Jennifer Lawonn

Jennifer Lawonn

Interreligiöser oder sozioökonomischer Konflikt? Postkoloniale Nationsbildung auf den Philippinen

 

Der Konflikt in Mindanao (Südphilippinen) wird in der Regel als „Kampf der Kulturen“ zwischen Muslimen und Christen wahrgenommen. Die tatsächlichen Ursachen liegen jedoch in der bereits durch die ehemaligen Kolonialmächte Spanien und USA praktizierten sozioökonomischen Marginalisierung der Muslime. Während die Unabhängigkeitsbewegung im christlichen Teil der Philippinen Ende des 19. Jahrhunderts aufkam, setzte sie im mehrheitlich muslimischen Mindanao erst in den 1960er Jahren ein. Daher lässt sich auf einen phasenverschobenen Nationenbildungsprozess schließen. Insbesondere die massive staatliche Siedlungspolitik in Mindanao förderte die Ausbildung eines einheitlichen muslimischen Identitätsgefühls und brachte das Konzept des Bangsamoro-Nationalismus hervor. Dessen Anhänger beanspruchen für Mindanao den Status einer eigenständigen Nation. Zu Beginn der 1970er Jahre spitzte sich der Konflikt weiter zu und mündete in einen Bürgerkrieg, der bis heute nicht zur Gänze befriedet ist. Zwar verzichten die Vertreter der Bangsamoro mittlerweile auf eine Abspaltung Mindanaos, jedoch erfüllt die 1990 staatlich eingerichtete Alternative der Autonomous Region of Muslim Mindanao noch immer nicht ihre politischen Forderungen, sodass die Auseinandersetzungen weiterhin anhalten.