Tagung: Erste MuseoGR-Begegnungen

Tagung: Erste MuseoGR-Begegnungen

Kunstmuseen und Ausstellungshallen in der Großregion (Lothringen, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Wallonien): Herausforderungen und Chancen grenzüberschreitender Kooperation

Zeit: Donnerstag, 8. Februar 2024, 9.00 bis 17.00 Uhr

Ort: Musée des Beaux-Arts, 3 Pl. Stanislas, 54000 Nancy

Das Projekt MuseoGR versucht, die akademische und museale Sphäre der Großregion grenzüberschreitend und interdisziplinär miteinander zu verknüpfen. Welche Herausforderungen und Chancen können mit solch einer Vernetzung einhergehen? Diese Frage wird auf den Ersten MuseoGR-Begegnungen von Expert:innen aus der Großregion präsentiert und mit Museumsfachleuten, Forscher:innen, Studierenden und der interessierten Öffentlichkeit besprochen.

Simultanverdolmetschung französisch-deutsch, deutsch-französisch.

Eintritt frei. 

Programm

Tagungsheft

 
Abstracts zu den Vorträgen

Christophe GALLOIS, Ausstellungskurator, MUDAM, Luxemburg

Eine Kunstszene für die Großregion als Ganzes?

In den letzten zwanzig Jahren ist eine wachsende Zahl von Ausstellungsprojekten aus dem Wunsch von Institutionen in der Großregion entstanden, zusammenzuarbeiten oder den geografischen Umfang ihrer Aktionen auf Ebene der Großregion zu denken. Tragen diese Ausstellungen dazu bei, die Umrisse einer grenzüberschreitenden Kunstszene zu skizzieren? In welche umfassendere Dynamik sind sie eingebunden? Von welchen Herausforderungen sind sie geprägt? Und auf welche möglichen Hindernisse stoßen sie? Auf der Grundlage meiner Erfahrung als "grenznaher" Ausstellungskurator werde ich versuchen, einige Denkanstöße zu diesen Fragen zu geben.

 

Kathrin ELVERS-ŠVAMBERK, stv. Museumsleiterin Saarlandmuseum, Saarbrücken

Museen im Dialog

Kooperation und transnationaler Austausch sind für die musealen Institutionen der Großregion attraktives Ziel und zeitgemäße Verpflichtung zugleich. In den vergangenen Jahren hat das Saarlandmuseum im Rahmen unterschiedlicher Ausstellungsformate den Versuch unternommen, die kulturelle Identität, die Tradition und Perspektive der großregionalen Nachbarn in den Blick zu nehmen und im Dialog mit der jeweiligen Partnerinstitution, ihren Akteuren und ihrem Publikum neue Betrachtungsweisen zu entwickeln – für das Trennende wie das Verbindende. Der Beitrag will einen Einblick geben in die bislang realisierten Kooperationsprojekte und hiervon ausgehend die Möglichkeiten und Potenziale grenzüberschreitender Museumsarbeit reflektieren.

 

Blandine LANDAU, Universität Luxemburg

Das Beispiel Longwy: Ein Erfahrungsbericht

Im Dezember 2011 wurde ich als „Direktorin der Museen von Longwy“ eingestellt. Mein Ziel war es, ein ehrgeiziges Projekt zur Einrichtung und Renovierung von fünf Museen und Stätten des Kulturerbes in der Stadt und im Großraum Longwy zu leiten (Musée des émaux et faïences, Musée des beaux-arts, Espace d'interprétation de la forteresse Vauban, Espace d'interprétation du "Vieux Château", Espace de valorisation du passé industriel du bassin de Longwy), zu dem auch Rundgänge zur Aufwertung des lokalen Kulturerbes hinzukommen sollten. Von den Gesprächen mit den Aufsichtsbehörden über die Diskussionen mit der Zentralverwaltung bis hin zu den Dialogen mit den verschiedenen Partnern vor Ort auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene war die Entstehung des Projekts langwierig, komplex und erforderte zahlreiche Anpassungen. Und obwohl eines der im ursprünglichen Projekt vorgesehenen Museen in Kürze eröffnet werden dürfte, ist es unwahrscheinlich, dass die anderen Aspekte kurz- oder mittelfristig verwirklicht werden.

