Podcast "Passeurs, Passages"

Passeurs, Passages ist ein zweisprachiger Podcast, der von der DFJW-Freiwilligen am Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes in Kooperation mit dem ZeLL (Zentrum für Lehren und Lernen) realisiert wurde. Das Thema des Podcasts ist der Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland. Zu jeder Folge sind Akteurinnen und Akteure – oder: Passeurs – aus der deutsch-französischen Welt eingeladen, die über ihre Erfahrungen und von ihrem Engagement im deutsch-französischen Bereich berichten. Die eingeladenen Personen haben unterschiedliche Profile: Sie sind Studierende, Freiwilligendienstleistende oder Fachleute aus der deutsch-französischen Welt. Einige Episoden sind daher in französischer Sprache, andere in deutscher Sprache aufgenommen. Die einzelnen Podcast-Folgen werden von April bis Juni auf der Homepage des Frankreichzentrums veröffentlicht.

1. Episode mit Maya von Thenen, Studentin der Deutsch-französischen Studien

Zur ersten Episode des Podcasts "Passeurs, Passage" lädt Joséphine Orio, Moderatorin und Leiterin dieses Projekts, Maya von Thenen herzlich ein, über ihre Erfahrungen in der deutsch-französischen Welt zu teilen. 

Podcast — Episode 1

Transkription

Podcast „Passeurs, Passages“ – Episode 1: mit Maya von Thenen

Joséphine Orio (JO): Willkommen zum Podcast "Passeurs, Passages" des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes in Kooperation mit dem ZeLL, Zentrum für Lehren und Lernen. Ich bin Joséphine Orio, ich bin Französin und dieses Jahr Freiwillige am Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes. Das Thema dieses Podcasts ist der Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland. Zu jeder Episode wird ein neuer Acteur oder Passeur aus der deutsch-französischen Welt eingeladen, der uns von seinen Sichtweisen, seiner Rolle und seinem Engagement im deutsch-französischen Bereich berichten wird. Einige Episoden werden daher in deutscher und andere in französischer Sprache aufgezeichnet.

 Zur heutigen Folge begrüße ich Maya von Thenen (MVT).

MVT: Hallo!

JO: Hallo Maya! Willkommen. Maya, du bist aus Deutschland, du bist studentische Hilfskraft hier am Frankreichzentrum an der Uni des Saarlandes und du kümmerst dich unter anderem um soziale Netzwerke. Du bist auch Studentin hier an der Uni in einem deutsch-französischen Studiengang. Du hast also bestimmt auch viel zu sagen über die deutsch-französische Welt. Erste Frage: Vielleicht könntest du dich ein bisschen vorstellen und einfach sagen, was dich im deutsch-französischen Bereich interessiert und warum du dich für einen deutsch-französischen Studiengang entschieden hast.

MVT: Ja, hallo, ich bin Maya, ich bin praktisch ins Saarland durch die Wahl meines Studienorts gekommen, ich komme eigentlich aus der Nähe von Aachen und ich war damals tatsächlich in der ersten sechsten Klasse sozusagen, die Französisch wählen durfte und nicht Latein Pflicht hatte. Dadurch hat mich Französisch schon lange in der Schule begleitet und es hat mir auch wirklich gut gefallen. Dann habe ich irgendwann in den Sommerferien freiwillig an einer Art Jungendaustausch in die Bretagne teilgenommen und dann kam mit der Sprache auch noch die Kultur dazu, die man dann so peu à peu irgendwie kennengelernt hat. Dann war das irgendwie ganz witzig, denn es gibt ja immer diese Berufsmessen und ich habe dann immer gesagt: „Ich interessiere mich irgendwie für Französisch. Was gibt es denn da so?“ Und dann waren die Antworten darauf teilweise sehr spärlich, also dann haben sie teilweise gesagt: „Hm, Koch oder Lehrer?“ Und ich war immer so: Das kann ja nicht alles sein, was es gibt, und jetzt, wo man hier im Saarland und in einem deutsch-französischen Studiengang ist, also ich studiere Deutsch-Französische Studien, für die, die das nicht kennen: Das ist nicht Deutsch und Französisch auf Lehramt, das ist irgendwie immer die erste Assoziation. Es ist eben sehr interdisziplinär, also es gibt sehr viele verschiedene Bereiche: Politik, Kultur, Journalismus, Ökonomie, wir hatten auch Design, Recht, also es ist wirklich sehr breit gefächert und jetzt weiß man halt wirklich, was es alles gibt in diesem Bereich. Warum ich das studiere ist einmal die Sprache und die Kultur, aber auch mein Interesse für Europa generell und eben auch der Einfluss, den Deutschland und Frankreich in der EU haben können, wenn sie sich denn einig sind. Genau.

JO: Wie hast du diesen Studiengang gefunden? Gibt es mehrere solche Studiengänge in Deutschland?

MVT: Ja, es gibt exakt denselben Studiengang, also Deutsch-Französische Studien noch in Bonn und Paris und Regensburg hat auch diesen Studiengang. Ich glaube, es gibt auch noch mehr, aber ich weiß nicht genau wo. Auf jeden Fall läuft der Studiengang über die Deutsch-Französische Hochschule, da gibt es sehr viele verschiedene – ich hatte damals auch nur „Deutschland und Frankreich Studium“ oder so eingegeben und dann kam direkt die Seite der Deutsch-Französischen Hochschule, wo man dann Bereiche die einen interessieren anklicken kann und je nach dem andere Studiengänge angezeigt bekommt. 

JO: Es gibt auch besonders viel im Saarland, hier an der Grenze, glaube ich.

MVT: Ja, also hier gibt es ja auch noch „Interkulturelle Kommunikation“, das ist natürlich ähnlich, aber nicht so – Frankreich spielt eine große Rolle, aber die Deutsch-Französischen Studien sind ja dadurch, dass der Auslandsaufenthalt in Metz ja schon mit eingeplant ist, nochmal mehr darauf ausgerichtet, finde ich.

JO: Was ist für dich das besonders und bereichernd am Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland? Kannst du ein Beispiel für die Wichtigkeit des kulturellen Austauschs aus deiner Erfahrung geben? Das kann alles sein.

MVT: Generell bin ich der Meinung, dass die deutsch-französische Freundschaft ein Privileg ist, und dass wir sie auch nicht als selbstverständlich ansehen sollten. Gestern habe ich noch einen Post von Gabriel Attal und Olaf Scholz gesehen, wo sie geschrieben haben, dass die deutsch-französische Freundschaft eben ein Geschenk beziehungsweise ein „trésor“ ist, und ich finde, das stimmt schon, aber man darf es nicht zu selbstverständlich nehmen. Also man muss sich da auch engagieren. Ich finde auch gerade, dass da persönliche Kontakte auch enorm wichtig sind. Man hat ja auch während der Corona-Pandemie gesehen, als die Grenzen geschlossen wurden, wie schnell man dann doch wieder in Stereotypen und Vorurteile verfallen kann und dass das eben nicht passieren darf. Dass sich die Geschichte eigentlich nicht wiederholen darf. Ich glaube, dass da vor allem dieser Austausch, dieses Wissen über das andere Land wichtig ist. Also mein Ziel persönlich ist es, durch das Studium eine interkulturelle Kompetenz zu erwerben, dass man, wenn man im Austausch ist, mit Französinnen und Franzosen, die Kultur kennt und weiß, was vielleicht auch die Konflikte oder die Diskurse in dem Land sind. Dass man auch durch die Sprache vermeiden kann, dass es da zu Auseinandersetzungen kommt. Da gab es auch ein gutes Beispiel: Wir waren in Metz und da war die ganze Rentenalter-Debatte in Frankreich. Dann war ich wieder zurück im Saarland und stand an der Kasse und vor mir fing irgendwie eine kurze Diskussion an, über das Rentenalter, wo dann die deutsche Perspektive kam, dass sich die Franzosen schon wieder beschweren und man hier eh erst mit 67 in Rente gehen dürfe. Wo ich dann aber auch gesagt habe: „Ja, aber die Struktur der Gesellschaften generell eben und der Gewerkschaften in Frankreich ist anders als in Deutschland.“ Und nach zwei Minuten haben mich die anderen schon angeguckt und meinten: „Ah, ach so!“ und das ist ja der Effekt, den man damit erzielen möchte. Dass man nicht einfach schon diese Sicht hat, obwohl man es gar nicht genau weiß. 

JO: Das ist interessant, dass du das sagst, weil wir in Frankreich waren so: Ja, Deutschland ist das Beispiel, es ist kein Problem für die Deutschen, später in Rente zu gehen. Es ist ein interessantes Beispiel. Aber wir wissen auch nicht so viel darüber, wie es in Deutschland funktioniert, aber Deutschland ist immer das Beispiel. 

MVT: Witzig! Ja, es ist generell immer eine heikle Debatte. Ich bin einfach der Meinung, man sollte sich da vorher mal informieren, bevor man das so einfach sagt. Ansonsten muss ich sagen, dass diese Schüleraustausche auch einfach wichtig sind, dass man schon im jungen Alter offen gegenüber anderen Kulturen ist und auch einfach mal – ich weiß, das hört sich immer soblöd an – über seinen Horizont hinausschaut. Also ich weiß wirklich noch – man merkt wirklich, was für einen selbst normal ist und was total hinterfragt wird – es war der erste Abend in Frankreich, ich war fünfzehn Jahre alt und es war gegen sechs Uhr am Abend. Ich hatte so langsam Hunger bekommen, weil man in Deutschland ja wirklich früher isst und dann habe ich irgendwann mal gefragt, wann essen wir denn, weil ich ein bisschen Hunger hätte. Es war halt total witzig, weil meine Austauschpartnerin meinte: „Ja, wir essen gleich, später.“ Und ich dachte mir: „Ja, was heißt denn später?“ Ich wusste das ja auch einfach noch nicht so wirklich. Das sind dann so Momente, wo man merkt, dass es kulturelle Unterschiede gibt, aber das heißt ja nicht, dass eine besser oder schlechter ist. Das ist einfach Gewohnheit, wenn man zwei Monate oder länger in Frankreich ist, wird es dann normal. 

JO: Es sind so kleine Dinge, die beispielsweise in einem Arbeitskontext, Missverständnisse auslösen können. Zum Beispiel das Abendessen kann manchmal ein bisschen schwierig sein, mit der Kommunikation und so. 

MVT: Ich weiß noch, wie ich dann in meinem Zimmer abends so Snacks gegessen habe, weil ich hatte wirklich Hunger und ich wusste nicht, ob wir dann wirklich noch etwas essen. Es war dann halt irgendwann acht Uhr und ich dachte mir: „Hm?“ und habe dann halt diese Snacks gegessen. Irgendwann haben wir dann gegessen und ich habe gedacht: „Ah okay, das ist dann einfach nur zweieinhalb Stunden später!“ Es war wirklich amüsant. Ich finde halt, dass das wirklich wichtig ist, dass man das dann schon früh erfährt und einfach offener wird.

JO: Ja, okay, wie gesagt, wir sind hier ja an der Universität des Saarlandes. Findest du, das Saarland nimmt eine wichtige Rolle, so als Grenzregion, ein?

MVT: Ja, auf jeden Fall, ich finde, dass, natürlich einmal historisch gesehen, dadurch, dass das Saarland mal französisch war, der französische Esprit schon spürbar ist.

JO: Was heißt das: französischer Esprit?

MVT: Ich finde schon allein die Tatsache, dass man in 20 Minuten in Forbach einkaufen gehen kann und man eben auch viele französische Bürger:innen trifft – also wenn man zum Beispiel samstags durch Saarbrücken läuft, dann hört man eigentlich immer Französisch irgendwo oder auch Englisch teilweise durch die internationalen Studierenden des Saarlands – also eben geografisch als Grenzregion eine große Rolle spielt. Und auch historisch gesehen, dadurch dass man halt mal französisch war, hat man damit auch mehr am Hut gehabt als vielleicht eine Region, die zentraler in Deutschland liegt. Daher finde ich gerade, dass es die Aufgabe einer Grenzregion ist, sich viel mit dem Nachbarland auseinanderzusetzen und sich auch gut mit ihm zu verstehen, und das fällt halt auch einfach leichter, wenn der Weg kürzer ist. 

JO: Also auch ein bisschen die Beziehungen führen für Deutschland generell?

