emoTouch Web – Ein Software-System zur Echtzeit-Erforschung von Entwicklungs- und Strukturverläufen in der Musikwissenschaft

Prof. Dr. Christoph Louven (Universität Osnabrück)

Musikalische Strukturen und ihre Aufführung sind dynamische Phänomene, die komplexen Entwicklungsprozessen unterworfen sind und sich dabei über die Zeit verändern. Die computerbasierte Echtzeit-Begleitung, -Beobachtung und -Analyse musikalischer Entwicklungsverläufe kann der Musikforschung völlig neue Erkenntniswege eröffnen, z.B. im Bereich der Musiktheorie, der musikalischen Wahrnehmungsforschung und der Performanceforschung. Das an der Universität Osnabrück entwickelte und für wissenschaftliche Zwecke kostenlos nutzbare Software-System emoTouch nutzt hierzu einen völlig neuartigen methodischen und technologischen Ansatz:

• Prozessbeobachtung und -begleitung: Nutzerinnen bzw. Nutzer (z.B. Versuchspersonen, Konzertbesucher, Studierende) können während eines beliebigen zeitlichen Ablaufs auf frei konfigurierbare Art mit ihrem digitalen Gerät in Echtzeit kontinuierlich Rückmeldung zum Geschehen geben. So könnten z.B. Studierende im Musiktheorie-Unterricht während des Hörens kontinuierlich Rückmeldungen zu wahrgenommenen Formverläufen der Musik geben.   
• Echtzeit-Feedback: Die individuellen Rückmeldungen können zusammengefasst, auf vielfältige Weise (z.B. als Diagramme, Tabellen, dynamische Prozessgrafiken etc.) in Echtzeit visualisiert und auch nachträglich dargestellt und analysiert werden. So können  z.B. die individuell empfundenen Formverläufe gemeinsam im Überblick dargestellt und miteinander verglichen und diskutiert werden.

emoTouch Studien sind in Design und Ablauf frei konfigurierbar und nicht auf eine spezielle Fragestellung oder Methode festgelegt. Daher kann das System in allen Disziplinen eingesetzt werden, die sich mit zeitgebundenen Phänomenen beschäftigen, z.B. Theater, Tanz, Film, Werbung, Vorträge oder Sportveranstaltungen. Da das System webbasiert ist und ohne Softwareinstallation unmittelbar auf beliebigen internetfähigen Geräten funktioniert, kann jedes moderne Smartphone, Tablet, Laptop und Desktop-Computer unmittelbar als flexibles und einfach zu nutzendes Forschungswerkzeug in Labor-, Live- und Online-Settings eingesetzt werden, insbesondere auch die eigenen Geräte der Probanden ("Bring-Your-Own-Device", BYOD). Daher sind mit emoTouch z.B, Publikumsstudien mit ggf. Hunderten von Teilnehmern zur gleichen Zeit problemlos möglich.

Der Vortrag demonstriert die Möglichkeiten des Systems sowie den Ablauf eines typischen Forschungsprozesses mit emoTouch Web.

 

Christoph Louven studierte im Musikwissenschaft, Pädagogik, Physik an der Universität zu Köln sowie Komposition (bei Dimitri Terzakis und Manfred Trojahn), Tonsatz und Klavier an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf. 1993 Magister Artium, 1995 künstlerisches Diplom in Komposition. 1998 Promotion in Systematischer Musikwissenschaft. Nach Professuren an der Hochschule Magdeburg-Stendal und der Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt seit 2009 Professor für Systematische Musikwissenschaft an der Universität Osnabrück. Arbeitsschwerpunkte: Musikalische Lern-und Kognitionspsychologie, Musikpräferenz und Offenohrigkeit, Musikpsychologische Forschungssoftware.