Generalbass: theoretisch – historisch – digital?

Dr. Matthias Kirsch, Kirsten Gerhardt M. A. (Musikwissenschaftliches Institut der CAU Kiel)

Bislang werden Themen aus dem weiten Bezirk des Generalbasses vorwiegend musiktheoretisch und in Einzelfällen auch historisch diskutiert. Eine nennenswerte Behandlung Generalbass-spezifischer Fragen unter dem Blickwinkel von codierter Musik und digitaler Analyse gibt es aber bisher kaum, und eine Berücksichtigung von Generalbass-Signaturen erzeugt auch in gängigen Codes Schwierigkeiten, die bereits bei der Eingabe beginnen. Unser Beitrag behandelt deshalb ein ausgewähltes Problem, das wir „Quinten-Rektifizierung“ nennen und anhand dessen wir zeigen wollen, welche Schwierigkeiten Generalbass-Signaturen im Bereich musikalischer Codierung und digitaler Analyse erzeugen können. Lösungsansätze dazu, die wir im Zusammenhang mit unseren Untersuchungen an Choralbüchern um 1800 entwickelt haben, sollen dafür präsentiert werden. Bei der „Quinten-Rektifizierung“ handelt es sich um den häufigen Fall einer unvollständigen Bezifferung, die in Kompositionen mit b-Generalvorzeichen eindeutig Dur- oder Mollklänge fordert, ohne die dafür notwendigen reinen Quinten (z.B. mittels Auflöser) wiederherzustellen. Mit einschlägigen Fallbeispielen soll gezeigt werden, wie bei einer entsprechenden Untersuchung musikalische Erfordernisse und theoretische Bezeichnungsfragen, auch solche nach Bezeichnungskonventionen ineinandergreifen. Der typische Vorgang, dass gelegentlich erst die codierte Aufbereitung von Korpora eine wirklich strikte Formulierung von Problemen hervorbringt, tritt im Zusammenhang mit Fragen nach Generalbass-Signaturen besonders deutlich auf.

 

Dr. Matthias Kirsch: Studium Musikwissenschaft in Kiel, M.A. 2004, Promotion 2010, Lehrbeauftragter am Kieler Institut, wissenschaftliche Hauptinteressen in den Bereichen instrumentale Ensemblemusik bis ca. 1730, Musiktheorie und digitale Analyse

Kirsten Gerhardt M. A.: Studium der Musikwissenschaft in Kiel, M.A. 2021, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kieler Institut, Arbeit an einer Dissertation zur Sinfonik G. Mahlers, zugleich Arbeiten im Bereich digitale Analyse