MVT: Ja, als ich denke, dass diese persönlichen Kontakte wichtig sind, die hat man auch noch mehr, wenn man näher dran ist, oder man fährt auch selbst mal. Metz ist nur eine Stunde weg, dann fahren wir doch mal dahin. Es gibt ja auch schon sehr viele Projekte hier, die stattfinden. Ich meine, die Deutsch-Französische Hochschule hat ja auch den Sitz hier in Saarbrücken, dadurch gibt’s ja auch schon viele Aktivitäten und anderweitige in Organisationen, ProTandem und so weiter, die Franzosen im Saarland – ich weiß gerade nicht, wie es auf Französisch heißt. Das, was ich gemerkt habe, wenn ich Social-Media-Posts gemacht habe oder auch die Posts der anderen Institutionen gesehen habe, da wurde mir noch viel mehr bewusst, was es eigentlich alles gibt. Wo ich früher, als ich auf den Bildungsmessen war und gefragt habe: „Was gibt’s denn?“, nicht wusste und ich jetzt eben weiß und das auch natürlich versuche, zu teilen, weil ich glaube, dass das auch viele in Deutschland nicht wissen, weil die deutsch-französische Bubble ist trotzdem, auch innerhalb der Uni eine Art Bubble und dann eben auch nochmal innerhalb Deutschlands und Frankreichs. Es gibt ja schon auch rechtspopulistische Tendenzen im Moment und ich glaube, da muss man eben auch dieser Netzwerker, wie du schon sagst, „passeurs, passages“, sein.

JO: Ja. Du arbeitest ja am Frankreichzentrum – möchtest du später nach deinem Studium auch etwas im deutsch-französischen Bereich machen?

MVT: Also ich kann es mir auf jeden Fall vorstellen, gerade dadurch, dass mein Bachelor-Studiengang in diese Richtung geht. Ich glaube auch so ein bisschen, sagen wir mal ich würde nur in Richtung Politik gehen, dass das da auch immer mit drin ist. Also auch wenn man in eine ganz andere Richtung geht und den deutsch-französischen Bereich verlässt, verlässt er einen nicht wirklich. Also wenn man einmal damit intensiv konfrontiert wurde, glaube ich, dass das schon irgendwie ein Teil von einem bleibt und ich kann mir auf jeden Fall auch vorstellen, in einer deutsch-französischen Kultureinrichtung oder in einer politischen Einrichtung – in einer Stiftung, Fondation Robert Schuman oder dem Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg, das finde ich auch sehr interessant, oder allein auch journalistisch kann man da ja auch sehr viel tätig werden. 

JO: Du machst ja hier auch viel im Kommunikationsbereich hier, ist das etwas, das dich besonders interessiert?

MVT: Ja, also ich finde gerade die Planung und Durchführung von Veranstaltungen interessant. Von den Deutsch-Französischen Studien gibt es ja auch den Alumniverein „Amicale“, wo wir auch eben Veranstaltungen organisieren und versuchen, dieses Netzwerkens zu unterstützen, und ich finde das sehr wichtig. Da ist Kommunikation natürlich ein großer Teil von. 

JO: Natürlich. Okay, letzte Frage: Was ist für dich der kulturelle Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland, der dich persönlich so am meisten beeindruckt oder erstaunt hat? Also du hast ja schon etwas über das Essen gesagt.

MVT: Ich glaube, das geht auch wirklich in diese Richtung, weil es eben das erste war, was ich überhaupt so wahrgenommen habe oder ich immer wieder wahrnehme, wenn ich länger in Frankreich bin, ist irgendwie das Verständnis von Zeit generell – ich hatte dieses Semester auch die Vorlesung „Interkulturelle Kommunikation“ und da haben wir darüber gesprochen, dass es auch Ansätze gibt, dass man sagt, dass Zeit in Deutschland linearer verläuft und in anderen Ländern als Frankreich ein bisschen zirkulärer und dass man immer wieder so kontextbezogen und prozessorientiert arbeitet – und ich finde, man merkt schon, dass man sich in Frankreich viel Zeit nimmt, zu essen. In Deutschland hat man in fünf Minuten gegessen, weil man ja essen muss.

JO: So technisch, quasi.

MVT: Ja, und in Frankreich ist es ein gemeinsamer Moment, den man teilt, und man genießt es auch. Generell habe ich manchmal das Gefühl, dass man einfach langsamer lebt. Man nimmt sich die Zeit und ich bin manchmal, wenn ich eine längere Zeit in Frankreich bin, manchmal weniger gestresst, weil es eben nicht so schlimm ist, wenn man mal zu spät kommt, was ich eigentlich versuche, zu vermeiden, das kriege ich glaube ich auch nicht raus. Aber trotzdem. Ich finde, das ist schon ein Unterschied. Das führt natürlich auch, wie du schon gesagt hast, gerade im Arbeitsalltag oft zu Irritationen, wenn man dann eben sagt, wir machen ein Arbeitsmeeting, und die Deutschen möchten eigentlich pünktlich kommen, kurz besprechen und dann jeder für sich wieder weiterarbeiten und die Franzosen möchten erstmal gemeinsam noch einen Kaffee trinken und dann erst zum notwendigen Teil übergehen. Das muss man einfach wissen.

JO: Ja, es gibt Schwierigkeiten.

MVT: Generell, gastronomisch, die Wichtigkeit von generell allem Kulinarischen ist in Frankreich schon auch nochmal höher. Und das merkt man als erstes auch im Alltag – ansonsten gibt es ja auch noch viele strukturelle Unterschiede.

JO: Dann, danke Maya für deine Teilnahme, es war wirklich interessant. Vielen Dank!

MVT: Sehr gerne. Vive l’amitié franco-allemande!

JO: C’est ça, vive l‘amitié franco-allemande!

2. Episode mit Zoé Boucher, Junge Botschafterin aus Nantes in Saarbrücken 2023/24

Zur zweiten Episode des Podcasts "Passeurs, Passage" lädt Joséphine Orio, Moderatorin und Leiterin dieses Projekts, Zoé Boucher herzlich ein, über ihre Erfahrungen in der deutsch-französischen Welt zu teilen.

Podcast — Episode 2

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Podcast „Passeurs, Passages“ – Episode 2: mit Zoé Boucher

Joséphine Orio (JO): Willkommen zum Podcast "Passeurs, Passages" des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes in Kooperation mit dem ZeLL, Zentrum für Lehren und Lernen. Ich bin Joséphine Orio, ich bin Französin und dieses Jahr Freiwillige am Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes. Das Thema des Podcasts ist der Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland. Zu jeder Episode wird ein neuer „Acteur“ oder „Passeur“ aus der deutsch-französischen Welt eingeladen, der uns von seinen Sichtweisen, seiner Rolle und seinem Engagement im deutsch-französischen Bereich berichten wird. Einige Episoden werden daher in deutscher und andere in französischer Sprache aufgezeichnet. Für diese zweite Episode wollte sich Zoé Boucher gerne zu uns gesellen. Hallo, Zoé. Herzlich willkommen!

Zoé Boucher (ZB): Dankeschön!

JO: Zoé, du bist Französin, du kommst aus Rouen und dieses Jahr machst du ein freiwilliges soziales Jahr, wie ich, aber als junge Botschafterin aus Nantes im Rathaus Saarbrücken. Könntest du uns zuerst deine Arbeit, deine Aufgaben und all das, was du im Alltag machst, erklären?

ZB: Meine Arbeit ist ziemlich unterschiedlich und spannend, da meine Aufgaben sehr divers sind. Ich habe vor allem eine Funktion einer Vertreterin. Wie der Name meiner Arbeit es schon andeutet, bin ich Botschafterin. Ich stelle die Stadt von Nantes dar, aber allgemeiner ganz Frankreich und gleichzeitig die deutsch-französischen Beziehungen. Ich habe auch eine Begleiterfunktion für junge Menschen, die gerne an einem deutsch-französischen Austausch teilnehmen würden. Das können sowohl Praktika als auch einfache Entdeckungen sein. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit besteht darin, Projekte für junge Menschen oder im Allgemeinen im Kontext der deutsch-französischen Beziehungen organisieren zu können. Ich bin ziemlich frei, selbst zu entscheiden. Wir haben auch schon die Möglichkeit gehabt, Projekte auf die Beine zu stellen und einige werden bald kommen. Oder zumindest hoffe ich das!

JO: Wir haben es vorher nicht gesagt, aber Saarbrücken und Nantes sind Partnerstädte.

ZB: Genau. Saarbrücken, Nantes und Tiflis in Georgien sind Partnerstädte. 

JO: Du arbeitest bestimmt viel mit den Partnerstädten, kann ich mir vorstellen.

ZB: Ja. Es gibt auch Kovel in der Ukraine. Wir arbeiten aber weniger mit Tiflis und Kowel, aber beide Städte sind oft präsent auf einigen Veranstaltungen.

JO: Also ziemlich eklektische Aufgaben. Das ist das Tolle an der Freiwilligenarbeit. Du hast die Möglichkeit, in ziemlich vielen verschiedenen Bereichen hineinzuschnuppern.

ZB: Absolut. Es ist ziemlich breit angelegt, das heißt ich kann vieles entdecken und das dann auch mit anderen teilen. 

JO: Könntest du uns vielleicht erklären, wie du hierhin gekommen bist? Warum hast dich für ein freiwilliges soziales Jahr entschieden? Und warum in Deutschland?

ZB: Also, ich habe zuerst ein Jahr Jura studiert in Rouen, letztes Jahr. Ich habe mich in meinem Studiengang nicht wirklich erfüllt gefühlt, obwohl es interessant war. Deswegen wollte ich mich neu orientieren, war allerdings spät dran. Ich konnte nicht mehr Parcourssup machen und habe mir dann gesagt, „ich will aber etwas machen dieses Jahr“, aber halt kein Jura. Also habe ich angefangen, mich für ein freiwilliges soziales Jahr zu informieren. Beim Suchen bin ich dann auf die Stelle der jungen Botschafterin gestoßen. Das hat mich sofort interessiert, dadurch, dass ich Deutsch in der Schule hatte, aber nie besonders gut drin war. Irgendwo war es die perfekte Gelegenheit, eine neue Kultur und Sprache kennenzulernen. Deswegen habe ich mich für Deutschland entschieden. Wie schon gesagt, dank der Vielfalt meiner Aufgaben kann ich ein Jahr machen, in dem ich sowohl neue Entdeckungen machen als auch versuchen kann, mich später neu zu orientieren.

JO: Ich finde es auch wirklich sehr interessant, dass man in Frankreich nicht unbedingt weiß, was ein freiwilliges soziales Jahr ist. Die Deutschen machen sowas mehr. Es ist bekannter. Aber bei uns ist es weder etwas, das gemacht wird, noch etwas, das nach dem Studium anerkannt wird. Oder vielleicht spricht man einfach nicht genug darüber. Deswegen muss man suchen. Ich kann für mich selbst sagen, dass es lange gebraucht hat, bis ich etwas gefunden habe. 

ZB: Für mich auch. Ich habe mehrere Wochen auf der Homepage der Freiwilligendienste gesucht, bevor ich darauf gestoßen bin. Und ich gebe dir Recht: Es ist nicht etwas, das normalisiert ist, dadurch, dass man in Frankreich kein Zäsurjahr macht, sowohl während als auch vor seinem Studium. In Deutschland allerdings machen es fast alle. Ich denke auch, dass es wichtig ist, zu wissen, dass es solche Möglichkeiten zwischen Frankreich und Deutschland gibt, mit Organismen, die Jungen helfen während dem Zäsurjahr. Es ist wirklich eine gute Sache. 

JO: Wir arbeiten besonders viel mit dem DFJW, dem Deutsch-Französischen Jugendwerk, das auch viele Freiwilligendienste und Praktika anbietet. 

ZB: Auch Praktika um die Sprache zu erlernen oder ein neues Land zu entdecken für die jüngeren Menschen. Deswegen ist es wichtig die Existenz eines solchen Organismus zu kennen, der so viele Sachen anbietet. 

JO: Es ist wirklich ein einzigartiges Angebot in den europäischen Partnerschaften. Ich hatte in anderen Ländern nach welchen gesucht, aber es ist ziemlich selten. In England noch eher, aber heute, nachdem sie aus der EU ausgetreten sind, ist es doch schwieriger. Mit Deutschland ist es anders. Man hat viele Möglichkeiten. 

ZB: Ich hatte auch dort gesucht, aber ich habe nichts so Komplettes als das DFJW gefunden. Die Tatsache, dass man betreut und nicht alleine gelassen wird in einem komplett fremden Land, ist ziemlich beruhigend. Ich bin froh, dass ich diese Initiative ergriffen habe und noch mehr darüber, dass ich Deutschland entdecken darf. Ich kann es jedem nur empfehlen. 

JO: Ah, der Freiwilligendienst! Eine etwas praktische Frage: Du lebst zum ersten Mal in Deutschland. Hattest du vorher einige Vorurteile über das Land? Über die Art und Weise wie sie arbeiten? Oder allgemeiner, über die Kultur?

