Digitale Briefedition "Hans Werner Henzes künstlerisches Netzwerk"

Prof. Dr. Antje Tumat, Dr. Irmlind Capelle, Dott.ssa. mag. Elena Minetti, Dennis Ried M. A.

Hans Werner Henze (1926–2012) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Opernkomponisten der Gegenwart. In autobiografischen Schriften und Interviews hat er neben der politisch-humanitären und pädagogischen Dimension seiner Werke immer wieder dargelegt, dass er Musik als Sprache zur Kommunikation mit dem Publikum versteht. Auch sein literarisches Schaffen, das in weiten Teilen der Erklärung seiner Musik dient, legt hiervon beredtes Zeugnis ab.
Viele seiner literarischen Texte liegen publiziert vor, doch die Briefe, die Henze mit prominenten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts ausgetauscht hat, sind bis auf wenige Ausnahmen bisher unveröffentlicht. Doch gerade sie liefern unbekanntes Quellenmaterial zur Werkgenese und wertvolle Erkenntnisse zur Aufführungspraxis nicht nur von Henzes Werk im Besonderen sondern auch zur gesamten Musikgeschichte seit Ende des Zweiten Weltkrieges.
Das DFG-Projekt „Henze Digital“ widmet sich in seiner ersten Arbeitsphase (2021–2024) dem Briefwechsel mit Librettisten (Wystan Hugh Auden/Chester Kallman, Hans Magnus Enzensberger, Grete Weil/Walter Jokisch, Friedrich Hitzer), sowie Miguel Barnet als Autor wichtiger Textvorlagen und mit Henzes Mäzen und Auftraggeber Paul Sacher. Während im brieflichen Austausch mit Henzes Librettisten vor allem künstlerische und ästhetische Debatten, etwa über die Gewichtung von Musik und Sprache oder politische Kontroversen zu den gewählten Sujets ausgetragen werden, protokolliert der umfangreiche Briefwechsel mit Paul Sacher, dem Auftraggeber, Leiter von Uraufführungen sowie Widmungsträger bedeutender Werke Henzes Aufführungen und legt über entstehende Werke inhaltlich Rechenschaft ab.
Die Veröffentlichung der Briefe erfolgt digital auf der Basis von Übertragungen nach den Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI) und deren korrespondenzspezifischen Auszeichnungsformen. Webdesign und Funktionalität lehnen sich an die Carl Maria von Weber Gesamtausgabe (WeGA-WebApp) an. Ziel ist eine wissenschaftlich kommentierte Edition nach historisch-kritischen Standards, die (einschließlich der Quelltexte) im Open Access bereitgestellt wird.

 

Antje Tumat ist seit 2018 Professorin für Historische Musikwissenschaft an der Universität Paderborn und der Musikhochschule Detmold. Ihre interdisziplinäre Promotion über Hans Werner Henzes und Ingeborg Bachmanns "Prinz von Homburg" (Kassel 2004) an der Universität Heidelberg wurde mit dem Ruprecht-Karls-Preis der Universität Heidelberg und dem Walter-Witzenmann-Preis der Heidelberger Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet. Sie reichte ihre Habilitation zum Thema Musik und Sprache in Schauspielmusiken des 19. Jahrhunderts an der HMTM Hannover ein, nach Professurvertretungen ebenda sowie an der Universität Greifswald lehnte sie 2016 einen Ruf nach Greifswald ab. Seit 2021 leitet sie das DFG-Projekt Henze Digital, sie veröffentlichte Schriften zur Frühen Neuzeit und zur Musik des 18. bis 20. Jahrhunderts, weitere Forschungsschwerpunkte sind: Musik und Theater, Heidelberger Romantik, Genderforschung, Musik für Radio und Film.

Elena Minetti ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt Henze Digital an der Universität Paderborn. Im Rahmen des Forschungsprojekts Writing Music, in dem sie wissenschaftliche Mitarbeiterin (2018–2021) war – verfasst sie eine Dissertation mit dem Titel Schrift als Werkzeug. Schriftbildliche Operativität in Kompositionsprozessen früher musique mixte (1950–1959) an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und an der Justus-Liebig-Universität Gießen in einem binationalen Promotionsverfahren. Sie studierte Konzertfach Klavier in Siena (2005–2019) und Musikwissenschaft in Bologna (2011–2017). Für ihre Abschlüsse hat sie eine Bachelorarbeit in Musikpädagogik zu Henzes Pollicino (2014) und eine Masterarbeit in Musikästhetik (2017) zu Henzes The Bassarids verfasst. Gemeinsam mit Gastón Fournier-Facio und Michael Kerstan hat sie Henzes Autobiographie in italienischer Sprache herausgegeben (2016).

Irmlind Capelle ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in den DFG-Projekten Henze Digital und DFG-Viewer für musikalische Quellen an der Universität Paderborn. 1984–1988 war sie an dieser Institution bereits als Wissenschaftliche Mitarbeiterin zur Edition der Briefe von Albert Lortzing tätig. Von 1991–2014 wirkte sie als freischaffende Musikwissenschaftlerin und war halbtags bei Dabringhaus und Grimm Audiovision GmbH (MDG) zur redaktionellen Betreuung der Booklets und zur wissenschaftlichen Betreuung der Aufnahmen angestellt. Von Oktober 2014 bis Januar 2021 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am DFG-Projekt Entwicklung eines MEI- und TEI-basierten Modells kontextueller Tiefenerschließung von Musikalienbeständen am Beispiel des Detmolder Hoftheaters im 19. Jahrhundert (1825–1875). Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Opern- und Oratorienforschung im 19. Jahrhundert, Edition (Text und Musik) sowie Standardisierung von Quellenbeschreibungen.

Dennis Ried studierte von 2010 bis 2017 die Fächer Germanistik (B.A.) und Musikwissenschaft (B.A., M.A.) am Karlsruher Institut für Technologie sowie an der Hochschule für Musik Karlsruhe. Seit Herbst 2017 promoviert er an letzterer zu methodischen Fragen der hybriden Musikedition. Von 2018–2021 war Dennis Ried als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Reger-Institut in Karlsruhe, seit 2019 auch als Editor und Herausgeber in der Reger-Werkausgabe beschäftigt. Von Beginn an (2018) betreut er den Aufbau der digitalen Forschungsdatenbanken des Joachim-Raff-Archivs (Lachen/SZ, CH) und pflegt deren Online-Portal. 2022 wurde er zum Administrative Co-chair der Metadata and Cataloging Interest Group der Music Encoding Initiative gewählt. An der Universität Paderborn ist er im DFG-Projekt Henze Digital als Digital Humanist beschäftigt. Zu seinen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten zählen Männerchormusik um 1900, Musikedition, digitale Musikphilologie, Transformationsprozesse von XML-basierten Datenstrukturen sowie deren Analyse.