Teilprojekt 5 (Hüser / Maldener)

"Stadion-Frauen" – Ein Platz in der Arena? Deutsch-französische Perspektiven im langen 20. Jahrhundert

Verantwortlicher: Dietmar Hüser
Post-Doktorandin: Aline Maldener

Aus verschiedenen Perspektiven haben historische Untersuchungen zuletzt Sport-Arenen im langen 20. Jahrhundert analysiert, allerdings finden sich dort kaum einmal Aussagen über die Präsenz, die Rolle und die Erfahrungen von Frauen im Stadion oder in dessen Umfeld. Zugleich thematisieren Studien über Frauen-Sport und Frauen-Fußball in Deutschland, Frankreich oder Europa Sport-Arenen gar nicht oder ganz am Rande. Dagegen hat das Teilprojekt "Stadion-Frauen" die Absicht, fallstudienartig die Geschichte des Frauen-Fußballs und die Geschichte von Sport-Arenen zusammen zu denken und danach zu fragen, welchen "Platz in der Arena" denn Frauen eingenommen haben. Einerseits den "Platz in der Arena", den Männer als Funktionäre, Spieler, Fans etc. Frauen zugewiesen haben; andererseits den "Platz in der Arena", den Frauen dort mit diversen Funktionen und Motiven einzunehmen versuchten. Ziel wird es sein, einen diachronen Vergleich der Geschlechterverhältnisse in Sport-Arenen mit einem synchronen Vergleich zwischen dem deutschen und dem französischen Fall zu verbinden: Wie hat sich dieser "Platz in der Arena" für Frauen ausgestaltet, wie und warum hat er sich im Laufe der Zeit verändert, wie ähnlich bzw. verschieden stellen sich die zentralen Trends in Deutschland und Frankreich dar?

Zeitlich geht es darum, drei Momente einzufangen: die 1920er-Jahre als Phase eines ersten Booms im Frauen-Fußball, der in Europa unterschiedlich stark war, überall aber am Ende des Jahrzehnts wieder abebbte; die 1960er-/1970er-Jahre als ein Zeitraum, in dem das Spiel in Deutschland und Frankreich wieder an Fahrt aufnahm, zunächst von Verbandsseite verboten, dann offiziell erlaubt wurde, ohne freilich ein Ende von Restriktionen und Respektlosigkeit einzuläuten; die 2000er-Jahre, als sich Fußball global immer weiter professionalisierte, kommerzialisierte und medialisierte, was nicht ohne Rückwirkungen auf den Frauen-Fußball bleiben konnte. "Stadion-Frauen" beschreibt dabei weniger die lineare Geschichte einer Männer-Domäne, in der Frauen darum kämpfen, sich Gehör zu verschaffen, sondern betrachtet eher Konjunkturen der Geschlechterverhältnisse sowie Durchlässigkeiten, Bruchstellen und Handlungsspielräume in allen Phasen. Stets haben sich dabei auch ethische Fragen gestellt, z.B. die Frage nach der Rolle des Körpers im Sport, nach Geschlechtergerechtigkeit, nach ähnlichen bzw. verschiedenen Moralvorstellungen.

Das Projekt hebt darauf ab, der räumlichen wie funktionalen Komplexität von Sport-Arenen und sämtlichen Komponenten, die das Stadion-Dispositiv ausmachen, Rechnung zu tragen. In den Blick gerät damit ein ganzes Spektrum an Frauen, die in verschiedenen Stadion-Kontexten und an diversen Stadion-Orten als Akteurinnen auftraten und einen entsprechenden "Platz in der Arena" oder in deren Umfeld beanspruchten. Deren Hinter- und Beweggründe, deren soziale und kulturelle Praktiken, deren Stadion-Konsum und Stadion-Nutzung, deren Erwartungen und Erfahrungen gilt es zu erforschen und miteinander zu vergleichen. Vier Frauen-Gruppen stehen besonders im Fokus: "Stadion-Frauen" auf dem Spielfeld als Spielerinnen, als Trainerinnen, als Schiedsrichterinnen, als Ärztinnen etc.; "Stadion-Frauen" auf den Tribünen als Zuschauerinnen, als Anhängerinnen, als Vereinsmitglieder, als Verwandte und Bekannte von Spielern oder Spielerinnen; "Stadion-Frauen" als Funktionsträgerinnen auf dem Stadiongelände als Verwaltungsangestellte, als Service-Kräfte an Imbissständen, als Verkäuferinnen von Eintrittskarten, Fanartikeln etc.; "Stadion-Frauen" im Umfeld der Arenen, in Geschäften, Kneipen, Bars, Cafés etc.

Da die Quellenlage sich vermutlich als schwierig erweisen wird, sind unterschiedlichste Genres zu berücksichtigen. Dazu zählen - neben ggf. verfügbaren Materialien aus Vereinsarchiven und Vereinsmuseen - Dokumente aus den Fußballverbänden auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene, daneben Verwaltungs- und Polizeiakten der ausgewählten "Stadion-Städte" sowie Quellen, die Auskunft geben über administrative und betriebliche Abläufe der Sport-Arenen als solche. Wenn es um bestimmte Fußball-Events geht, sind Print-Beiträge aus Tagespresse und Sport-Journalen heranzuziehen sowie Reportagen audiovisueller Medien, die sich über die INA und die Archive der deutschen Rundfunkanstalten erschließen lassen. Was Zuschauerinnen anbelangt, sind weitere Einsichten durch das Auswerten von Fotos aus Vereinschroniken oder Fußball-Bildbänden zu erwarten. Allgemeinere Hinweise zur Einordnung von "Stadion-Frauen" und Geschlechterverhältnissen können sich aus Romanen und Spielfilmen ergeben. Auch wird zu prüfen sein, ob Erlebnisberichte, Tagebücher oder andere Ego-Dokumente von Frauen existieren; für die 1960er-, 1970er- und die 2000er-Jahre lässt sich zusätzlich mit gezielten Oral-History-Interviews arbeiten.