ZB: Ich erinnere mich mit dir schon mal diese Konversation gehabt zu haben und es ist ziemlich witzig. Ich bin seit einigen Monaten hier - seit September. Das heißt, ich hatte jetzt genug Zeit, Klischees von der Wirklichkeit zu differenzieren. So viele Vorurteile über Deutschland hatte ich gar nicht, weil ich schonmal die Möglichkeit hatte, nach Deutschland zu kommen, während eines schulischen Austausches in der 8. Klasse. Ich kannte so Kleinigkeiten, aber das Leben hier ist schon etwas anders. Es ist einfach eine andere Lebensart als in Frankreich. Aber ich finde, dass wir uns in vielen Dingen wiederfinden. Die Vorurteile, die ich hatte, existieren nicht mehr, weil ich mich an die Atmosphäre und das Klima hier angepasst habe. Es gibt allerdings etwas, an das ich mich immer noch nicht gewöhnt habe - das Sprudelwasser. (Joséphine lacht.) Alle Deutschen trinken es, und das überall.

JO: Man stellt sich überhaupt nicht die Frage.

ZB: Genau! Wollen Sie Wasser? Also Sprudelwasser. Im Deutschunterricht hatte ich zum ersten Mal über die Currywurst gehört, aber hatte noch nie eine gegessen. Hier konnte ich eine probieren. Ich finde es auch super interessant, dass die Kultur über die Gastronomie läuft. Zum Beispiel Brezeln. Ich selbst komme nicht aus der Region Grand Est, daher konnte ich viele verschiedene und nette Dinge entdecken.

JO: Wir haben in diesem Podcast schon ein wenig darüber gesprochen: Vorurteile gegenüber der Zeit, die vor allem am Arbeitsplatz sehr wichtig sein können. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?

ZB: Deutsche sind schon sehr penibel, wenn es sich um die Uhrzeit handelt. Um die und die Uhrzeit, macht man genau das. Um Punkt 12 isst man. Um 19 Uhr isst man. Übrigens esse ich mit meiner Familie in Frankreich zu sehr späten Uhrzeiten. Eher so 21 Uhr. Mit meiner Mitbewohnerin bin ich jetzt daran gewöhnt, viel früher zu essen, also so gegen 19.30 Uhr. Oder wir bereiten zu dieser Uhrzeit essen vor. Das Verhältnis zurzeit ist also tatsächlich ganz anders. Die Deutschen nehmen es mit ihrer Zeitplanung wirklich sehr genau. Das ist ziemlich beeindruckend. Ein Vorurteil, das ich vorher nicht hatte: Die Deutschen sind immer sehr beschäftigt. Sie haben nebenbei immer ganz viele Aktivitäten. Zumindest all die, die ich kennenlernen konnte, machen ziemlich viele Sachen außerhalb der Arbeit.

JO: Das gilt auch für die Studierenden. Mir ist aufgefallen, dass sie wirklich enorm viel Verantwortung tragen. Praktika, Jobs außerhalb der Universität... Es ist sehr umfangreich.

ZB: Genau. Allerdings machen das auch manche in Frankreich, aber es ist bei weitem nicht so normalisiert wie in Deutschland. Hier ist es wirklich jeder. 

JO: Du arbeitest ziemlich viel zwischen Deutschland und Frankreich. Du hast sehr viele grenzüberschreitende Projekte mit der anderen jungen Botschafterin aus Saarbrücken, die momentan in Nantes ist. Was ist dir besonders aufgefallen, während dieser Projekte zum Kulturaustausch? Was war besonders interessant oder bereichernd? Was motiviert dich bei solchen Projekten?

ZB: Also, ich denke, das ist auch der Grund, warum Paula, die junge Botschafterin aus Saarbrücken in Nantes, und ich rekrutiert wurden. Wir haben natürlich schon eine Vorliebe zur Kultur. Was auch immer uns angeboten wird, wir nehmen alles als Chance wahr und denken, dass es interessant sein könnte, Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Was uns auch motiviert, ist die Möglichkeit, etwas zu teilen. Manchmal hat man nicht unbedingt die gleiche Sichtweise wie die Grenzländer. Und wir erleben es untereinander mit Paula. Die Tatsache, dass wir es teilen können, sei es mit Jugendlichen, aber auch mit allen anderen Altersgruppen, bringt uns Freude, wenn wir sehen, dass es dem Publikum gefällt, sie eine gute Zeit haben und alles entdecken, so wie wir es auch tun. Wir haben die Möglichkeit, durch kulturelle Veranstaltungen etwas zu entdecken. Es ist gut, das über kulturelle Veranstaltungen zu tun, weil es über den pädagogischen Bereich hinausgeht, also über den Deutschunterricht oder den Französischunterricht, den die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel in der Schule gewohnt sind. Und so lernen sie durch diese Veranstaltungen eine neue Kultur auf eine andere Art und Weise kennen.

JO: Es ist wirklich eine Vermittlungsarbeit.

ZB: Absolut. Es ist, wie gesagt, ziemlich breit gefächert.

JO: Kannst du uns etwas über dein letztes Projekt erzählen, das Filmfestival in Saarbrücken, das auch in Partnerschaft mit Nantes stattgefunden hat? Was hast du an diesem Projekt besonders interessant gefunden?

ZB: Es nennt sich die „blogueur team“. Es ist mit zwei Filmfestivals verbunden. Eins in Nantes, das Univers Ciné heißt, und eins in Saarbrücken, das Filmfestival Max Ophüls Preis heißt. Das Konzept des Projekts besteht darin, jungen Menschen, die sich für das Kino interessieren, die Möglichkeit zu geben, vorbeizukommen und durch junge Leute, die Inhalte für unsere sozialen Netzwerke erstellen, daran teilzunehmen, um dies mit der gesamten Filmszene zu teilen und ihnen auch die Chance zu geben, Leute aus der Szene oder Passanten zu interviewen. Das waren zwei Veranstaltungen, die wirklich toll waren, weil wir ein sehr motiviertes Team hatten. Alle waren inspirierend und haben sich gegenseitig unterstützt. Es war übrigens ein deutsch-französisches Team. Wir hatten sowohl Leute aus Saarbrücken als auch aus Nantes. Es gab einen ziemlich starken kulturellen Austausch. Es war eine tolle Veranstaltung. Es hat nicht nur den Teilnehmern gefallen, sondern auch uns, den Organisatorinnen, die ebenfalls voll dabei waren, da wir sie während der zwei Wochen des Festivals begleitet haben. Es war wirklich eine tolle Erfahrung.

JO: Man hat also die Möglichkeit, bei deinen Projekten kreativ zu werden.

ZB: Ja, man hat die Möglichkeit gut betreut zu werden. Für die Freiwilligendienste haben wir Tutoren und Tutorinnen. Paula hat auch welche und wir haben das Glück, gut betreut zu werden, sodass viele unserer Ideen in alle Richtungen gehen. Zuerst hat man so eine vage Vorstellung und danach hilft man uns, diese auf die Beine zu stellen. Es ist wirklich breit gefächert, das heißt, dass ich so ein bisschen alles vorschlagen kann. Manchmal sagt man mir „ja“, manchmal „nein“, aus welchem Grund auch immer. Aber generell lässt man uns viel Raum, um das auf die Beine zu stellen, was uns auch wirklich interessiert. Es wird meistens auch dem großen Publikum gefallen. 

JO: Ja, es ist interessanter, Themen auszusuchen, die einen selbst interessieren könnten. Es ist einfacher, die dann umzusetzen. 

ZB: Ja, genau. Wir öffnen uns auch selbst. Manchmal werden uns Projekte angeboten, an die wir nicht unbedingt gebunden sind, aus welchem Grund auch immer. Das erweitert aber unseren Horizont. Man sagt sich dann: „Okay, wir werden etwas entdecken. Wie werden wir es umsetzen? Wie werden wir das machen?“ Man hat also die Möglichkeit, bei der Gestaltung dieser Veranstaltungen neue Dinge schätzen zu lernen.

JO: Ich weiß nicht, ob du darüber sprechen kannst, was du für die Zukunft geplant hast, aber hast du in deiner Rolle als junge Botschafterin oder nach deinem Freiwilligendienst schon irgendwelche Projekte geplant? Vielleicht im deutsch-französischen Bereich? Oder gibt es bestimmte Arbeitsweisen oder Projekte, die du in diesem Bereich gerne aufwerten würdest?

ZB: Für die kommenden Projekte würde ich vorschlagen, die Überraschung zu bewahren und die Leute einzuladen, mir auf den sozialen Netzwerken zu folgen. Wir heißen „jeuneamb_nantes_sarrebruck“, sowohl auf Instagram als auch auf Facebook, wo man dann alle Veranstaltungen sehen kann, die wir bald auf die Beine stellen werden. Und abgesehen davon hätte ich nicht gedacht, dass mir der deutsch-französische Bereich so gut gefällt. Ich kann mir meine Zukunftsperspektiven besser vorstellen, jetzt wo ich weiß, dass ich gerne im deutsch-französischen Bereich weiterarbeiten würde. Ich persönlich bin eine große Filmliebhaberin. Wie bereits erwähnt habe ich das Festival geliebt, weil es wirklich ein Umfeld ist, in dem ich mich wohlfühle. Ich würde es gerne mehr in den Vordergrund stellen. Kino ist etwas so Universelles, das heißt, egal wer man ist, egal wo man ist, man kann einen Film verstehen. Selbst wenn man die Sprache nicht versteht, versteht man die Bilder. Wir wurden damit konfrontiert, als wir auf beiden Festivals waren. Es gab da auch Filme in deutscher Sprache. Man spricht die Sprache nicht fließend, man hat nicht alles verstanden, aber man konnte mit den Bildern die Botschaft vermitteln. Ich glaube, das ist etwas, das noch weiter ausgebaut werden kann, damit man viele Dinge entdecken kann. Ich würde mich gerne später in diese Richtung orientieren. Also viele Projekte in Aussicht.

JO: Vielen Dank, dass du gekommen bist, Zoé!

ZB: Vielen Dank, dass du mich eingeladen hast!

JO: Das hat mich sehr gefreut. Folgt doch einfach Zoé als junge Botschafterin auf ihren Social Media- Accounts. Es gibt einen Instagram-Account und einen Facebook-Account. Willst du sie uns noch einmal sagen?

ZB: Es heißt „jeuneamb_nantes_sarrebruck“.

JO: Nochmals vielen Dank! Danke, dass du gekommen bist und danke, dass ihr alle zugehört habt!

3. Episode mit Auréane Behra, Freiwillige am Institut d'Etudes françaises in Saarbrücken

Zur dritten Episode des Podcasts "Passeurs, Passage" lädt Joséphine Orio, Moderatorin und Leiterin dieses Projekts, Auréane Behra herzlich ein, über ihre Erfahrungen in der deutsch-französischen Welt zu teilen.

Podcast — Episode 3

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Podcast „Passeurs, Passages“ – Episode 3: mit Auréane Behra

Joséphine Orio (JO): Willkommen zum Podcast „Passeurs, Passages“ des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes in Kooperation mit dem ZELL, Zentrum für Lehren und Lernen. Ich bin Joséphine Orio, ich bin Französin und dieses Jahr Freiwillige am Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes. Das Thema des Podcasts ist der Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland. Zu jeder Episode wird ein neuer „Akteur“ oder „Passeu“r aus der deutsch-französischen Welt eingeladen, der uns von seinen Sichtweisen, seiner Rolle und seinem Engagement im deutsch-französischen Bereich berichten wird. Einige Episoden werden daher in deutscher und andere in französischer Sprache aufgezeichnet. Für diese dritte Episode hat sich Auréane Behra zu mir gesellt. Auréane, hallo und herzlich willkommen!

Auréane Behra (AB): Hallo!

JO: Könntest du dich vielleicht kurz vorstellen, deinen Werdegang vorstellen und deine Beziehung zum Deutschen erläutern? Und wie kam es zu dieser Stelle hier in Saarbrücken?

AB: Mein Name ist Auréane Behra und ich werde demnächst 21 Jahre alt. Ich habe angefangen, Deutsch in der Grundschule zu lernen und habe es dann auf dem Gymnasium weitergeführt. Erst in der Oberstufe habe ich angefangen, richtig intensiv Deutsch zu lernen, weil ich mich dazu entschieden hatte, den AbiBac zu machen, also das deutsch-französische Doppelabitur. Und so hatte ich dann im Endeffekt die Hälfte meiner Unterrichte in deutscher Sprache…

JO: Ah ja, doch so viel?

AB: Ja, das waren zwölf Stunden Deutsch in der Woche. 

JO: Das ist ziemlich konsequent.

