig: Um die Situation der deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich verstehen zu können, müsse auch stets die Situation der französischen Gefangenen in Deutschland miteinbezogen werden, so Isabell Koch. Verschlechterte eine Partei die Situation der gegnerischen Gefangenen, sanktionierte dies die Gegenpartei und die Situation für die Gefangenen aus beiden Ländern verschlimmerte sich. So waren der Alltag der Gefangenen und die internationale Politik wie auch Krisen- und Aufbruchssituationen eng miteinander verwoben. Dr. Fabien Théofilakis (Panthéon-Sorbonne) kommentierte den Vortrag und fokussierte die Frage nach der Freund-Feind-Wahrnehmung der Gefangenen und machte deutlich, dass der Alltag der deutschen Gefangenen auch dem Prestigestreben Frankreichs untergeordnet wurde. Er konstatierte, dass die Arbeitseinsätze der deutschen Kriegsgefangenen in Nordafrika vor allem den militärischen Erfolg Frankreichs demonstrieren sollten.

Am Donnerstag widmeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zunächst dem DFG-Projekt von Ansbert Baumann(Universität Saarbrücken/Universität Tübingen/Sciences Po Paris) zu Fußball und Migration in Frankreich und Westdeutschland in den langen 1960er Jahren. Gestartet wurde mit der Analyse einer Vielzahl von Quellen, die Ansbert Baumann zur Verfügung stellte. Dies verdeutlichte, wie vielschichtig die Geschichte des Fußballsports ist und dass die verschiedenen Dimensionen von großer Politik bis Fußballspielen auf Kreisliganiveau eng verflochten sind. Kommentiert wurde der Vortrag von Julien Beaufils (Université Sorbonne Nouvelle/Université de Lille), der sich in seiner Dissertation mit der Rolle des Sports in der DDR befasst.

Anschließend referierte Benjamin Zenner (Universität Luxemburg) über den gesetzlichen und institutionellen Rahmen der Bankenaufsicht in Luxemburg in der Zeit von 1945 bis 1984. Welche inländischen und ausländischen Entscheidungen und Entwicklungen oder Krisen und Aufbrüche machten Luxemburg zu einem der bedeutendsten Finanzplätze weltweit? Inwiefern beeinflusste die angebliche "Politik der kurzen Wege" im Großherzogtum diese Entwicklung? In der vorangegangenen Gruppenarbeit analysierten die Teilnehmenden Quellen, die Einsichten über die Interaktion zwischen Banken und Politik liefern. Prof. Dr. Rainer Hudemann (Sorbonne-Université/Universität des Saarlandes) betonte in seinem Kommentar die überaus spannende Genese des Großherzogtums und dass die steten Umbrüche auch Spuren in der Wirtschafts- und Finanzpolitik des heutigen Luxemburg hinterließen.

Am Abend fand sich die Gruppe mit weiteren Interessierten in der Maison Heinrich Heine zusammen. Dort referierte Prof. Dr. Emmanuel Droit (Sciences Po Strasbourg) über das Umbruchsjahr 1989. Besonders thematisierte er hierbei die Frage, auf welche Weise wir als HistorikerInnen Zeit beschreiben und dekonstruieren sollten. Die rege Diskussion wurde am Folgetag fortgesetzt. Den kompletten Vortrag von Emmanuel Droit sowie die anschließende Diskussion können Sie sich auf der Homepage der Maison Heinrich Heine anschauen.

Der Workshop endete am Freitag mit einem Vortrag von Dr. des. Zoé Kergomard (Deutsches Historisches Institut). Sie gab spannende Einblicke in ihre aktuelle Forschung zum politischen System der Schweiz. Zoé Kergomard diskutierte unter anderem die Frage nach einer Krise der politischen Parteien in den 1960er Jahren und dem – in der Schweiz äußerst verspäteten – Aufbegehren der Schweizerinnen. In diesem Kontext charakterisierte die Referentin das Jahr der Einführung des Frauenwahlrechts in der Schweiz als 'leise Wende'. Emmanuel Droit kommentierte den Vortrag.
 

Impressionen