 

Noémie DROUGUET, Ecole d’art Saint-Luc, Lüttich, Marie-Paule JUNGBLUT, Universität Luxemburg

Musée A Possen – ein ethno-historisches Museum des Mosellandes

Das Museum A Possen in der luxemburgischen Gemeinde Bech-Kleinmacher an der Mosel besitzt eine Sammlung von Gegenständen des täglichen Lebens der Dörfer des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ursprünglich auf eine nationale und lokale Perspektive ausgerichtet, hat sich das Museumsteam vorgenommen, das Ausstellungsprogramm neu auszurichten. Ihr Konzept, das auf dieser Konferenz vorgestellt wird, hebt sich von der bisher vorherrschenden national-lokalen Perspektive ab. Die "neue" Dauerausstellung setzt auf eine sowohl chronologische als auch dokumentarische Präsentationsform, um den Besuchern ein authentisches Erlebnis zu bieten - eine Reise in das Leben einer dörflichen Gesellschaft im Dreiländereck Luxemburg-Deutschland-Frankreich im 19. Jahrhundert. Zu diesem Zweck wird eine Zusammenarbeit mit den Grenzmuseen angestrebt.

 

Nicolas NAVARRO, Universität Lüttich

Die App „Traverse“ – eine französisch-schweizerische Erfahrung im Umgang mit dem gemeinsamen kulturellen Erbe

Die mobile App Traverse wurde im Rahmen einer französisch-schweizerischen INTERREG V-Finanzierung (2016-2019) entwickelt. Dank der Beteiligung zahlreicher Akteure des Kulturerbes auf beiden Seiten der Grenze strebt dieses Tool an, der Öffentlichkeit ein gemeinsames Kulturerbe eines gesamten Projektgebiets zur Verfügung zu stellen. In diesem Vortrag wird versucht, das Projekt aus drei verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Der erste ist die Konstruktion eines gemeinsamen Raums, ausgehend von einer territorialen Erzählung, die die App und ihre begleitenden Diskurse aufrufen und die die Entwicklung eines digitalen Werkzeugs rechtfertigt. Zweitens geht es darum, in welchem Verhältnis die verschiedenen Akteure zueinander stehen, wobei die Rolle des mit der Entwicklung der Anwendung beauftragten Unternehmens als Vermittler besonders hervorgehoben wird. Drittens geht es um die Art und Weise, wie das Kulturerbe mobilisiert wird und wie es im Rahmen dieses Projekts mit Werten aufgeladen werden kann, das die Überwindung einer rein materiellen Dimension durch die Einbeziehung sozialer und politischer Herausforderungen illustriert.

 

PERSPEKTIVEN UND NEUE HERAUSFORDERUNGEN

Franck HOFMANN, Universität des Saarlandes

Das Museum als Öffnung zur Welt

Über Kuehn / Malvezzis Entwurf für die Moderne Galerie Saarbrücken

Das Öffentliche Museum, so wie wir es kennen, ist eine im Kern europäische Erfindung und historisch Bestandteil eines Bildungszusammenhangs der europäischen Nationen im 19. Jahrhundert. Auch wenn die Kritik am Museum so alt ist wie das Museum selbst, ist es als Institution doch in besonderer Weise in die Kritik geraten. Im Zuge der Auseinandersetzung mit der Erbschaft der Moderne wurden seine Politik und seine normativen Ansprüche gerade auch in einer postkolonialen Perspektive auf die europäischen Gesellschaften kritisch diskutiert. Ausgehend von Derridas Überlegungen zur Verfasstheit europäischer Kultur und „Identität“ in „L’autre Cap“ fragt der Vortrag nach neuen Erzählungen des Museums jenseits der Metropolen, an der – auch geographischen – Peripherie zentrierter Erzählungen von Europa. Gegenstand wird hier die Arbeit des Architekturbüros Kuehn Malvezzi, die sowohl in der Debatte um den Neubau des Berliner Stadtschlosses als auch um die Erweiterung der Modernen Galerie Saarbrücken wegweisende, konzeptuelle Architekturen für Museen in einer Fort-Schrift der Moderne entwickelten.

 