AB: Ja. Die eine Hälfte Literatur, die andere Hälfte Geografie und Geschichte. Deswegen hatte ich in der 10. Klasse den Eindruck, nur Deutsch gemacht zu haben. Danach hat es sich aber ausgeglichen, dadurch, dass ich ein bac S (wissenschaftliches Abitur) gemacht habe. In der 11. und 12. Klasse ist es zwischen den wissenschaftlichen und Sprachfächern etwas ausgeglichener. Ich wollte mit Deutsch nach dem Abi weitermachen, wusste aber nicht wirklich, ob ich Lehrerin werden wollte, zum Beispiel. Und das, in Frankreich. Und dadurch, dass ich mir nicht sicher war, dachte ich mir, dass es ganz schön riskant wäre. Deswegen habe ich mich dafür entschlossen, Germanistik in Luxemburg zu studieren. In Luxemburg ist der Studienablauf sehr ähnlich wie in Frankreich, wo man einen Bachelor in seinem eigenen Fach, also Germanistik in meinem Fall, macht. Und später spezialisiert man sich im Master dann, indem man Bildungswissenschaften hinzuwählt, um Lehrer zu werden. In Deutschland macht man Bildungswissenschaft ab dem 1. Semester. Wenn du dich dann im Endeffekt dazu umentscheidest, doch kein Lehrer werden zu wollen, ist es schwieriger, später zu wechseln. Man muss Äquivalenzen finden. Deswegen habe ich mich für Luxemburg entschieden. Was wirklich toll war mit dieser Entscheidung, also Bachelor in Europäischer Kultur, ist, dass man ein Hauptfach wählen kann – für mich Deutsch, in dem Fall. Weitere mögliche Fächer waren dann Philosophie, Geschichte, Französisch und Englisch. Man kann einige Kurse auswählen, um es zu ergänzen, was mir die Möglichkeit gegeben hat, nicht nur drei Jahre lang Deutsch zu machen, sondern auch Kurse in französischer Literatur hinzuzunehmen, wann auch immer ich Lust darauf hatte. Ein bisschen Geschichte für die Kurse, die mich interessierten, aber auch ein bisschen Philosophie, um dann eine Kombi aus allem zu machen. Nach meinen drei Jahren wollte ich doch nicht mehr Lehrer werden, im Endeffekt. Aber ich hatte so viele Möglichkeiten dank meines Bereiches, dass ich entschlossen habe, in den deutsch-französischen Bereich zu migrieren. Es gab viele Master, die mich interessiert hatten, aber deutsch-französische Kultur kann alles bedeuten. Es ist sehr breit gefächert. Ich musste es aber versuchen. Und der beste Plan, den ich gefunden hatte, war dieser Freiwilligendienst beim IEF, in einem deutsch-französischen Kulturinstitut. 

JO: Hattest du Schwierigkeiten bei der Suche oder wie hast du danach gesucht?

AB: Es war wirklich ein Zufall. Am Anfang wollte ich eher einen Monat während der Sommerferien in einem solchen Institut arbeiten. Das Problem war, dass diese oft geschlossen sind während dem Sommer oder zumindest gibt es viel weniger Arbeit, weil sie viel mit Schulen arbeiten. Die Sommerferien sind eine Zeit ohne Arbeit. Und bei der Suche nach einem Praktikum bin ich immer wieder auf die Freiwilligenarbeit gestoßen. Dann dachte ich: „Nein, ich werde das im Sommer machen. Ich werde das nicht ein Jahr lang machen. Ich möchte nicht unbedingt eine Pause in meinem Studium haben. Aber ich bin immer wieder darauf gestoßen und es klang gut. So kam es dann, dass ich mir das Angebot angeschaut habe. Es wurden sehr viele Aufgaben angeboten. Ich mache einen deutsch-französischen kulturellen Freiwilligendienst, also wird er auch vom DFJW beauftragt, aber nicht nur. Wir werden hauptsächlich von der Maison Renani Palatina koordiniert, oder Haus Rheinland-Pfalz für die Deutschen, die nach Frankreich gehen. Es ist nicht nur, wie bei mir, ein deutsch-französisches Kulturzentrum. Es hätten auch Aufträge in Theatern, Kinos, Konzertsälen sein können... Es ist wirklich ziemlich breit gefächert. Ein kultureller Auftrag wirklich im weitesten Sinne. Außerdem war mir klar, dass ich meinen Freiwilligendienst in einem Kulturzentrum machen wollte. Andere sind zum Beispiel auf verschiedene Abteilungen spezialisiert.

JO: Seid ihr viele, die sowas machen?

AB: Ich weiß, dass wir dieses Jahr 60 sind, aufgeteilt in zwei Gruppen. Es gibt genauso viele Deutsche wie es Franzosen gibt. Also ist die eine Hälfte in Frankreich und die andere in Deutschland. Es gibt viele verschiedene Gelegenheiten. Man muss suchen, aber man findet etwas. In meinem Fall habe ich nach etwas komplett Anderem gesucht, aber bin immer wieder darauf gestoßen und jedes Mal dachte ich mir, „Das passt nicht“, „Ah, vielleicht doch“, „Ah, warum nicht?“. Und so habe ich entschieden, mich spontan hier zu bewerben. Man kann sich auf drei Missionen bewerben und danach gibt es ein Bewerbungsgespräch. Es gibt die Beschreibung auf Papier und dann gibt es das Treffen mit dem Direktor oder den Vorgesetzten. Das bringt Dinge ans Licht, die man vielleicht nicht allein durch das Lesen der Stellenausschreibung gewusst hätte. Wenn man sich dann für seine Aufgaben entschieden hat, trifft man eine Wahl unter den drei.

JO: Kannst du uns das IEF vorstellen? Dort, wo du arbeitest. Also deine Aufgaben, aber auch die Berufung des Instituts? 

AB: Wie schon gesagt ist das IEF ein deutsch-französisches Kulturzentrum. Wenn man die Instituts Français kennt, ist es das Äquivalent dazu. Aber es ist kein französisches Institut.

JO: Die Instituts français sind also? 

AB: Es sind Kulturzentren, die aber von der französischen Botschaft delegiert werden. 

JO: Das hat nichts mit der Alliance française zu tun? Oder ist es etwas anderes?

AB: Es ist ähnlich, aber es ist anders. Tatsächlich sind es nicht die gleichen Abteilungen der Botschaft, die die Instituts français oder die Alliance française verwalten. Die Alliance française konzentriert sich, wenn ich mich nicht irre, eher auf die Sprache selbst. Vielleicht sage ich etwas Falsches, aber ich glaube, das ist es. Die Instituts français hingegen sind auch kulturell ausgerichtet. 

JO: Also umfangreicher.

AB: Genau. Davon gibt es auf der ganzen Welt, darunter auch in Deutschland. Die Bundesländer, in denen es keine Instituts français gibt, haben diese Aufgaben an deutsch-französische Zentren delegiert. Das Institut d'Etudes françaises für das Saarland hat diesen Auftrag von dem Institut français der Botschaft erhalten. Das bedeutet, dass wir versuchen, die französischsprachige Sprache in einem breiteren Sinne zu fördern als die Instituts français, die für Frankreich zuständig sind. Wir haben uns auch entschieden, im Bereich der Frankophonie und der Kultur tätig zu werden. Wir organisieren also kulturelle Veranstaltungen für frankophile Deutsche, die zum Beispiel französische Filme, französische oder französischsprachige Autoren kennenlernen wollen. Das kann auch breiter angelegt sein. Zum Beispiel haben wir im November eine Weinverkostung gemacht. Es ist wirklich Kultur im weitesten Sinne, aber als Relais. Das Institut ist in drei Pole aufgeteilt, also den Kulturpol, wo wir kulturelle Veranstaltungen organisieren, den Sprachpol, wo wir Französischzertifizierungen organisieren und den Mediathekpol, weil wir eine französischsprachige Mediathek für diejenigen haben, die sich dafür interessieren.

JO: Und wenn ich mich nicht täusche, bist du eher in dem letzteren tätig.

AB: Genau. Ich kümmere mich alleine um den Mediathekpol, aber das soll sich für den nächsten Freiwilligen im nächsten Jahr ändern. Allerdings ist die Mediathek momentan geschlossen, weil wir diese gerade am Katalogisieren sind. Wir hatten viele Buchänderungen letztes Jahr und das einfachste war, sie dieses Jahr zu schließen. Sie ist mit Termin geöffnet, aber dadurch, dass wir viele Umräumungen machen, müssen wir neue Möbel kaufen. Es ist eine Zeit der Veränderung für die Mediathek, momentan. 

JO: Was gefällt dir oder was interessiert dich besonders an deinem Job im Institut?

AB: Besonders interessant ist für mich, wie so ein Kulturzentrum funktioniert. Wie schon gesagt war meine primäre Motivation einen Bereich kennenzulernen, der mich für meinen späteren Beruf interessieren könnte. Mir ist klargeworden, dass es komplexer ist, als ich es mir vorgestellt hatte und genau deswegen gefällt es mir so sehr, weil ich neue Dinge entdecken kann. Im Juni ist meine Hauptverantwortung, die Mediathek wiederzueröffnen.

JO: Ah ja, also sehr bald!

AB: Genau. Wir haben ein kleines Team und meine anderen Kollegen können mir helfen, also diejenigen, die sich um die Kulturveranstaltungen und die Zertifikate kümmern, sodass ich nie auf eine Rolle festgelegt bin und zum Beispiel einen Text für unser Kulturprogramm auch schreiben darf. Ich habe mich für das französische Zertifikat DELF DALF qualifiziert, das weltweit als französischsprachiges Zertifikat anerkannt ist. Damit kann ich Prüfungen durchführen und habe bereits zwei Prüfungen durchgenommen. Man hat viele Dinge zu organisieren und das ist das Interessanteste für mich. Wenn man bei kulturellen Veranstaltungen einen Film, einen Filmabend oder eine Weinprobe organisiert, ist das ein ganz anderer Prozess. Das sind Dinge, die ich in diesem Jahr entdeckt habe und mir sehr gefallen haben.

JO: Also sehr viele diverse Aufgaben.

AB: Absolut. 

JO: Aber es ist auch die Rolle des Instituts, ein variiertes Programm für ein variiertes Publikum anzubieten.

AB: Es ist für alle, die sich für die französische Sprache oder Kultur interessieren. Wir haben zum Beispiel auch ein französisches Publikum in Saarbrücken, das seine Sprache sprechen oder neue Bücher entdecken möchte. Oder auch Frankophile, also Deutsche, die entweder mit Französisch angefangen haben oder bereits sehr gut Französisch sprechen. Ob klein oder groß. Andererseits werden oft Programme angeboten, die eher auf die Großen zugeschnitten sind. Aber es gibt auch welche für die Kleinsten.

JO: Das passt sehr gut zur Rolle der Thematik des Passeurs, die wir im Podcast in den Vordergrund stellen. Warum ist es für dich wichtig, Brücken und Übergänge zwischen den Kulturen zu schaffen? Gibt es Beispiele aus deiner Erfahrung am IEF, die den Wert des kulturellen Austauschs verdeutlichen?

AB: Ich finde es immer wichtig, einen Austausch zwischen Kulturen, Ländern oder Sprachen zu schaffen. Man kann das auf verschiedenen Ebenen betrachten. Wir leben heute in einer Welt, in der man sehr leicht sein Land verlassen und sich bewegen kann. Ich habe das übrigens auch getan. Ich habe meine Schulzeit in Frankreich begonnen, dann bin ich nach Luxemburg gegangen... Ich bin übrigens mit Erasmus nach Wien gegangen, das hatte ich noch nicht erwähnt. Und jetzt bin ich in Saarbrücken, also wieder in Deutschland. Es ist eine Welt, in der man sich leichter bewegen und entscheiden kann, wegzugehen, aber dafür ist es von großem Vorteil, wenn man die Sprache beherrscht oder zumindest in der Lage ist, sich durchzuschlagen, um sich dann dort zu verbessern. Wenn man eine neue Sprache lernt, lernt man auch eine neue Kultur kennen und interessiert sich für die Kultur des anderen. Man kann das als Chance sehen und sich selbst sagen: „Ah ich will das mit meinen eigenen Augen entdecken“. Das ist es, was wir versuchen, zu tun. Wir versuchen, die Deutschen dazu zu bringen, sich für die Franzosen zu interessieren. Wenn wir unsere Filme anbieten, gibt es Leute, die einfach sagen: „Oh, ein Film! Ich werde ihn mir ansehen.“ Dann entdecken sie, dass es ein französischer Film ist, und schließlich sagen sie: „Ah, aber es gibt doch gute französische Filme! Es gibt nicht nur gute amerikanische Filme“, zum Beispiel.

JO: Französische und französischsprachige Filme auch. Ihr zeigt wirklich viele davon. 

AB: Ganz genau. Heute Abend zeigen wir übrigens einen kanadisch-québécois Film.

JO: Habe ich gesehen. Es ist ein québécois Film. Ist das Denis Villeneuve?

