Geschichte des Instituts

Zur Geschichte des Musikwissenschaftlichen Instituts an der Universität des Saarlandes

von Universitätsarchivar Dr. Wolfgang Müller

"Ich habe die Freude, Ihnen mitteilen zu können, dass der Direktionsausschuss in seiner letzten Sitzung beschlossen hat, Sie mit den Vorlesungen und Seminaren in Musik zu betrauen... Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir Sie bald zu den Mitgliedern unseres Lehrkörpers zählen könnten." – "Für die Übertragung des Unterrichts in Musikwissenschaft für das Studienjahr 1952/53 danke ich ebenso wie für die Genehmigung der vorgeschlagenen Unterrichtszeit von wöchentlich 2 Vorlesungen, 2 Seminarstunden und 2 x 2 Collegien." Mit diesem Mitte September 1952 geführten Schriftwechsel zwischen dem zweiten Rektor der Universität des Saarlandes Prof. Dr. Joseph-François Angelloz und dem damaligen Direktor des Saarbrücker Konservatoriums Prof. Dr. Joseph Müller-Blattau beginnt die Geschichte des Musikwissenschaftlichen Institutes an der 1948 gegründeten Universität des Saarlandes.

 

Zum 1. Oktober 1964 übernahm Walter Wiora das Saarbrücker Ordinariat für Musikwissenschaft. Kurz zuvor war im Sommer jenes Jahres der Umzug des Instituts in das Erdgeschoss des Gebäudes 11 (heutiges Geb. C5 2) erfolgt, wo nun Räume mit einer Gesamtfläche von 416 m2 genutzt werden konnten und auch Zimmer für den Technischen Assistenten, die Hilfskräfte, das Schallplattenarchiv, ein Studio, ein Regieraum, ein Bandarchiv, ein Instrumentenraum, ein Fotolabor und ein Seminarraum mit 130 Plätzen zur Verfügung standen. Der am 30. Dezember 1906 im oberschlesischen Kattowitz geborene neue Ordinarius Walter Wiora hatte an der Musikhochschule Berlin sowie an den Universitäten Berlin und Freiburg studiert, wo auch Joseph Müller-Blattau zu seinen akademischen Lehrern gezählt hatte.

 

Nachdem im Sommersemester 1972 der vakante Lehrstuhl durch Arnold Feil (Tübingen) vertreten worden war, trat dann Werner Braun die Wiora-Nachfolge an. 1952 an der Universität Halle mit einer Studie über "Johann Mattheson und die Aufklärung" promoviert und 1958 mit einer Untersuchung über "Die mitteldeutsche Choralpassion im 18. Jahrhundert" habilitiert, hatte den insbesondere an der Musikgeschichte und der Sozialgeschichte der Musik Interessierten 1961 seine wissenschaftliche Laufbahn als Assistent und Privatdozenten an das Kieler Musikwissenschaftliche Institut und dann 1968 als Wissenschaftlichen Rat und Abteilungsleiter für Systematische Musikwissenschaft an die Universität des Saarlandes geführt.

 

Im Zuge des damaligen universitären Ausbaus überrascht es nicht, daß seit Anfang der 70er Jahre mit Werner Braun noch die drei Professoren Ernst Apfel (bis 1987), Christoph-Hellmut Mahling (bis 1981) und Wendelin Müller-Blattau (bis 1987) am Saarbrücker Musikwissenschaftlichen Institut wirkten. Zeitweise bot außerdem noch Helmut Rösing, der zunächst als Redakteur für Sinfonie und Oper beim Saarländischen Rundfunk tätig war und sich in Saarbrücken mit seiner "Musikalischen Stilisierung akustischer Vorbilder in der Tonmalerei" habilitiert hatte, als "nichtbeamteter Professor" Lehrveranstaltungen an.

Der am 6. Mai 1925 in Heidelberg geborene Ernst Apfel war 1953 an der Universität seiner Heimatstadt mit einer Dissertation "Der Diskant in der Musiktheorie des 12. bis 15. Jahrhunderts" promoviert worden und war dann 1961 als Assistent nach Saarbrücken gewechselt, wo er sich 1962 mit "Studien zur Satztechnik der mittelalterlichen englischen Musik" habilitierte und 1969 zum außerplanmäßigen Professor, 1972 zum Wissenschaftlichen Rat und Professor ernannt worden war. In zahlreichen Publikationen widmete sich der Experte für die Musik des Mittelalters unter anderem in mehreren Bänden den "Grundlagen einer Geschichte der Satztechnik" und der "Geschichte der Kompositionslehre". Im Alter von 76 Jahren ist Ernst Apfel am 9. April 2002 in Saarbrücken verstorben.

 

Seine Professur übernahm 1988 Wolf Frobenius, der als Schüler Hans Heinrich Eggebrechts nach der Promotion über "Johannes Boens Musica und seine Konsonanzenlehre" an der Universität Freiburg dort wissenschaftlicher Mitarbeiter am "Handwörterbuch der musikalischen Terminologie" war und nach seiner Freiburger Habilitation nach Saarbrücken berufen wurde. Zu seinen Arbeitsfeldern zählten die mittelalterliche und neuere Musikgeschichte, und er trat unter anderem durch Symposien über Robert Schumann (1995) und über Zeit in der neueren Musik (1999) hervor. Am 4. Juli 2011 ist Wolf Frobenius im Alter von 71 Jahren in Saarbrücken verstorben.