Gian Maria TORE, Universität Luxemburg

Das erweiterte Werk und der Besucher als Kurator

Dieser Beitrag stammt aus dem französisch-luxemburgischen Forschungsprojekt ANR-FNR Augmented Artwork Analysis (AAA), in dessen Rahmen eine Anwendung für das Musée National d'Histoire et d'Art du Luxembourg, das Palais des Beaux-Arts de Lille und das Musée des Beaux-Arts de Lyon entwickelt werden soll. Es geht darum, das im Museum angetroffene Werk durch die Visualisierung und Bedienung - auf einem tragbaren Bildschirm - einer Reihe von Bildern zu erweitern, die es ermöglichen, das betreffende Werk in eine andere Perspektive zu rücken, zu vertiefen und weiterzuentwickeln. Denn die Idee eines Museums und jeder Ausstellung besteht ja darin, ein Werk mit anderen Bildern zu zeigen, um es besser verdeutlichen zu können. Doch während die Ausstellungskapazitäten von Museen sehr begrenzt sind, ist dies bei den digitalen Möglichkeiten, auch dank der KI-Algorithmen, ganz anders. Wie kann man also erreichen, dass der Museumsbesucher nicht mehr darüber informiert wird, was er sieht (wie in der überwältigenden Mehrheit der heutigen Vermittlungsangebote, die auf "Belehrungen" ausgerichtet sind, egal auf welchem Niveau), um selbst aktiv zu werden und sein eigener Kurator zu werden? Nicht im Sinne einer freien Aneignung (wie in Projekten, die sich für die "Rezeption" interessieren), sondern gerade um die Werke selbst, denen man im Museum begegnet, besser zu sehen und somit besser zu verstehen, was es bedeutet, Kunstwerke zu sehen? Dieses breit angelegte Projekt, das Visual Studies und Informatik, Kunst und Medien miteinander verbindet, zielt somit einerseits auf eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Museen und andererseits auf eine neue Bild- und Kunsterziehung ab.

 

Céline SCHALL, Universität Luxemburg, Jean-Christophe VILATTE, Université de Lorraine

Warum sollen Museen dies- und jenseits der Grenze zusammenarbeiten? Die neuen Herausforderungen des ökologischen Wandels.

In diesem Vortrag geht es um die Frage der Zusammenarbeit zwischen Museen vor dem Hintergrund der Umweltkrise, in der wir uns befinden: Kann die Zusammenarbeit für Museen, die einen ökologischen und sozialen Wandel vollziehen wollen (oder auch für diejenigen, die dies nicht wollen), von Nutzen sein?

Wir werden zunächst zeigen, dass die Frage der - insbesondere grenzüberschreitenden - Zusammenarbeit letztlich alt ist, und die wichtigsten historischen Herausforderungen für Museen umreißen (1). Anschließend werden wir einen kurzen Überblick über die Kooperationsmaßnahmen geben, die von Museen erwartet werden, um am gesellschaftlichen Wandel teilzuhaben (2). Schließlich werden wir sehen, dass der ökologische und soziale Wandel nicht nur als eine Notwendigkeit für die Museen erscheint, sondern auch als neuer Hebel, um bestimmte Herausforderungen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit neu auszuhandeln: Dies ist beispielsweise bei der gemeinsamen Planung von Ausstellungen der Fall (3). Die Umweltkrise muss zwangsläufig dazu führen, dass Ziele, Formen und Intensität von Kooperationen - und mehr noch von grenzüberschreitenden Kooperationen - neu überdacht werden.

Informationen zum Projekt

Die ersten MuseoGR-Begegnungen sind das Ergebnis eines Projekts, das 2018 durch die Zusammenarbeit der beiden Organisatorinnen Sandra Duhem und Gaëlle Crenn an der Universität des Saarlandes im Rahmen einer DAAD-Gastdozentur entstanden ist. Indem sie ihre disziplinären Perspektiven – aus der Kunstgeschichte sowie den Informations- und Kommunikationswissenschaften – kreuzten, stellten sie zweierlei fest: 1. Obwohl politische Instanzen regelmäßig dazu anmahnen, die interregionalen Beziehungen in der Großregion zu intensivieren, sind die grenzüberschreitenden Netzwerke von Museen und Kunsthallen nur schwach ausgebildet; 2. Es scheint schwierig zu sein, enge und dauerhafte Beziehungen zwischen Museen und Universitäten zu knüpfen, um Forschung füreinander fruchtbar zu machen. Daraus entstand die Idee, die Gründung des MuseoGR-Netzwerks zu initiieren: ein Netzwerk für Kooperation, Austausch und Forschung, um diese Akteure zusammenzubringen, ohne jedoch bestehende Hindernisse und etablierte strukturelle Schwierigkeiten kleinreden zu wollen. Die Ziele dieses Netzwerks sind daher zum einen, Herausforderungen und Grenzen der grenzüberschreitenden Beziehungen zu erforschen und besser zu verstehen; zum anderen, Akteurinnen und Akteure zusammenzubringen, um Erfahrungen zu bündeln und neue Austausche anzuregen. Zu diesem Studientag werden also sowohl Vertreterinnen und Vertreter der Kunstinstitutionen der Großregion mit Erfahrungsberichten und strategischen Überlegungen als auch universitäre Expertinnen und Experten zum transnationalen Kulturaustausch zu Worte kommen.

Teilnehmende Museen
Posterausstellung

Förderer sind die Agence Universitaire de la Francophonie (Förderlinie Co//ectif) und der Internationalisierungsfonds der Universität des Saarlandes. Die Schirmherrschaft hat die Universität der Großregion (UniGR) übernommen.