AB: Genau. Also nicht nur Franzosen, sondern auch Frankophone. Sich für die Kultur des anderen zu interessieren öffnet nicht nur neue Türen, sondern auch neue Möglichkeiten. Wenn man lernt, die Kultur des anderen zu entdecken, lernt man auch, sich selbst herauszufordern und zu sagen: „Ah ja, das gibt es. Das ist ein anderer Weg, aber er muss nicht unbedingt schlechter oder besser sein als meiner“. Filme gehören zu unseren erfolgreichsten Veranstaltungen am IEF, da jeder einen guten Film mag. Es ist eine sehr einfache Brücke, die man herstellen kann. Danach funktioniert es auf verschiedenen Ebenen. Ich weiß, dass es bei der Weinprobe zum Beispiel wirklich darum ging, den Deutschen, die sich eher für Bier interessieren, zu zeigen, wie sie Weine kennenlernen können. Das ist wirklich ein sehr wichtiger Teil der französischen Kultur, wo es verschiedene Arten der Verkostung gibt, je nachdem, ob es sich um einen Rotwein, einen Weißwein oder sonst was handelt. Es gab auch Veranstaltungen, die wir in Zusammenarbeit mit dem DFI für Schulen organisiert hatten, bei denen die Schülerinnen und Schüler sich Gedanken über die französische Kultur machen sollten. Die erste Aktivität bestand darin, auf einem Plakat alles zu zeichnen, was die Schülerinnen und Schüler über Frankreich behalten hatten, als sie dort einen Austausch gemacht hatten. Wir haben viele Baguettes und Croissants bekommen. Essen ist also ein erster Punkt. Ich fand es spannend. Es stimmt, dass es ein wichtiger Teil der Kultur ist, den man auch weitergibt. Dann wurden sie gefragt, was sie zum Beispiel in Bezug auf die Schule im Nachbarland schockiert hat, und hier haben sie andere Dinge erklären können, an die sie zunächst nicht gedacht hätten, die ihnen aber aufgefallen waren. Zum Beispiel die unterschiedlichen Stundenpläne. Warum sollten wir längere Unterrichtstage haben als die Deutschen. Es gibt keine Erklärung dafür, aber es ist einfach so. Auch die Noten sind in der Schule sehr unterschiedlich, also noch einmal: Es sind wirklich sehr unterschiedliche Veranstaltungen, die aber für Menschen aller Altersgruppen gemacht sind. Es ist interessant und fächerübergreifend.

JO: Um noch einmal auf dich zurückzukommen... Hast du eine bestimmte Perspektive für deine Zukunft? Für das nächste Jahr? Oder möchtest du weiterhin im deutsch-französischen Bereich arbeiten?

AB: Ich liebe meinen Freiwilligendienst bisher sehr. Es sind jetzt sechs Monate, also ist die erste Hälfte schon vorbei. Ich würde gerne in einem solchen, eher deutsch-französischen Kulturzentrum arbeiten. Da ich aus Nancy komme, nicht weit von der Grenze entfernt, habe ich immer in diesem grenzüberschreitenden Bereich gelebt und das ist es, was mich besonders interessiert. Jetzt muss ich mich noch für einen Masterstudiengang entscheiden. Das ist noch nicht ganz sicher, aber es gibt ziemlich viele Möglichkeiten, sogar trinational zwischen Metz/Luxemburg/Saarbrücken. Ich denke, das wäre eine gute Idee, da es mich wieder einmal mit Luxemburg in Verbindung bringen würde. Man spricht von Frankophonie, aber es gibt keine deutsche Äquivalenz. Man darf nicht vergessen, dass die deutsche Sprache nicht nur Deutschland ist. Es kann also auch Luxemburg, Österreich, Belgien und sogar die Schweiz sein. Ich würde also gerne deutsch-französisch arbeiten, aber nicht nur in Frankreich-Deutschland, und möchte mich in dieser Hinsicht öffnen. Das würde mich später interessieren.

JO: Und was genau soll das für ein Master werden? 

AB: Der Name des Masters ist Master in grenzüberschreitender Kommunikation und Kooperation, was ein sehr langer und schöner Name für kulturelle Studien über das Prinzip der Grenzen ist, aber insbesondere über das Deutsch-französische. Das sind die Herausforderungen dieser großen Region, der großen grenzüberschreitenden Region Luxemburg-Belgien-Deutschland-Frankreich. Hier treffen Sprachen und Kulturen aufeinander. 

JO: Das wäre also eine schöne Kontinuität in deinem Werdegang.

AB: Ganz genau!

JO: Vielen Dank, Auréane. Danke fürs Mitmachen und danke fürs Zuhören!

4. Episode mit Michelle Ibald, Studentin der Interkulturellen Kommunikation

Zur vierten Episode des Podcasts "Passeurs, Passage" lädt Joséphine Orio, Moderatorin und Leiterin dieses Projekts, Michelle Ibald herzlich ein, über ihre Erfahrungen in der deutsch-französischen Welt zu teilen.

Podcast — Episode 4

Transkription

Podcast „Passeurs, Passages“ – Episode 4: mit Michelle Ibald

Joséphine Orio (JO): Willkommen zum Podcast "Passeurs, Passages" des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes in Kooperation mit dem ZeLL, Zentrum für Lehren und Lernen. Ich bin Joséphine Orio, ich bin Französin und dieses Jahr Freiwillige am Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes. Das Thema dieses Podcasts ist der Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland. Zu jeder Episode wird ein neuer Acteur oder Passeur aus der deutsch-französischen Welt eingeladen, der uns von seinen Sichtweisen, seiner Rolle und seinem Engagement im deutsch-französischen Bereich berichten wird. Einige Episoden werden daher in deutscher und andere in französischer Sprache aufgezeichnet. Zur heutigen Folge begrüße ich Michelle Ibald.

Michelle Ibald (MI): Hallo, Joséphine. Vielen Dank, dass du mich hier empfängst heute!

JO: Ist mir eine Freude. Michelle, du bist Studentin an der Universität des Saarlandes und du arbeitest auch nebenbei hier am Frankreichzentrum. Du bist auch zweisprachig sowohl im Deutschen als auch im Französischen, aber heute wirst du auf Französisch sprechen. Kannst du uns zunächst deine Verbindung zum Deutsch-Französischen erklären?

MI: Ja klar, gerne. Meine Mutter ist Französin und mein Vater ist Deutscher, weswegen ich auch zweisprachig aufgewachsen bin. Es war meinen Eltern immer wichtig, dass ihre Kinder, also meine Geschwister und ich, beide Sprachen beherrschen und mit beiden Kulturen aufwachsen. Aus dem Grund sprechen mein Bruder, meine Schwestern und ich alle vier beide Sprachen. Allerdings muss ich gestehen, dass mein Deutsch doch etwas besser ist als mein Französisch, weil ich einfach in Deutschland lebe, mein Studium in Deutschland ist und die meisten meiner Freunde deutsch sind.

JO: Du hast dich dafür interessiert, oder besser gesagt, du musstest dich dafür interessieren.

MI: Genau, ich hatte keine Wahl. Ich bin so großgeworden. Und bis zu meinem 16. Lebensjahr habe ich jedes Jahr den Sommer in der Bretagne verbracht, also war ich viel in Frankreich. Ich war auch in der Ecole française de Sarrebruck et Dilling und danach am Deutsch-Französischen Gymnasium in Saarbrücken in der bikulturellen Sektion. Dadurch habe ich beide Sprachen auf demselben Niveau gehalten. Und in meinem Bachelor und Master habe ich mich dann auch im deutsch-französischen Bereich orientiert.

JO: Du studierst Interkulturelle Kommunikation?

MI: Genau.

JO: Hier, an der Universität.

MI: Ganz genau.

JO: Du bist hier in der Region aufgewachsen, glaube ich.

MI: Ja, ich bin in Saarbrücken großgeworden.

JO: Könntest du uns von Besonderheiten der Region erzählen, also vom Saarland? Spielt deiner Meinung nach das Saarland eine besondere Rolle in der Interkulturellen Kommunikation oder ganz spezifisch im deutsch-französischen Bereich?

MI: Ganz klar spielt das Saarland eine wichtige Rolle für den deutsch-französischen Austausch in der Großregion, vor allem auch durch die Geschichte. Aber ich denke, dass eher der kulturelle Aspekt interessant ist. Saarbrücken ist, zum Beispiel, eine der vier Städte des QuattroPole. Ich weiß nicht, ob dir das was sagt.

JO: Vielleicht kannst du es uns kurz erklären.

MI: Das QuattroPole ist ein Kooperationsnetzwerk zwischen den Städten Saarbrücken, Trier, Luxemburg und auch Metz. Innerhalb dieses Netzes kooperieren die Städte miteinander für diverse Projekte. Letztes Jahr gab es einen Musikpreis, zum Beispiel. Es gibt auch noch das Festival Primeurs, das Festival Perspectives auch, das ein deutsch-französisches Festival der Bühnenkunst ist. Es gibt auch die Europäische Kinder- und Jugendbuchmesse, wo ich auch mal arbeiten durfte. Sehr, sehr interessant. Das Saarland hat auch die Frankreichstrategie etabliert. Dank dieser Strategie fangen Schüler schon sehr früh an, Französisch in den Schulen zu lernen. Darunter gehören das Deutsch-Französische Gymnasium und die Ecole de Sarrebruck et Dilling. Und natürlich kooperieren im universitären Milieu die Universitäten der Großregion miteinander und können dann verschiedene deutsch-französische Studiengänge anbieten. Meiner Meinung nach ist auf kultureller und bildungspolitischer Ebene der deutsch-französische Austausch im Saarland sehr stark.

JO: In der Region?

MI: Ja, in der Region.

JO: An der Universität des Saarlandes, wo wir uns hier befinden, gibt es auch deutsch-französische Programme. Kannst du uns kurz erzählen, warum du dich für dieses Studium entschieden hast? Habt ihr euch viel mit dem Deutsch-Französischen auseinandergesetzt? Wäre es auch ein Bereich, in dem du später gerne mal arbeiten würdest?

MI: Ich habe sehr früh gemerkt, dass die Arbeit im deutsch-französischen Bereich, mit der Kultur und den Sprachen, mir sehr viel Spaß macht und etwas ist, womit ich mich sehr gut auskenne. Ich war also der Meinung, dass es eine gute Idee sein könnte, mein Studium in diese Richtung zu lenken. Um dir den Kontext zu erläutern: In meinem Bachelorstudium war mein Hauptfach Germanistik, heißt deutsche Sprache und Literatur. Mein Nebenfach war Französische Kulturwissenschaft und Interkulturelle Kommunikation. Für meinen Master – das ist mein erstes Semester jetzt – studiere ich Interkulturelle Kommunikation im Hauptfach und Betriebswirtschaftslehre im Nebenfach. Um kurz über mein Studium zu erzählen: Es gibt verschiedene Themenbereiche. Einmal der Bereich interkulturelle Kommunikation, dann gibt es eher Sprach-, Medien- und auch Sprachkompetenzstudien. Das ist ziemlich abwechslungsreich. Innerhalb meines Studiums konnte ich mein Sprachniveau verbessern und meinen Wortschatz im Französischen erweitern. Ich habe auch gelernt, wissenschaftliche Texte sowohl auf Deutsch als auch auf Französisch zu lesen.

JO: Ich unterbreche dich, entschuldige. Ich habe bemerkt, dass die Sprache, die man zu Hause lernt, nicht unbedingt die Sprache ist, die man bei der Arbeit nutzt. Das ist ziemlich interessant, die Unterschiede zu sehen. Wenn du in diesem Bereich arbeiten willst, ist es wichtig, entsprechende Kurse zu haben.

MI: Ja, das stimmt. Nur weil man frankophon ist, heißt das nicht, dass man an der Universität gute Noten in Grammatik bekommt. Das ist überhaupt nicht der Fall. Ich konnte meinen Schreibstil verbessern, weil ich viel in beiden Sprachen schreiben musste. Ich habe gelernt, zu argumentieren und literarische Analysen zu erstellen. Etwas sehr Wichtiges war, dass ich mich in Gruppenarbeit üben konnte, also mit anderen Studenten zusammenarbeiten, Vorträge halten, Projekte präsentieren usw. Ein wichtiger Teil meines Studiums ist die interkulturelle Vermittlung und Übersetzung. In meinem Masterstudiengang werden praktische Seminare angeboten. Im Wintersemester kam ein Journalist von ARTE Strasbourg und hat mit uns einen Workshop gemacht. Das war wirklich spannend. Es gibt viele Seminare zur Auswahl mit verschiedenen Themen. Unter anderem habe ich bereits Seminararbeiten über das Kino der Vorstädte geschrieben. Ziemlich cool.

