Kulturdatenanalyse: Nordamerika und Deutschland im digitalen Vergleich

Dr. Karin Martensen (TU Berlin)

Welchen Einfluss hat der kulturelle Habitus eines Tonmeisters bzw. eines Musikers auf das Ergebnis einer Tonaufnahme? Erstgenannte haben aufgrund ihres Kontakts mit den Künstlern, der allen anderen Berufsgruppen bei der Durchführung einer Tonaufnahme verwehrt ist, besonders viel symbolisches Kapital akkumuliert. Dieses Setting wird diskursiv hervorgebracht. Besonders deutlich wird dies, wenn man einen Blick über die deutschen Tonaufnahmeverhältnisse hinweg unternimmt und in das englischsprachige Ausland blickt. Das DFG-Forschungsprojekt „Kulturdatenanalyse“, das hier mit case studies aus Kanada und den USA vorgestellt werden soll, soll zeigen, dass der Habitus von Tonschaffenden erst sichtbar wird, wenn man den deutschen Kulturkreis und die deutschen Gepflogenheiten auf Seiten der Ingenieure und der Musiker bei der Tonaufnahme verlässt. Durch einen Vergleich mit Daten aus meinem Vorgängerprojekt „Das Tonstudio als diskursiver Raum“ sollen die Kommunikation(sstrategien) und die Herangehensweisen von Ingenieuren und Musikern in Deutschland und Nordamerika im Produktionsprozess gegenübergestellt werden. Ferner sollen habituelle Parameter untersucht und miteinander verglichen werden, die in der klassischen Musik Einfluss nehmen auf das Entstehen von Klang. Hierfür greife ich auf QDA-Software und insbesondere auf MaxQDA Plus zurück. Es werden digitale Möglichkeiten von Gruppenvergleichen zwischen den Herangehensweisen vorgestellt, sowie Häufigkeitsanalysen etwa zu der Frage, welches künstlerisch-technische Problem überwiegend wie angegangen wurde. Ferner sollen tools zur visuellen Textexploration, zur Durchführung von Wortschatzanalysen und Inhaltsanalysen sowie zur Operationalisierung von Diktionären vorgestellt werden, mit denen Gruppen von selbst definierten Wörtern angelegt und ausgewertet werden können. Das Vorhaben zielt somit auf ein vertieftes Verständnis von Produktionskulturen, ihren Abläufen und den Habitus von Musikern und Ingenieuren im internationalen Vergleich und möchte (digitale) Grundlagen für eine Medienproduktionsforschung im Bereich der klassischen Musik schaffen.

 

Karin Martensen studierte Musikwissenschaft an der Universität Hamburg. Im Frühjahr 2012 wurde sie mit einer Arbeit über Anna Bahr-Mildenburgs Regiebücher zu Wagners Ring des Nibelungen an der Hochschule für Musik und Theater Hannover promoviert. Zwischen 2016 und 2019 war sie Projektleiterin im DFG-Projekt „Technologien des Singens“ in Detmold (Eigene Stelle). 2019 bis 2022: Projektleiterin im DFG-Projekt „Das Tonstudio als diskursiver Raum“ an der TU Berlin/Audiokommunikation (Eigene Stelle). Seit Dezember 2022: Projektleiterin im DFG-Projekt „Kulturdatenanalyse“ an der TU Berlin/Audiokommunikation (Eigene Stelle). Karin Martensen hat zahlreiche Artikel über Anna Bahr-Mildenburg, zur Tonaufnahme und zur Konstruktion von Körper und Stimme publiziert. Ferner hielt sie Vorträge zu diesen Themen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Großbritannien, Italien und den USA.

Publikationen (Auswahl): Das Tonstudio als diskursiver Raum: Theorie, ästhetisches Konzept und praktische Umsetzung in der klassischen Tonaufnahme, Würzburg 2022; „The phonograph is not an opera house“. Quellen und Analysen zu Ästhetik und Geschichte der frühen Tonaufnahme am Beispiel von Edison und Victor, München 2019; „Tiefenbohrungen in den musikwissenschaftlichen Werk- und Autorschaftsbegriff mit digitalen Werkzeugen“, in: editio 35/2021, S. 182‒206; „Mensch und Maschine in den Laboratorien Thomas Alva Edisons. Ein Beitrag zur Technikhistorie aus musikwissenschaftlicher Sicht“, in: Technikgeschichte, Bd. 85 (2018), S. 149–172; „Überlegungen und Interviews zum Einsatz von Aufnahmetechnik und zur ​,Gruppenleistung Tonaufnahmeʻ im Bereich der Klassischen Musik“, in: Acta Musicologica 2/2017, S. 145–170.