Workshop Oktober 2023
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Am 19. und 20. Oktober 2023 ging es zum zwölften Kollegtreffen nach Strasbourg. Im Fokus stand diesmal der Jahresschwerpunkt „Gesellschaftsdiagnosen: Diversität und Transversalität / L’entrée par la société : diversité et transversalité“, dem sich die Vortragenden mit ihren Beiträgen aus verschiedenen Forschungsperspektiven näherten.
Nach einigen einführenden Bemerkungen durch das Leitungsteam machte den Auftakt Stéphanie Fransis (Université du Luxembourg), die sich in ihrem Dissertationsprojekt mit der architektonischen Innenraumgestaltung der europäischen Institutionen in Luxemburg, Brüssel und Strasbourg beschäftigt. In ihrem Vortrag „Bureaucratie par le Design? Entre la “Hardware” architecturale et le “Software” managérial : Les bâtiments du Parlement européen et de la Cour européenne de justice, 1951-2002“ beleuchtete die Referentin am Beispiel des Europäischen Gerichtshofs die Dimensionen von Designentscheidungen hinsichtlich Funktionalität und Zugänglichkeit, aber auch mit Blick auf die Repräsentation von Machtstrukturen. Dabei verwies Fransis auf zentrale Veränderungsmomente, die auf Wandlungsprozesse von kollektiven und individuellen Raum- und Ästhetikvorstellungen hindeuteten. Der anschließende Wissenschaftliche Kommentar von Hugo Canihac (Sciences Po Strasbourg) leitete über zur Diskussion der Frage, inwieweit Erwägungen zur Inklusivität und Barrierefreiheit architektonische Entscheidungsfragen beeinflussten.
Am Nachmittag präsentierte Pierre Mennerat (Sorbonne Université) einen ersten Aufschlag für sein Promotionsprojekt „Droits de l’Homme et action extérieure de l’Allemagne fédérale : acteurs, langages, et pratiques (1982-1995)“. Mit einem biographischen Zugriff setzt er sich mit der Rolle bundesdeutscher staatlicher und nichtstaatlicher Akteur:innen bei der internationalen Förderung der Menschenrechte auseinander. In seinem Vortrag warf Mennerat einige Schlaglichter auf das Zirkulieren und Aneignen eines „répertoire des droits humains“ in der sozio-politischen Landschaft der Bundesrepublik gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Marion Aballea (Sciences Po Strasbourg), die den Kommentar übernahm, stellte einige methodische und konzeptuelle Vorschläge zur Diskussion und lieferte so wertvolle Impulse für die weitere Gestaltung des Dissertationsvorhabens.
Der erste Workshop-Tag endete mit dem Abendvortrag „Administration et population. Les usages de la démographie dans les réformes administratives en Allemagne“ von Valérie Lozac’h (Université de Strasbourg). Anhand mehrerer Fallbeispiele skizzierte die Referentin Modernisierungsprozesse und Paradigmenwechsel in der deutschen Verwaltungspolitik und beleuchtete mit Blick auf demographische Entwicklungslinien Rahmenbedingungen und Wirkungsweisen staatlicher Interventionspolitik. Dabei konstatierte Lozac‘h einerseits eine politisation de la science und andererseits eine scientifisation de la politique. In der anschließenden Diskussionsrunde, die von Emmanuel Droit (Sciences Po Strasbourg) moderiert wurde, gelang der erneute Brückenschlag hin zum Jahresschwerpunkt „Gesellschaftsdiagnosen“. Für die Doktorandinnen und Doktoranden bot dies die Gelegenheit, ihre eigenen Themenschwerpunkte an die aufgeworfenen Fragen rückzubinden und insbesondere methodische Herausforderungen im Umgang mit zeithistorischen Forschungsfeldern zu besprechen.
Der Freitag begann mit einem Beitrag von Céline Krauss (Universität des Saarlandes), die einige Aspekte ihrer kürzlich abgeschlossenen Dissertation „Bilder schreiben Geschichte – Die Darstellung der Kolonialgeschichte Indochinas im französischen Spielfilm“ vorstellte. Die Arbeit beschäftigte sich anhand der Kolonialgeschichte Indochinas mit der filmischen Repräsentation und Verarbeitung historischer Elemente und Zusammenhänge. In ihrem Vortrag fragte die Referentin vor allem nach Potenzialen und Grenzen von Spielfilmen als Medium der Geschichtsvermittlung. Dabei ging es ebenso um das bildhaft Gezeigte wie um bewusste Auslassungen. Die folgende Diskussion konnte Céline Krauss nutzen, um mit Blick auf die anstehende Soutenance gemeinsam mit den Teilnehmenden zentrale Thesen und offene Fragen zu erörtern.
Anschließend referierte Coline Perron (Université de Strasbourg) über „Wahlverwandtschaften“ zwischen der DDR und Ländern des globalen Südens. Im Fokus des Vortrags stand der intensive bilaterale Austausch auf dem Feld der Kulturpolitik innerhalb des kommunistischen Systems. Perron kam zu dem Schluss, dass vor allem einzelne Mittlerfiguren und Akteurnetzwerke (acteurs étatiques) für die Zirkulation kultureller Produkte und Praktiken zwischen den ‚Bruderländern‘ eine entscheidende Rolle spielten. Daran anknüpfend warf Hélène Miard-Delacroix (Sorbonne Univeristé) in ihrem Kommentar die Frage nach zeitgenössischen romantisierten Vorstellungen des DDR-Auslandes als matière à rêver auf und eröffnete die Abschlussdiskussion zur Ambivalenz von kulturellem Austausch und nationalstaatlichen Rivalitäten.
Der Workshop endete mit einer kurzen Evaluationseinheit, die das Leitungsteam nutzte, um hinsichtlich des Veranstaltungsverlaufs, der inhaltlichen Diskussionen sowie der präsentierten Forschungsergebnisse nochmals Bilanz zu ziehen.
Die Broschüre zur Veranstaltung finden Sie hier.