JO: Das ist für dich sehr fächerübergreifend. Auf dem Arbeitsmarkt ist es auch sehr wertvoll. Hat dir das bei deiner Arbeit am Frankreichzentrum geholfen? Was hat dich daran interessiert, dein Studium und deine Arbeit hier miteinander zu verbinden? Zumindest all das was mit Übersetzen zu tun hat.

MI: Es war sehr praktisch für mich, Übersetzungskurse zu haben, von denen ich dann die Theorie auch hier praktisch umsetzen konnte.  

JO: Zweisprachig zu sein hat schon seine Vorteile. 

MI: Definitiv, besonders in unserem Team ist es ziemlich praktisch, die zwei Kulturen zu haben.

JO: Ist es ein Bereich, in dem du später arbeiten wirst?

MI: Ja, das ist, was das Frankreichzentrum mir gezeigt hat. Ich mag alle Projekte, ganz besonders die interkulturellen. Man arbeitet mit einem klaren Ziel im Kopf und man möchte, dass es gut wird. Ich mag auch die Gruppenarbeit; wenn jeder möchte, dass es toll wird. Die Arbeit hier hat mir gezeigt, dass es etwas ist, was ich ganz besonders liebe, zu machen. Definitiv kann ich mir vorstellen, später hier professionell zu arbeiten.

JO: Kannst du uns ein Projekt oder eine Veranstaltung nennen oder auch ein Beispiel einer deutsch-französischen Begegnung, die du besonders interessant gefunden hast?

MI: Ich kann sogar mehrere nennen. Projekte vom Frankreichzentrum, zum Beispiel. Die Rentrée francophone hatte sehr viel Erfolg oder auch die Veranstaltungsreihe métiers|Berufsfelder. Das Prinzip, Experten aus der deutsch-französischen Welt und aus verschiedenen Bereichen einzuladen, die mit den Studenten darüber sprechen, ist wirklich spannend. Das Projekt MuseoGR ebenfalls. Die Europäische Kinder- und Jugendbuchmesse, die ich bereits erwähnt habe und bei der ich zweimal mitgeholfen habe. Die sind ebenfalls sehr interessant und spannend. Dort gibt es Lesungen und Workshops mit Autoren und Autorinnen aus ganz Europa. Es kommen immer viele französische Autorinnen und Autoren, die eingeladen worden sind. Es gibt auch noch den PopRat, ein Verband im Saarland, der sich als Ziel gesetzt hat, die Popkultur in der Großregion zu verbreiten und zu bewerben. Letztes Jahr haben sie das Sing a Songwriter Festival im Deutsch-französischen Garten organisiert. Es war ein deutsch-französisches Musikfestival und es haben vor allem haben Sängerinnen performt. Es war so ein kleines Konzert, wo dann auch französische Lieder gesungen wurden und es einen deutsch-französischen Workshop für Kinder gab.

JO: Es gibt also ziemlich viele Projekte in der Region. 

MI: Das Saarland wird oftmals unterschätzt.

JO: Ja. Das ist der Reichtum der Grenzregionen. Da es sich um ein sehr kleines Bundesland in Deutschland handelt, denkt man nicht unbedingt daran.

MI: Genau das ist es. Es ist nicht intuitiv, was sehr schade ist.

JO: Gibt es spezifische interkulturelle Projekte oder Methoden zur Vermittlung der französischen, frankophonen oder deutschen Kultur, die du gerne entwickelt sehen oder mitentwickeln möchtest?

MI: Ich hatte ja eben die Frankreichstrategie angesprochen. Dank dieser Strategie lernen Kinder schon sehr früh Französisch hier in den Schulen. Oftmals sind die Schüler nicht sonderlich motiviert, Französisch zu lernen. Ich kenne auch nicht viele Saarländer, die Französisch können oder gerne sprechen. Manche haben es jahrelang in der Schule gelernt und trotzdem ist nichts im Kopf hängen geblieben. 

JO: Genau das Gleiche gilt in Frankreich mit Deutsch.

MI: Total schade, besonders hier. Vor einigen Jahren habe ich Nachhilfeunterricht in Französisch gegeben und da ist es mir aufgefallen. Eine Idee wäre zum Beispiel die Sprache durch Medien, die Jugendliche heutzutage benutzen, zu vermitteln. Keine Ahnung, zum Beispiel Netflix, und man macht eine Übung darüber oder, die Schüler sollen im Unterricht einen französischen Film schauen. Selbst wenn sie den dann nicht verstehen, ist es ja nicht schlimm. Man hat die Bilder. Und danach sollen sie den Film zusammenfassen. Sie können auch Reels auf Instagram schauen, aber auf Französisch. Oder noch, den Jugendlichen erklären, was Verlan* ist. Solche Dinge. Ich finde, das könnte eine andere Art sein, die Sprache zu vermitteln.

JO: Für dich ist Sprache ein wichtiger Part in dem Prozess der Kulturvermittlung.

MI: Absolut. Oder zumindest ist es die erste Begegnung, die man macht. Wenn man in Urlaub fährt, ist es das erste woran man denkt, zumindest für mich.

JO: Vielen Dank, dass du da warst. Und danke, dass du all meine Fragen beantwortet hast!

MI: Danke dir und sehr gerne.

JO: Es war super interessant. Vielen Dank, dass Sie zugehört haben, und wir sehen uns nächste Woche für eine weitere Folge wieder.

*verlan: die französische Jugendsprache

5. Episode mit Florian Lisson, Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Cluster für Europaforschung (CEUS)

Zur fünften Episode des Podcasts "Passeurs, Passage" lädt Joséphine Orio, Moderatorin und Leiterin dieses Projekts, Florian Lisson herzlich ein, über seine Erfahrungen in der deutsch-französischen Welt zu teilen.

Podcast — Episode 5

Transkription

Podcast „Passeurs, Passages” – Episode 5: mit Florian Lisson

Joséphine Orio (JO): Willkommen zum Podcast „Passeurs, Passages“ des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes in Kooperation mit dem ZELL, Zentrum für Lehren und Lernen. Ich bin Joséphine Orio, ich bin Französin und dieses Jahr Freiwillige am Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes. Das Thema dieses Podcasts ist der Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland. Zu jeder Episode wird ein neuer Akteur oder Passeur aus der deutsch-französischen Welt eingeladen, der uns von seinen Sichtweisen, seiner Rolle und seinem Engagement im deutsch-französischen Bereich berichten wird. Einige Episoden werden daher in deutscher und andere in französischer Sprache aufgezeichnet.

Zur heutigen Episode begrüße ich Florian Lisson. Hallo, willkommen.

Florian Lisson (FL): Hallo, bonjour, vielen Dank.

JO: Bonjour, du arbeitest beim CEUS, Cluster für Europaforschung, hier an der Uni und du schreibst auch eine Doktorarbeit, ist das richtig?

FL: Ja, ganz genau, ja.

JO: Was ist das Thema?

FL: Ja, das Thema meiner Doktorarbeit ist der industrielle Wandel in der Region SaarLorLux seit der Coronapandemie und den geopolitischen Herausforderungen und wie sich der industrielle Wandel hier in dieser Grenzregion niederschlägt, die ja so ein Labor der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist, wo es also schon viele Kontakte, viele Austauschmöglichkeiten auf kultureller, sozialer, auf menschlicher Ebene gibt. Aber wo gleichzeitig ja die verschiedenen Konzeptionen, die Denkweisen und Sichtweisen Deutschlands, Frankreichs und Luxemburgs aufeinandertreffen. Da schau ich mir die Gemeinsamkeiten, die Unterschiede an. Und eben welche Potenziale hier in dieser Großregion, in diesem Grenzraum genutzt werden oder vielleicht auch nicht genutzt werden.

JO: Also ganz viel über das Saarland, dann. Bist du aus der Region oder nicht?

FL: Ursprünglich nicht. Ich komme ursprünglich aus dem Ruhrgebiet. Hab in Düsseldorf Romanistik und Medienwissenschaften studiert und bin für mein Masterstudium hier ins Saarland gekommen, weil ich eben nach meinem Bachelorabschluss unbedingt einen deutsch-französischen Master machen wollte. Und der Masterstudiengang Grenzüberschreitende Kommunikation und Kooperation, Deutsch-Französische Studien, den hier die Universität des Saarlandes zusammen mit der Université de Lorraine in Metz und der Université du Luxembourg anbietet, der hat mich angesprochen, eben wegen der deutsch-französischen Studienmöglichkeiten, der Möglichkeit dieses Doppeldiploms, dieses doppelten Masterabschlusses oder dreifachen Masterabschlusses, weil ja Luxemburg mit dabei ist und weil mich vor allem eben diese Grenzregion und eben diese einerseits Nähe zwischen den drei Universitäten, aber andererseits natürlich auch die Punkte des Austausches hier in dieser Grenzregion besonders interessiert haben. 

JO: Könntest du vielleicht erklären, warum du dich für die deutsch-französische Welt interessierst? 

FL: Ja klar, sehr gerne. Also ganz allgemein habe ich immer schon ein großes Interesse für Fremdsprachen, für andere Länder, andere Kulturen gehabt. Ich habe das schon relativ früh gemerkt, als es in der Grundschule losging mit dem Englischunterricht, der hat mir immer sehr viel Spaß gemacht und ich hatte da ein sehr gutes Einfühlungsvermögen in Sprachen, Kulturen. Und deswegen war das für mich im Grunde auch eine sehr –.

Also ich habe grundsätzlich nicht lange überlegt, als es darum ging, Französisch als zweite Fremdsprache zu wählen, weil eben Französisch eine Sprache ist, die einerseits eben die Sprache unseres Nachbarn ist, aber auch nicht nur von Frankreich, sondern auch vieler unserer Nachbarländer ist, von Belgien, von Luxemburg, der Schweiz und natürlich auch die Sprache vieler anderer Länder, wie Kanada, frankophones Afrika ist. Also es ist eine Sprache, die einem einen Zugang zu vielen Menschen auf der Welt ermöglicht und mit der man also wirklich ganz konkret was anfangen kann. Das war auch etwas, was mich sehr interessiert hat und was mich sozusagen auch dazu bewogen hat, Französisch dann in der Schule als Fremdsprache zu wählen und dann meinen Werdegang so zu machen und zu entwickeln. Familiär habe ich keinen Bezug zu Frankreich, aber immer schon sehr frankophiles Umfeld gehabt. Ich kann mich noch erinnern, eines der meiner ersten Bücher aus Frankreich, oder aus dem frankophonen Raum, das mir meine Mutter im Kindesalter gekauft hat, das waren die Bücher der Bände Le Petit Nicolas, Der kleine Nick, von René Goscinny mit den wunderbaren Zeichnungen von Jean-Jacques Sempé, in dem es um diese lustigen Alltagsgeschichten der französischen Kinder in den 50er, 60er Jahren geht, und um den blöden Lehrer, die nervigen Eltern, die erste Liebe. Diese Bücher habe ich also zunächst erstmal in der deutschen Übersetzung gelesen und als ich dann mit der Zeit besser Französisch verstanden und gesprochen habe, dann auch im französischen Original noch mal gelesen. Und das war so einer meiner ersten Kontakte auch zu diesem frankophonen Kulturraum. Und das hat mir sehr, sehr viel Freude gemacht. Genau.

JO: Interessant, ok, ich glaube, du hast auch einen deutsch-französischen Freiwilligendienst gemacht, so wie ich. Also wie war diese Erfahrung für dich? Und hat es dir geholfen, so ein bisschen deinen Weg zu bestimmen? 

FL: Ja, auf jeden Fall. Also es war eine sehr bereichernde Erfahrung. Also das stimmt. Ich habe einen deutsch-französischen Freiwilligendienst gemacht, der eben vom DFJW, vom deutsch-französischen Jugendwerk organisiert wird. Ich war in der Université de Poitiers, so eine typische Studentenstadt im Südwesten Frankreichs, nicht sehr groß aber sehr charmant. Ich war zehn Monate dort und das war für mich eben auch damals zu dieser Zeit, da war ich noch mitten in meinem Bachelorstudium in Düsseldorf, das war eine willkommene Auszeit mal vom Studium, um sich mal praktisch auszuprobieren, sich mal zu verwirklichen und um mal auch eine längere Zeit in die Kultur des Nachbarlandes, in die Kultur und auch die Sprache Frankreichs mal einzutauchen. Es war für mich dann auch das erste Mal für eine längere Zeit von zu Hause weg zu sein und war deshalb auch für mich und meine persönliche Entwicklung doch ein wichtiges Kapitel. Es war eine sehr prägende Zeit, in der ich viel Selbstständigkeit gelernt habe, meine Sprachkenntnisse natürlich weiterentwickelt habe. 

JO: Richtig. 

