Marina Ortrud Hertrampf
Jean-Christophe – eine relecture aus transkultureller und intermedialer Perspektive
In der Literaturkritik des 20. Jahrhunderts wurde Romain Rollands Romanzyklus Jean-Christophe stets als eindrückliches Plädoyer für die deutsch-französische Freundschaft gelesen. In den letzten Jahrzehnten hat sich weder die deutsche noch die französische Forschung besonders für Rolland interessiert. Dabei erscheint eine relecture des Jean-Christophe gerade vor dem Hintergrund der Spannungen innerhalb der Europäischen Union einerseits und den neueren methodischen Theorieansätzen von Transkulturalität und Intermedialität andererseits besonders relevant.
Die Untersuchung zeigt, dass das Deutschlandbild Rollands recht stereotyp und heterogen ist. Die Rolland oft vorgeworfene Idealisierung Deutschlands lässt sich so einseitig nicht halten. Stattdessen relativiert Rolland nationalkulturelle Grenzziehungen und löst die Dichotomie zwischen dem Eigenen und Fremden in der Konstruktion eines transkulturellen Zwischenraums auf. Bei dem Entwurf dieses (im Sinne Michel Foucaults) heterotopen Kulturraums spielt der Bezug auf andere Medien, insbesondere auf die fließende Dynamik der Musik in Verknüpfung mit geografischen Gegebenheiten (konkret mit dem Rhein) eine herausragende Rolle. Die Bezüge auf andere Medien erfolgen dabei jedoch nicht im engeren Sinne als intermediale Schreibweisen, sondern auf der inhaltlichen Verweisebene. Das Vermächtnis Christophes, seine Symphonie, kann letztlich also als musikalische Realisierung des Transkulturalitätskonzeptes aufgefasst und zugleich als mise en abyme des gesamten Romans verstanden werden, will dieser doch beweisen, dass die deutsch-französische Verbrüderung sowie transkulturelles Denken nicht nur möglich, sondern unabdingbar für die Zukunft eines grenzenlosen, friedvollen Europa sind.