Band 1: Kulturelles Gedächtnis
Kulturelles Gedächtnis und interkulturelle Rezeption im europäischen Kontext
Hg. von Eva Dewes und Sandra Duhem. Berlin: Akademie Verlag, 2008 (VICE VERSA. Deutsch-französische Kulturstudien 1). XXI, 678 S., 114 Abb., gebunden, € 49,80.
ISBN: 978-3-05-004132-2
Der Begriff des „Gedächtnisses“ ist grundlegend für die heutigen Kulturwissenschaften. Er fordert heraus zu interdisziplinärer und internationaler Betrachtungsweise. Um Formen des Erinnerns in den verschiedenen Bereichen materieller Kultur aufzuzeigen, haben sich die Herausgeberinnen für ein komplexes Angebot an Perspektiven entschieden: geschichts-, literatur- und kunstwissenschaftliche Beiträge ergänzen einander.
Im Mittelpunkt stehen die beiden europäischen Nachbarländer Deutschland und Frankreich. Dies in zweierlei Hinsicht: Erstens wurden gezielt Forscherinnen und Forscher aus jenen beiden Ländern herangezogen, in denen die Gedächtnisforschung mit Maurice Halbwachs, Pierre Nora, Aby Warburg sowie Jan und Aleida Assmann ihren Ursprung nahm. Europäisch erweitert wird die Perspektive durch Beiträge italienischer, portugiesischer, österreichischer und schweizerischer Autorinnen und Autoren. Zweitens bildet der geographisch-kulturelle Raum Deutschlands und Frankreichs den Gegenstand der mehr als dreißig Einzeluntersuchungen. Die Antike und europäische Geistesströmungen wie die italienische Renaissance, die in der Entwicklung der deutschen und französischen Kultur eine wesentliche Rolle gespielt haben, finden dabei besondere Berücksichtigung. So setzt die Untersuchung in den drei fokussierten Bereichen Geschichte, Literatur und Kunstgeschichte jeweils mit einem Thema aus der Antike ein, die als Wiege unserer gesamten abendländischen Kultur gilt und auf die in dieser Funktion immer wieder in der Geschichte beider Länder beziehungsweise Kulturkreise Bezug genommen wurde. Es erscheint daher fast selbstverständlich, dass die Antikenrezeption in diesem Band einen wichtigen Stellenwert hat. Die Aufsätze zum kulturellen Gedächtnis im Mittelalter tragen unter anderem den gemeinsamen fränkischen Wurzeln Mitteleuropas Rechnung, aus denen dann erst in der Nachfolge Karls des Großen mit der Aufteilung des Karolingergeschlechts in drei Linien Italien, Frankreich und Deutschland entstanden. Darüber hinaus stehen konkrete Bezugnahmen zwischen den nun existierenden Einzelnationen im Mittelpunkt. Historisch prägnante Ereignisse wie etwa die Herrschaft Napoleons oder die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert sind schließlich markante Bezugspunkte in allen drei untersuchten Disziplinen.
Methodisch und sachlich setzt dieser Band einen wichtigen Akzent, indem er den diachronen und synchronen Kulturtransfer bei der Erforschung von Erinnerungskulturen neu ins Zentrum der Forschung rückt.