 

Bereits als Student war Christoph-Hellmut Mahling in den späten 1950er Jahren an das Saarbrücker Musikwissenschaftliche Institut gekommen, leitete Proben des akademischen Orchesters und übernahm dann nach der Dissertation über "Studien zur Geschichte des Opernchors" die Assistentenstelle am Institut. Mahling wurde 1972 nach seiner Habilitation über "Orchester und Orchester-Musiker in Deutschland von 1700 bis 1850" zum Wissenschaftlichen Rat und Professor ernannt, leitete seit Oktober 1979 als Prodekan den Fachbereich "Kunst- und Altertumswissenschaften" und folgte dann 1981 einem Ruf an die benachbarte Johannes- Gutenberg-Universität in Mainz.

 

Ebenfalls seit Mitte der 50er Jahre war Wendelin Müller-Blattau, ein Sohn des ersten Saarbrücker Ordinarius, dem Musikwissenschaftlichen Institut der Universitas Saraviensis verbunden. Am 16. September 1922 in Freiburg/Breisgau geboren, hatte er nach den Studien an der Musikhochschule in Stuttgart und an der Universität Heidelberg sein Studium in Saarbrücken abgeschlossen, wurde 1954 "Hilfsassistent" im Musikwissenschaftlichen Institut und hier 1956 mit der Dissertation "Trouvères und Minnesänger" promoviert. Gleichzeitig übernahm er das Amt des Universitätsmusiklehrers und leitete fast 30 Jahre das Collegium musicum, das sich zu einem renommierten musikalischen Botschafter der Universität im In- und Ausland entwickelte.

 

Die interdisziplinäre Forschung verbindet Werner Braun mit Herbert Schneider, der Brauns Nachfolge auf dem Saarbrücker Lehrstuhl für Musikwissenschaft antrat. Er hatte nach dem Studium in Mainz und Nancy, der Promotion und Habilitation in Mainz die Fachrichtung Musikwissenschaft an der Universität Bayreuth aufgebaut, dann an der Universität Heidelberg und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt a. M. gelehrt. Seit 1999 agiert er an der Universitas Saraviensis, wo der Chevalier de l´ordre des arts et lettres unter anderem Ausstellungen und im Sommer 1999 die erste gemeinsame Tagung der "Gesellschaft für Musikforschung" und der "Société française de musicologie" organisierte, als Herausgeber der Lully-Gesamtausgabe fungiert und Publikationen – etwa zu deutsch-französischen Rezeptionsforschungen – vorgelegt hat. Sein für die Wahrnehmung der musikhistorischen Realität in Frankreich unentbehrlicher Timbre-Katalog (Katalog von allgemein bekannten Melodien, die immer wieder neu textiert wurden) "La Clef des chansonniers"  betrifft gleichermaßen die Hoch- und die Popularkultur; auf letztere bezieht sich, neben zahlreichen anderen Publikationen, auch die Edition der politischen Chansons des im 19. Jahrhundert in Frankreich sehr bekannten Charles Gille. Sein besonderes Augenmerk gilt einer interdisziplinären Erforschung des Musiklebens, die auch Phänomene des Kulturtransfers, wie die Übersetzung vertonter Texte umfasst.

 

2006 wurde Rainer Kleinertz auf den Lehrstuhl für Musikwissenschaft berufen. 
Nach dem Abschluss eines Musikstudiums an der Hochschule für Musik Detmold und der Promotion an der Universität Paderborn hatte er zuvor von 1992 bis 1994 als Gastprofessor an der Universidad de Salamanca gelehrt und war 1994 an die Universität Regensburg gewechselt, wo er sich 1998 mit einer Arbeit über Grundzüge des spanischen Musiktheaters im 18. Jahrhundert – Ópera, Comedia und Zarzuela (Kassel, Edition Reichenberger, 2003) habilitierte. Von 2000 bis 2001 war er Visiting Fellow an der Universität Oxford. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Schriften von Franz Liszt (u. a. Herausgeber der Frühen Schriften, Wiesbaden u. a., Breitkopf & Härtel, 2000), die Musik Richard Wagners (u. a. Liszt, Wagner, and Unfolding Form: Orpheus and the Genesis of Tristan und Isolde, in: Franz Liszt and his World, Princeton University Press, 2006) sowie die Musikgeschichte Spaniens. Seit 2014 leitet er gemeinsam mit Prof. Dr. Meinard Müller (Informatik, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) ein DFG-Projekt zur computergestützen Analyse harmonischer Strukturen. Im Rahmen des Bologna-Prozesses führte er an der Universität des Saarlandes seit dem Wintersemester 2007/08 die Bachelorstudiengänge Musikwissenschaft und Musikmanagenment ein, ebenso einen Masterstudiengang und einen integrierten deutsch-französischen Masterstudiengang Musikwissenschaft zusammen mit der Université Paris-Sorbonne.