FL: Ja, absolut. Ein Einblick ein bisschen in das Arbeitsleben und eben auch in die französische Uniwelt, in die französische Arbeitswelt zu bekommen. Und ja, dieser deutsch-französische Freiwilligendienst, hat auch mir persönlich dabei geholfen, Ängste, die ich vor einem Auslandsaufenthalt hatte, abzubauen. Und wer weiß, vielleicht wäre ich für den Master hier nicht nach Saarbrücken, hier nicht in die Großregion gekommen, wenn ich diese vorherige Erfahrung nicht schon mal gemacht hätte und so eben Berührungsängste oder Zweifel auch abzubauen. Da hat mir der Freiwilligendienst und dieses Jahr in Poitiers doch sehr weitergeholfen. 

JO: Also, gute Nachricht für mich. Welchen Platz hat heute der deutsch-französische Bereich in deiner Arbeit und vielleicht auch Forschung? 

FL: Genau, wie du schon eingangs erwähnt hast, arbeite ich hier an der Uni beim Cluster für Europaforschung. 

JO: Könntest du vielleicht ein bisschen erklären, was CEUS ist? 

FL: Genau, sehr gerne. Das CEUS, das Cluster für Europaforschung, ist eine zentrale Einrichtung hier an der Universität des Saarlandes, die in den Bereichen Europastudium und Europaforschung die Professuren der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenbindet, die etwas mit Europa zu tun haben. Das CEUS organisiert unter seiner Federführung Seminare, lädt Gastprofessorinnen und Gastprofessoren ein, verwaltet den Bachelor Europawissenschaft und trägt die Europaforschung, die hier an der der Universität des Saarlandes gemacht wird, in das universitäre Leben und auch in das Leben der Stadt hinein. Etwa auch in Form von Podiumsdiskussionen oder Veranstaltungen in der Stadt. Genau. Beim CEUS, beim Cluster für Europaforschung, bin ich für die Bereich Publikationen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Und um nochmal so einen kleinen Einschub zu machen, ich bin nebenbei auch Mitarbeiter von Professor Lüsebrink, Professor für Romanische Kulturwissenschaft und interkulturelle Kommunikation hier im Fachbereich Romanistik an der Universität des Saarlandes. Um damit mal einzusteigen, ich übernehme für Professor Lüsebrink Rechercheaufgaben, die ihm bei seinen Forschungsprojekten helfen, in diesem Bereich der Kulturwissenschaft und der interkulturellen Kommunikation. Da habe ich schon in den letzten Jahren ein breites Themenfeld abgedeckt, etwa beispielsweise ein von der Gerda Henkel Stiftung gefördertes Forschungsprojekt zu einem auf Französisch verfassten Briefwechsel zwischen dem kaiserlichen Hof in Wien und St. Petersburg im 18. Jahrhundert, aus dem man ganz viel über die kulturellen Beziehungen zwischen Russland und den westlichen Ländern lernen kann, eben in dieser Zeit des Aufklärungszeitalters und dieser Vorzeit der Französischen Revolution. Ich habe auch recherchiert zu den Themen der aktuellen Entwicklungen der Frankophoniepolitik, der Frankophonie außerhalb Europas, frankophones Afrika oder Québec und ich habe zum Beispiel im letzten Wintersemester bei einem Seminar zum Thema Zivilgesellschaften im interkulturellen Vergleich mit Fokus Deutschland und Frankreich mitgewirkt, das mit vorbereitet, bei den Seminarsitzungen geholfen und da ist bei diesen Arbeitsfeldern und in diesen Tätigkeiten, da ist das Deutsch-Französische natürlich omnipräsent, sei es eben bei den Rechercheaufgaben, bei der Sichtung von digitalisierten Texten, Pressemeldungen oder Presseberichterstattungen, die ich mit beobachte, die Forschung in diesem Bereich, da spielt also das Deutsch-Französische eine zentrale Rolle. Um noch mal zu meiner anderen Tätigkeit beim CEUS zurückzukommen, also das Cluster für Europaforschung ist, wie der Name sagt, nicht auf das Deutsch-Französische beschränkt, sondern auf die Europaforschung allgemein. Aber zum Beispiel dort hatten wir jetzt auch im vergangenen Jahr, 2023/24, mit Claire Demesmay eine deutsch-französische Politikwissenschaftlerin zu Gast als Europagastprofessorin, die eben auch Seminare angeboten hat zum Thema Frankreichs Afrikapolitik, Frankreichs Europapolitik vor den anstehenden Europawahlen. Also da schwingt auch das Deutsch-Französische eben als zentraler Bestandteil auch der europäischen Integration natürlich eine Rolle. Und ganz allgemein würde ich auch für meine Arbeit festhalten, dieses Studium von Sprachen und Kulturen hat wirklich meinen Horizont erweitert und einen neuen Einblick gegeben, auch auf meine Muttersprache. Also ich schaue auch auf das Deutsche anders, seitdem ich mich auch intensiv mit der französischen Sprache und dem Deutsch-Französischen auseinandersetze, ich jongliere manchmal zwischen den Sprachen, übersetze im Kopf hin und her und überlege, wie würde man das dann auf Französisch ausdrücken oder auf Deutsch ausdrücken, wenn ich einen französischen Ausdruck lese oder sehe. 

JO: Das ist immer wirklich interessant, so ein bisschen vergleichen. 

FL: Ja, absolut, absolut. Und auch diese Fähigkeiten, dadurch präzise zu formulieren, kreativ mit Sprache umzugehen, das ist etwas, das ist eine Kompetenz, die generell, egal wo man auch sozusagen mit einem deutsch-französischen Studienhintergrund dann arbeitet, ist das generell eine Kompetenz, die sehr wertvoll ist, meines Erachtens nach. Und auch in vielen Berufskontexten nützlich eingesetzt werden kann. 

JO: Also auf jeden Fall nützlich für alle deine verschiedenen Aufgaben hier an der Uni. Was sind deine Zukunftsperspektiven? Gibt es Projekte oder Themen im deutsch-französischen Bereich besonders, an denen du gerne arbeiten würdest? 

FL: Genau, das hast du jetzt auch schon erwähnt. Ich bin Doktorand in diesem Bereich der französischen Kulturwissenschaft und der interkulturellen Kommunikation. Übrigens im Cotutelle-Verfahren zwischen der Universität des Saarlandes und der Universität Lorraine in Metz. Ich forsche also zu diesem Bereich des industriellen Wandels in der Region SaarLorLux. Und eben, wie ich schon sagte und das kann man nur betonen, eben diese Grenzregion mit Frankreich, mit Lothringen, mit Luxemburg und eben darüber hinaus auch mit der Wallonie, mit dem französischsprachigen Teil Belgiens. Das ist ein Labor, in dem sich eben die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Vorstellungen, in den Mentalitäten dieser Länder niederschlagen und bemerkbar machen und diese Region ist schon eng verflochten und es gibt schon viel Austausch in vielen Bereichen, aber es gibt meines Erachtens auch durchaus noch Potenziale, die man noch besser nutzen könnte, etwa im Bereich der Wirtschaftskooperation, in der Mobilität, in der Forschung, im Austausch von Studierenden oder von Schülerinnen und Schülern. Ein Tätigkeitsbereich, den ich mir auch sehr gut vorstellen könnte, ist generell diese grenzüberschreitende Perspektive bei lokalen Akteuren hier in dieser Region zu fördern und dann eben da meinen Teil dafür zu leisten, dass diese Region noch mehr zusammenwächst und auch das Verständnis, dass nicht nur die Barrieren, seien es die Sprachbarrieren oder die kulturellen Barrieren im Vordergrund stehen, sondern dass das Verständnis und ja, die Zusammenarbeit, die verstärkte Zusammenarbeit gefördert werden können. 

JO: Dann ja, danke, vielen Dank für deine Teilnahme. Es war wirklich interessant, mit dir zu reden. 

FL: Gerne. 

6. Episode mit Georg Henkel, Projektleiter “QueBeSaar” beim Landesjugendring Saar

Zur letzten Episode des Podcasts "Passeurs, Passage" lädt Joséphine Orio, Moderatorin und Leiterin dieses Projekts, Georg Henkel herzlich ein, über seine Erfahrungen in der deutsch-französischen Welt zu teilen.

Podcast — Episode 6 

Transkription

Podcast „Passeurs, Passages“ – Episode 6 mit Georg Henkel

Joséphine Orio (JO): Willkommen zum Podcast Passeurs-Passages des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes in Kooperation mit dem ZELL, Zentrum für Lehren und Lernen. Ich bin Josephine Orio, ich bin Französin und dieses Jahr Freiwillige am Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes. Das Thema dieses Podcasts ist der Kulturaustausch zwischen Frankreich und Deutschland. Zu jeder Episode wird ein neuer Akteur oder Passeur aus der deutsch-französischen Welt eingeladen, der uns von seinen Sichtweisen, seiner Rolle und seinem Engagement im deutsch-französischen Bereich berichten wird. Einige Episoden werden daher in deutscher und andere in französischer Sprache aufgezeichnet. Zur heutigen Folge begrüße ich Georg Henkel.

Georg Henkel (GH): Hallo. 

JO: Hallo, willkommen. Georg, du kommst aus Deutschland? 

GH: Genau, richtig. Ich komme aus Deutschland, so ist es. 

JO: Und du sprichst aber auch perfekt Französisch. 

GH: Ja.

JO: Und du arbeitest beim Landesjugendring Saar und auch gelegentlich für das DFJW. 

GH: Ganz genau. 

JO: Also vielleicht könntest du zuerst deinen Werdegang ein bisschen vorstellen und erklären, welche Beziehungen du zur deutsch-französischen Welt hast.

GH: Ja, sehr gerne. Genau, also Französisch, das ist tatsächlich meine, du hast es kurz schon angesprochen, Fremdsprache, die ich wahrscheinlich deutlich besser als Englisch spreche. Und habe schon in der Schule viel Lust darauf gehabt, weil scheinbar hatte ich einen guten Französischunterricht. Habe mich jedenfalls danach entschieden, nach der Schule ein Jahr ins Ausland zu gehen, noch nicht nach Frankreich, aber nach Belgien. Ich habe da ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland gemacht und da ganz verschiedene Erfahrungen in einem Sozialzentrum gemacht. Das war, glaube ich, so sehr motivierend auch, um die Sprache im Nachhinein weiterzumachen. 

JO: Also das französischsprachige Belgien. 

GH: Ja. Korrekt, ich war in Brüssel, wo der Großteil der Personen tatsächlich eher Französisch spricht als Niederländisch. Es ist also eigentlich ein zweisprachiges Gebiet, aber mit dem Französisch kam ich da sehr gut weiter. Das DFJW, das Deutsch-Französische Jugendwerk, habe ich tatsächlich erst später kennengelernt. Ich habe nämlich einen zweiten Freiwilligendienst in Frankreich gemacht. Ich war in Nordfrankreich und habe auch in verschiedenen Projekten gearbeitet im Rahmen dieses deutsch-französischen Freiwilligendienstes. Ich war in Dunkerque, das ist also ganz im Norden von Frankreich, also eine sehr spannende Region. Ich habe dort in einem Altenheim gearbeitet, habe in einem Emmaus, also man könnte sagen ein großer Second-Hand-Laden mit einer sozialen Dimension, und auch in Projekten gearbeitet, die sich rund um die Umwelt und nachhaltiges Verhalten im Prinzip gedreht haben. Nach meinem Studium, also ich habe soziale Arbeit studiert, habe ich dann auch viel im deutsch-französischen Kontext Jugend, zum Beispiel Jugendaustausche begleitet, habe mich dann weitergebildet. Das Deutsch-Französische Jugendwerk bietet da ganz verschiedene Sachen an, Gruppendolmetscher:innen oder Sprachanimateur:innen, ganz verschiedene und spannende Sachen. Ich habe dann dort ein bisschen versucht, mich ein bisschen mehr in diesem Bereich zu spezialisieren. 

JO: Ich weiß, dass Sozialarbeit in Deutschland, also es existiert nicht in Frankreich, also wirklich in der Universität. Also es ist auch nicht so möglich, einen Austausch mit Frankreich zu machen. War das nicht ein bisschen kompliziert, dich, also ich weiß nicht, in Frankreich, aber in der Arbeit zu integrieren? 

