"Stummer Film" als pantomimische Kunst – zur Musikpraxis des Kinomusikers in den 1920er Jahren

Joachim Fontaine (Institut für Musikwissenschaft / Universität des Saarlandes / Hochschule des Saarlandes für Musik)

Die Tonfilm-Ära bedeutete für tausende Musiker die Arbeitslosigkeit, aber auch das Ende einer Musikpraxis, die nicht bloß als „Vorläufer“ zur Tonfilm-Ära missverstanden werden darf. Die rasante Entwicklung filmischer Techniken und – damit einhergehend – cineastischer Stilmittel und pantomimischer Darstellung stellte auch an die Musiker „vor Ort“ immer höhere Ansprüche. Die reiche, allerdings auch sehr heterogene Quellenlage zu dieser rasch sich wandelnden Praxis ist bis heute kaum erschlossen. Ziel des Vortrags ist es, ein Panorama an Zugangsmöglichkeiten abzustecken, die ein detaillierteres Bild der historischen Aufführungssituationen erlauben – über die (z.T. bereits erschlossenen) Primärquellen (wie Kinotheken, Cue Sheets usw.) hinaus.

 

Nach seinem Studium der Musikwissenschaft, Philosophie, Schulmusik und Kirchenmusik in Saarbrücken, Paris und Oxford (Queens College) ist Joachim Fontaine den Weg bzw. die Wege weitergegangen zwischen Forschung, Musikvermittlung und Musikpraxis: Er hat geforscht und veröffentlicht zur Geschichte der Aufführungspraxis (Frankreich im 19. Jahrhundert: Prince de la Moskowa, Stummfilmpraxis, Musik und Lebensreform um 1900, Musik im Kontext des Grande Guerre), darüber hinaus ist er regelmäßig tätig als Autor für Fachzeitschriften und Rundfunksender in Deutschland und im Ausland: zuletzt hatte er ganzjährige Sendereihen zum Josquin-Jubiläumsjahr, zum Beethoven-Jahr, und "Das musikalische Pompeji" (zur Geschichte der Early Music-Begeisterung) betreut, sowie Features zur Frühgeschichte des Jazz, der Schallplatte und zur "Musik in Zeiten der Pest" für WDR3. Als Dirigent und Organist hat er mit seinem Chor, der Kantorei Saarlouis und seinem Ensemble UnaVolta u.a. Editionen und Ersteinspielungen dokumentieren dürfen für verschiedene Rundfunkanstalten und CD Labels, darunter Orgelsonaten des Trierer Romantikers Ludwig Boslet, Messen und Psalmen von Giacomo Puccini Senior, das Händel-Pasticcio Israel in Babylon, sowie Oratorien von Théodore Gouvy. Er hielt bis 2022 über viele Jahre Lehraufträge an der Hochschule für Musik des Saarlandes, und ist derzeit noch Dozent im Institut für Musikwissenschaft der Universität des Saarlandes. Seit seinem Studium in England (1992-93) setzt er sich auseinander mit den reichen historischen Quellen der Stummfilmpraxis, die er auch praktisch umsetzt. Er lebt mit seiner Frau und vier Kindern in Saarlouis.