Wissenschaft als Legitimation: Das Musikwissenschaftliche Institut an der 'Reichsuniversität Posen', 1941–1944
Dr. Boris von Haken (Institut für Musikwissenschaft, Universität des Saarlandes)
Die "Reichsuniversität Posen" war eine von vier akademischen Bildungs- und Forschungseinrichtungen, welche durch das Deutsche Reich während des 2. Weltkriegs in den militärisch besetzten Ländern eingerichtet wurden. In einer größeren historischen Perspektive stellen diese Universitäten grundsätzlich einmalige Phänomene dar; keine andere Besatzungsmacht hat jemals vergleichbar umfangreiche Anstrengungen unternommen, die militärische Okkupation eines Staates zur Etablierung von eigenen Universitäten zu nutzen. Die Ziele und Aufgaben der Universitäten in Posen, Prag, Straßburg und Dorpat waren jeweils abhängig von den Besonderheiten der Besatzungspolitik in den betroffenen Staaten. Das NS-Regime entwickelte bekanntlich keine einheitliche Besatzungspolitik in Europa, so dass jede eingehende Untersuchung diese spezifischen Kontexte erfassen muss.
An drei dieser Reichsuniversitäten - Posen, Prag und Straßburg - wurde Musikwissenschaft betrieben. Dabei war nur das Musikwissenschaftliche Institut der Reichsuniversität Posen eine völlige Neugründung. Ausgangspunkt dieses Instituts war die gewaltsame Schließung der 1919 gegründeten polnischen Universität Posen im September 1939. Mit der Eröffnungen der Reichsuniversität Posen im April 1941 entstand ein musikwissenschaftliches Institut, welches der Programmatik einer nationalsozialistischen Universität im "Mustergau Wartheland" entsprechen sollte. Unter der Leitung der Ko-Direktoren Walther Vetter und Walter Wiora, der von 1964 bis 1972 als Ordinarius an der Universität des Saarlandes wirken sollte, wurde Musikwissenschaft als Bestandteil der Besatzungspolitik konzipiert.
Dr. Boris von Haken studierte Musikwissenschaft, Philosophie sowie neuere und neueste Geschichte in Berlin und Frankfurt/Main.