GH: Das ging ganz gut. Es ist eben so, dass das reine Studium, jetzt in Deutschland zum Beispiel, das hat keinen direkten Bezug meistens zur internationalen Jugendarbeit. Das ist nochmal wirklich dieser Kontext deutsch-französisch. Es gibt ja auch das deutsch-polnische Jugendwerk. Auch zwischen Deutschland und Tschechien bestehen Kooperationen im Bereich des Jugendaustausches. Das habe ich dann selbst gewählt während des Studiums, auch als mein Bachelorarbeitsthema, weil mir dieser Austausch immer sehr viel Spaß gemacht hat. Und genau, du hast vollkommen recht, man wird innerhalb dieses Studiums meistens nicht sehr viele Kompetenzen darin erwerben, deswegen muss man das alles zusätzlich machen, also diese Ausbildung, die zum Beispiel auch das deutsch-französische Jugendwerk anbietet. Und in der Folge dann, genau, das zum ersten Mal auch hauptberuflich, habe ich mit dem deutsch-französischen Jugendwerk zu tun gehabt, als ich in Rennes in der Bretagne an dem Programm „Arbeit beim Partner“ teilgenommen habe und dort Freiwilligendienstleistende im deutsch-französischen Freiwilligendienst begleitet habe und auch Jugendaustausche selbst angeleitet habe. Auch da ging es, glaube ich, um nachhaltige Entwicklung. War sehr interessant. Das ist ein sehr, sehr tolles Programm, was eben den jungen Menschen ein bisschen helfen soll, in der Arbeitswelt, auch in dem anderen Land, in diesem Fall für mich war das ja Frankreich, ein bisschen Fuß zu fassen und das Ganze zu entdecken. 

JO: Das hat dir wirklich mit der Sprache geholfen, glaube ich. 

GH: Das hat mir tatsächlich nochmal, ich konnte ja schon ziemlich gut Französisch, mit der Sprache insofern geholfen, als dass wir in dem Bereich der internationalen Jugendarbeit, da gibt es ja auch manche Fachbegriffe und auch in der Arbeitswelt gibt es Fachbegriffe, die man ja jetzt so nicht unbedingt kennt, wenn man vielleicht nicht gerade einen deutsch-französischen Studiengang gemacht hat, sodass auch das meine Sprache sicherlich ganz gut weiterentwickelt hat. Und um vielleicht das Ganze noch ein bisschen abzuschließen, aktuell arbeite ich hauptberuflich für das Deutsch-Französisch, Quatsch, für den Landesjugendring Saar, das hast du schon angesprochen. Das ist eine Organisation, bei der verschiedene Jugendverbände aus einem Bundesland in diesem Fall Mitglied sind, die sich zusammenschließen, um ihrer Stimme auch beispielsweise politisch mehr Gewicht zu verleihen, aber, und das ist für mich sehr relevant, auch um Qualifizierungen zu erhalten, zum Beispiel die Ausbildung ihrer Jugendleiter:innen, die dann später einmal selber Jugendaustausche anleiten. Und bei mir hauptsächlich auch sich zu den Bereichen Diversität oder Jugendbeteiligung ein bisschen fortbilden wollen.

JO: Also wie gesagt, du bist im Rahmen des Deutsch-Französischen Freiwilligendienstes und bei Fortbildungen oder Veranstaltungen für das DFJW tätig. Also du hast ein bisschen schon darüber gesprochen, aber könntest du erstens deine Rolle beim DFJW erklären und auch die Organisation, die hast du schon ein bisschen vorgestellt, aber warum ist sie wichtig für dich? 

GH: Viele Fragen, aber sehr gerne. Also der Bezug zum Deutsch-Französischen Jugendwerk, wir hatten ja schon kurz darüber geredet, als Organisation oder internationale Organisation die Jugendaustausch zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen jungen Menschen, also junge Menschen, das geht dabei bis 27, in Deutschland und Frankreich, manchmal sogar darüber hinweg, fördert. Es ist eben so, dass es in den verschiedenen Programmbereichen stattfindet, also schulischer, außerschulischer Austausch, die haben auch berufliche Mobilität und eben diesen schon sehr oft angesprochenen Freiwilligendienst. Was ich toll finde dabei ist, dass es eben auch verschiedene thematische Schwerpunkte gibt. Also im Augenblick ist natürlich ganz offensichtlich die Frage mit Europa, wir sind kurz vor den Europawahlen, dann hatte sich das DFJW auch schon Themen wie Zukunft der Jugend allgemein und auch nachhaltige Entwicklung gesetzt. Ich finde das DFJW deswegen sehr wichtig, weil es ist eine nicht kommerzielle Förderung von Jugendbildung und Jugendfreizeitgestaltung, Jugendaustausch insbesondere. Das wird zwar durch die Politik gefördert, aber es wird nicht instrumentalisiert und es wird auch nicht zensiert sozusagen. Über die verschiedenen Themen habe ich schon erzählt. Das sind große Chancen, die junge Menschen haben. Einmal zu sehen, dass sie selber was zusammen gestalten können und selber was bewirken können. Außerdem finde ich es in der aktuellen gesellschaftlichen Situation, in den verschiedenen Diskursen, die es gibt, teilweise sehr nationalistisch geprägt, ganz wichtig, dass der Perspektivenwechsel weiter verstärkt wird und er findet eben auch durch solche Austausche statt und wird dadurch gefördert, damit man eben sehr problematische Diskurse einfach, gerade unter jungen Menschen, dass die kein Gewicht bekommen, also Stichwort Demokratie. Schließlich Innovation, weil auch aus diesen verschiedenen Programmen heraus entstehen neue Dinge und es kommen Sichtweisen von ganz verschiedenen Personengruppen mit zum Tragen. Es gibt ja teilweise auch Projekte, die sich um Medienbildung und so weiter drehen oder Medien verwenden zum Beispiel, um verschiedene Botschaften weiterzugeben. Da passiert ganz viel. Die Grundidee, die wahrscheinlich Konrad Adenauer und Charles de Gaulle hatten, finde ich immer noch wichtig, zu sagen, dass wir deutsch-französische Beziehungen, das ist ein großes Wort, fördern, indem wir das Kleine fördern, nämlich einfach auch Freundschaften zwischen jungen Menschen in Deutschland und Frankreich und schauen, was uns eigentlich verbindet und weniger was uns trennt.

JO: Ja, das wäre vielleicht gut, wenn es andere Organisationen wie das Deutsch-Französische Jugendwerk auch in anderen europäischen Ländern gäbe. Also ich kenne nicht andere Organisationen wie DFJW. Das ist ganz besonders, finde ich.

GH: Das stimmt. Natürlich ist das eine Sondersituation in Deutschland. Wir haben auf europäischer Ebene ja das Europäische Solidaritätskorps. Es gibt den Europäischen Freiwilligendienst, der ja letztlich ein Cousin oder eine Cousine vom Deutsch-Französischen Freiwilligendienst ist. Es passiert da auch ganz viel und ich glaube, es ist trotzdem wichtig, dass wir sehen, dass diese einzelnen Programme und diese einzelnen Maßnahmen einen Beitrag für das große Ganze leisten. Stimmt, du hast vorhin angesprochen, da habe ich jetzt gar nichts dazu gesagt, was ich eigentlich mache. Meine Rolle in diesen Deutsch-Französischen Austauschen oder auch in dem Freiwilligendienst ist im Augenblick eine überwiegend pädagogische. Das heißt, es geht darum, dass wir ein Programm zusammen erstellen, dass wir überlegen, was für Methoden aus der internationalen Jugendarbeit, aus ganz verschiedenen Teilpädagogiken könnte man sagen - Erlebnispädagogik könnte auch manchmal mit reinspielen - werden wir denn anwenden, um diese Austausche wirksam zu machen und für diese jungen Menschen, die daran teilnehmen, auch hilfreich und dass sie damit etwas weiterentwickeln können. Das kann sich in ganz unterschiedlichen Programmen, Themenschwerpunkten dann niederschlagen. Politische Bildung ist ein großes Stichwort, was immer mit reinkommt. Dass wir auch nicht blind gegenüber der Gesellschaft bleiben, in der wir uns aktuell befinden, in der wir ja letztlich leben.

JO: Wie findest du es, macht dir Spaß? 

GH: Ja, es macht mir großen Spaß. Ich finde das als ein Privileg, selber sowas machen zu dürfen. Es ist jede Jugendbegegnung, auch jedes Seminar, was man anleitet, ist etwas ganz Neues. Du stellst dich auf Personen ein und es ist letztlich nicht so, was man jetzt vermuten könnte, aus klassischen Fortbildungen, die man im professionellen Bereich kennt, dass es ganz stark darum geht, es geht um einen Anspruch, du gibst ganz viel an Input rein. Ich finde persönlich, wenn man es gut und auch partizipativ gestaltet, mindestens genauso viel wieder herausbekommt, wie man selbst reingibt. Schön finde ich dabei, dass diese Menschen, die daran teilnehmen, selbst Multiplikator:innen werden und das, was sie da, hoffentlich positiv, aber meistens schon erlebt haben, auch weitergeben können.

JO: Hast du dann Wünsche oder Perspektive für die deutsch-französischen Beziehungen generell und besonders im Saarland? Wie du schon gesagt hast, du arbeitest viel mit jungen Leuten und so, gibt es zum Beispiel in diesem Bereich noch etwas zu verbessern? Gibt es, ja, Initiativen, die du gerne hervorheben würdest? 

GH: Ein bisschen ist es schon angeklungen. Ich finde, im Saarland haben wir eine tatsächlich sehr spezifische Situation. Wir sind direkt an der Grenze zu Frankreich. Manchmal hört man aber trotzdem junge Menschen, die sagen, irgendwie, es gibt ja diese Frankreich-Strategie, die Sprache – irgendwie, so richtig toll finde ich das eigentlich nicht. Sie haben oft im schulischen Kontext mit der Sprache als Fremdsprache Kontakt gehabt und vielleicht hatten sie keine guten Noten, vielleicht hatten sie ein Problem mit der Lehrer:in, keine Ahnung. Das ist total legitim und geht auch wahrscheinlich nicht ganz so einfach zu verändern. Ich fände es wichtig, dass wir auch diese Jugendaustausche, die eben zum Beispiel außerschulisch stattfinden, sehr stark unterstützen. Das ist nicht so ganz einfach, weil heutzutage gibt es oft sehr umfangreiche Projektanträge. Wenn man ein solches Projekt gestalten möchte, bedarf das vieler Ressourcen, auch als Appell an die Politik. Das ist und bleibt wichtig und sollte durchaus auch ausgebaut werden, damit wir eben auch eine interregionale Dimension, die hier eigentlich einfacher ist als anderswo, vielleicht in Deutschland oder in Frankreich, schaffen können und hinbekommen können. Es ist wichtig, dass wir, finde ich, als Idee, als Grundidee, wie so eine europäische Zivilgesellschaft oder aber mindestens eine Zivilgesellschaft, die gegenüber diesen grenzüberschreitenden Bezügen offen ist, dass wir uns in diese Richtung bewegen. Das wäre mir, glaube ich, sehr wichtig und das ist natürlich noch eine große Herausforderung, nicht nur für die Politik, sondern für verschiedene Akteur:inen in diesem Gebiet, aber auch anderweitig. Aber ich denke, es ist ganz wichtig, gerade jetzt kurz vor den Europawahlen, dass wir uns um diese Sachen Gedanken machen und versuchen, darauf mit hinzusteuern. 

JO: Kommst du aus der Region oder hast du das Saarland gewählt? 

GH: Nein, tatsächlich komme ich ursprünglich aus Thüringen. Das ist interessant, was du sagst, weil ich war ein Jahr, um noch ein weiteres Programm des Deutsch-Französischen Jugendwerks zu nennen, war ich Juniorbotschafter. Die Idee ist, dass die jungen Menschen, die das ein Jahr lang machen, in Deutschland und in Frankreich, deutsch-französische Beziehungen, egal in welchem Kontext, sichtbar machen in den Regionen, wo sie sind und jungen Menschen Lust darauf machen, an Programmen, zum Beispiel vom Deutsch-Französischen Jugendwerk, auch teilzunehmen. Das ist eine sehr große Herausforderung, wenn du, ich will mal sagen, im französischen „Niemandsland“ – in Anführungsstrichen - bist, hat aber letztlich auch Chancen, die darin sind. Dieses Netzwerk der Juniorbotschafter:innen hat auch hin und wieder mal, zeitlich unabhängig - als ich das gewesen bin - verschiedene Projekte organisiert. Wir waren zum Beispiel 2016 beim European Youth Event, eine große Veranstaltung in Straßburg, wo wir dann für Deutsch-Französisches, aber eben auch in der europäischen Dimension ein bisschen Werbung machen konnten und Workshops anbieten konnten. Wir haben sogar einen Flashmob in der Stadt gemacht. Das hat großen Spaß gemacht. Ich glaube, das ist wichtig, anders als das aus schulischen Bezügen: Französisch nur als die Sprache, als eine Aufgabe. Nein, es kann und es soll auch Spaß machen, damit wir weiterkommen, damit wir eben genau diese Grundidee deutsch-französischer Verständigung bei egal welchen Zielgruppen erreichen können.

JO: Georg, vielen Dank für deine Teilnahme und danke auch an die Zuhörenden. 

GH: Sehr gerne. Tschüss.