Synkopierung und Volumen: Klangkonzepte der Moderne, 1890 bis 1945 – ein Forschungsbericht
Dr. Steffen Just, Prof. Dr. Jens G. Papenburg (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Abteilung Musikwissenschaft / Sound Studies)
Im Forschungsbericht möchten wir Ergebnisse des von 2022 bis 2025 durch die DFG geförderten, an der Schnittstelle von Musikforschung und Sound Studies angesiedelten Projekts „Synkopierung und Volumen. Sondierungen einer sonischen Moderne, 1890-1945“ vorstellen. Der Bericht ist in drei Teile gegliedert:
Teil 1 gibt einen Überblick über das Gesamtprojekt und stellt die bisherige Arbeit an den zentralen Begriffen „Klangkonzept“ und „Klangmoderne“ vor. Unter Klangmoderne verstehen wir eine Moderne, die durch Klang konstituiert ist, also eine Moderne, die erst in Bezug auf Klang Kontur gewinnt. Über den Begriff Klangkonzept wird analysierbar, wie Klang, auch über die Musik hinaus, diverse gesellschaftliche Felder wie Arbeit, Politik und Wissenschaft durchdringt und prägt. Klangkonzepte verbinden disparate Praktiken der Klangerzeugung und -wahrnehmung, Diskurse, Medientechnologien und konkrete Klänge. Im Verlauf des Forschungsberichts entfalten wir zwei Formen der Klangmoderne ausgehend von zwei Klangkonzepten:
Teil 2 rekonstruiert das Klangkonzept der Temporalisierung, das von 1890 bis 1930 maßgebend wurde. Damit wird untersucht wie Klang im Verbund neu aufkommender Musikformen (insbesondere Ragtime und Jazz), Medientechnologien (insbesondere Notenrollen für automatische Klaviere) und Diskurse (bspw. Psychotechnik, Arbeitswissenschaft) in diesem Zeitraum vor allem hinsichtlich einer spezifischen zeitlichen Ordnung (mikrozeitliche Rasterung und Synkopierung) auf völlig neue Arten gestaltet und gehört wurde. Wir zeigen, wie diese zeitliche Ordnung von Klang nicht nur Musikmachen und -hören, sondern auch Praktiken der Arbeit und Freizeit, Körperverständnisse und die Wissenschaft organisierte und arbeiten diese Querverbindungen heraus.
Ausgangspunkt von Teil 3 sind die von komplexen Beschallungsanlagen eröffneten Klangräume der Olympischen Spiele in Berlin 1936. In diesen wurden tausende von körperlich kopräsenten Menschen klanglich adressierbar. Dies wird unter dem Schlagwort voluminöse Moderne bzw. in Bezug auf die Konzeption von Klang als voluminöse Entität untersucht. Von dem von den Nationalsozialisten erbauten „Reichssportfeld“ und der dort präsentierten „Großkundgebungsmusik“ stellt die Präsentation Verbindungen zu anderen voluminösen Klangräumen her – der Wissenschaft, der Arbeit und des Nachtlebens.
Steffen Just forscht an der Abteilung für Musikwissenschaft / Sound Studies der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im DFG-Projekt “Synkopierung und Volumen“ zu Klangkonzepten der Moderne. Im von ihm durchgeführten Teilprojekt „Synkopierte Moderne“ geht er für die Jahre von 1890 bis 1930 mit einer Kombination medien- und kulturgeschichtlicher Zugänge der Konzeptualisierung von Klang in seiner (mikro)zeitlichen Organisation nach. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Research Fellow an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Freien Universität Berlin sowie der Universität Potsdam in Forschung und Lehre tätig. Seine Forschungsinteressen und Veröffentlichungen umspannen das Verhältnis von Klang und Subjektivierungprozessen sowie die soziopolitischen und semiotisch-materiellen Dimensionen musikalischer wie medialer Praktiken und Diskurse und sind an den Schnittstellen wie produktiven Spannungen zwischen Cultural Studies, Sound Studies, Popular Music Studies, Medienarchäologie und Digital Humanities angesiedelt.
Jens Gerrit Papenburg ist seit 2019 Professor für Musikwissenschaft/Sound Studies an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Davor Gast- und Vertretungsprofessor in Düsseldorf, Lüneburg und Berlin (HU) sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Theorie und Geschichte der populären Musik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Habilitation 2016 (HU Berlin), Promotion 2011 (HU Berlin), Magister 2004 (Musikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, Betriebswirtschaftslehre). Autor von Listening Devices. Music Media in the Pre-Digital Era (Bloomsbury 2023). Mitherausgeber von Sound as Popular Culture. A Research Companion (MIT Press 2016) und Ästhetische Normativität in der Musik (Vittorio Klostermann 2023). Leiter des Forschungsprojekts Synkopierung und Volumen. Sondierungen einer sonischen Moderne, 1890–1945 (gefördert durch die DFG 2022-25).