Laure Gravier
Laure Gravier
Berlin, les nouveaux territoires de l’art
[Berlin und die neuen Territorien der Kunst]
Seit dem Fall der Mauer hat Berlin sich schnell und dauerhaft als unverzichtbares, übersprudelndes Zentrum zeitgenössischen künstlerischen Schaffens etabliert. Neben der Befreiung der Diskurse und künstlerischen Ausdrucksformen hat die ‚städtische‘ Wiedervereinigung auch eine geografische Öffnung hervorgerufen und die Eroberung neuer Territorien im Herzen der Stadt ermöglicht. Die Hausbesetzungen haben die typische Berliner ‚Alternativkultur‘ entwickelt, indem sie Gebäude zu künstlerischen Zwecken ihrer ursprünglichen Funktion entfremdeten, während die Hauptstadt sich plötzlich einem fragmentierten Stadtgefüge gegenübersah, das es zu kontrollieren galt.
In einer Stadt, in der sich die Territorien künstlerischer Aktivität häufig spontan herausgebildet haben, hat sich die Kultur außerhalb der für sie vorgesehenen Orte entwickelt und sich der Stadt und ihrer Leerstellen aufs Neue bemächtigt. Im Gegenzug scheint die Stadtplanung sich heute auf die Kunst zu stützen, um bestimmte Gebiete in das städtische Gefüge zu reintegrieren, und es scheint eine ‚Institutionalisierung‘ oder ‚Normalisierung‘ dieser alternativen Kultur im Gange zu sein, in deren Zug ‚offiziell‘ experimentelle Zentren an Standorten eingerichtet werden, die aufgrund ihrer Einmaligkeit ausgewählt wurden.
Bedeutet das, dass die vereinten Anstrengungen von Architektur und Stadtplanung die ‚alternativen‘, eigentlich genuin nomadischen Orte zur Dauereinrichtung machen? Oder steht die Umwandlung ehemaliger Fabriken und Industriebrachen in Kulturzentren im Gegenteil für eine echte kulturelle, geografische und soziologische Demokratisierung im Rahmen einer ganzen und definitiv pluralen Hauptstadt?