Deutsche Unterhaltungsmusik im 20. Jahrhundert Teil 1: Vom Ende der Weimarer Republik bis 1945
Prof. Dr. Peter Niedermüller (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Die deutsche musikwissenschaftliche Erforschung der Unterhaltungsmusik im zwanzigsten Jahrhundert stellt immer noch ein erhebliches Desiderat dar. Dies liegt inzwischen weniger an einem grundsätzlichen Dünkel gegenüber der Erforschung populärer Musik, sondern mag mit der methodisch problematischen Annahme zusammenhängen, daß die deutsche Unterhaltungsmusik qualitativ minderwertig, international nicht konkurrenzfähig sei. Ein weiterer Vorbehalt trifft natürlich die die Zeit von 1933 bis 1945 (getragen von vermeintlichen Vorstellungen von einer konsequenten Propagandisierung und Ideologisierung der Musik etwa in einem konsequenten Verbot des Jazz). Das erste Teilprojekt zur deutschen Unterhaltungsmusik, das seine Arbeit im Mai 2021 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz aufgenommen hat und für eine Dauer von drei Jahren von der GEMA- und der Franz Grothe-Stiftung gefördert wird, widmet seine Arbeit nun genau dieser Phase. Aufgrund des Förderrahmens bei gleichzeitig erforderlicher Grundlagenforschung beschreibt das Projekt die Unterhaltungsmusik der NS-Zeit entlang ihrer Medien. Diese Perspektive wird dem Gegenstand aus einer Reihe von Gründen gerecht: Erstens wird so eine exakte Bestimmung dessen, was deutsche Unterhaltungsmusik eigentlich ist, möglich (nämlich die deren Produktionsmechanismen und Apparat weitgehend im deutschen Reich liegen). Zweitens entspricht diese Perspektive dem Produktionsmechanismus von Unterhaltungsmusik als einem kosequent arbeitsteiligen Prozeß (und eröffnet dabei gleichzeitig die Perspektive auf konstante Kollaborationen und Netzwerke). Drittens verdichten Medien wie Bühnendarbietung und Film (aber etwa auch stilisierte Photos der Künstler) die Semantik des musikalischen Textes und lassen so eine exaktere Interpretation zu.
In der Präsentation sollen der gerade umrissene theoretische Ansatz des Projekts vertieft dargestellt und bisherige Forschungsergebnisse vorgestellt werden.
Geboren 1969 in Regensburg. Studium der Musikwissenschaft, Philosophie, Geschichte und Pädagogik in Würzburg. Dort M. A. 1994, Promotion 1999 (Dissertation über Carlo Gesualdo). Habiltation 2011 an der Universität Mainz (mit einer Arbeit über das Konzertleben in Wien um 1800). 2011/12 Gastdozent am Deutschen Historischen Institut in Rom. 2014/15 Vertretungsprofessor an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim. Zudem Lehraufträge in Mannheim, Würzburg und Bern. Seit 2016 wieder an der Universität Mainz, dort seit 2019 apl. Prof. Forschungsschwerpunkt: Geschichte der deutschen Unterhaltungsmusik, Filmmusik, Interpretationsforschung. Zuletzt erschienen (gemeinsam mit Marcel Hartwig und Andreaus Rauscher, Hrsgg.), Networked David Lynch. Critical Perspectives on Cinematic Transmediality, Edinburgh 2023.