Resilienz grenzüberschreitender Kooperation in Europa – eine vergleichende Analyse deutsch-polnischer und deutsch-französischer Grenzräume
Das Forschungsprojekt "Resilienz grenzüberschreitender Kooperation in Europa – eine vergleichende Analyse deutsch-polnischer und deutsch-französischer Grenzräume" wird von Juli 2022 bis Dezember 2023 von der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung gefördert. Die Leitung liegt bei Jun.-Prof. Dr. Florian Weber (Europastudien, Schwerpunkt Westeuropa und Grenzräume); für die Projektkoordination und -umsetzung ist Julia Dittel verantwortlich. Das Projekt wird in Kooperation mit Prof. Dr. Elżbieta Opiłowska und Sylwia Zawadzka von der Universität Wrocław, Polen, durchgeführt.
Drei Fragen an Julia Dittel und Jun.-Prof. Dr. Florian Weber
1) Was erforschen Sie im Projekt "Resilienz grenzüberschreitender Kooperation in Europa"?
Wie eine Zäsur stellte die Covid-19-Pandemie die scheinbare Normalität offener EU-Binnengrenzen infrage – besonders im Frühjahr 2020, als nationale Entscheidungsträger*innen mit Grenzsicherungsmaßnahmen auf die von dem neuartigen Virus SARS-CoV-2 ausgehende 'Gefahr' reagierten. Gerade in Grenzregionen wurde die Diskrepanz zwischen nationalen Entscheidungen und den transnationalen Lebenswirklichkeiten vor Ort auf markante Art und Weise sicht- und erfahrbar. Ermöglicht durch die Errungenschaften der europäischen Integration waren hier vielfältige politische, wirtschaftliche und soziale Austauschprozesse über Grenzen hinweg entstanden, die nun vor neue Herausforderungen gestellt wurden. Im deutsch-polnischen Grenzraum blieb Ausländer*innen ohne dauerhaften Wohnsitz in Polen der Grenzübertritt von der Bundesrepublik verwehrt. Zwischen Deutschland und Frankreich wurden Grenzübergänge plötzlich kontrolliert und in Teilen geschlossen. Wenngleich hier ein Passieren der Grenze, beispielsweise für Arbeitnehmer*innen, weiterhin möglich war, entfalteten die Grenzreglementierungen in beiden Grenzräumen weitreichende praktische und symbolische Auswirkungen. Gleichzeitig kann die Pandemie jedoch auch als Impulsgeber verstanden werden, der der grenzüberschreitenden Kooperation neuen Rückenwind verlieh. So wurden schnell erste Lehren aus den Erfahrungen mit den Grenzsicherungsmaßnahmen gezogen – häufig gekoppelt an das Versprechen von Politiker*innen, die grenzüberschreitende Kooperation perspektivisch krisenfester gestalten zu wollen. Vor diesen Hintergründen zielt unser Projekt darauf ab, die Erfahrungen mit sowie die Lehren aus den Grenzreglementierungen der Covid-19-Pandemie herauszuarbeiten. In einer vergleichenden Analyse rücken Fragen der Resilienz grenzüberschreitender Kooperation in polnisch-deutsch-französischen Mehrebenenstrukturen in den Mittelpunkt.
2) Was ist der spezifische Beitrag zur Europaforschung?
Der Prozess der deutsch-französischen Aussöhnung, der die europäische Integration in entscheidender Weise mitbestimmte, wurde immer wieder auch als 'Vorbild' für die Gestaltung des deutsch-polnischen Verhältnisses und der EU-Osterweiterung herangezogen. Beide Grenzräume blicken auf divergierende historische Entwicklungen zurück und kennzeichnen sich durch unterschiedliche Grade der grenzüberschreitenden Institutionalisierung. Eine Untersuchung der Krisenfestigkeit bzw. Resilienz grenzüberschreitender Kooperation im 'Weimarer Dreieck' bietet damit zum einen eine Vergleichsmöglichkeit, zum anderen die Möglichkeit, voneinander zu lernen. Das Projekt leistet einen theoretischen und praktischen Beitrag zur europäischen Integration, indem es Faktoren zu identifizieren sucht, die sich in Krisen- sowie Nicht-Krisenzeiten als bedeutsam für die Resilienz der grenzüberschreitenden Kooperation erweisen.
3) Was bedeutet Europa für Sie persönlich?
Wir verstehen Europa als einen Raum vielfältiger Möglichkeiten. In direkter Grenznähe aufgewachsen gehört es für uns mittlerweile zur Normalität, die Grenze zu unseren französischen und luxemburgischen Nachbarn im Alltag zu passieren. Die Covid-19-Pandemie verdeutlichte einerseits, dass ein Europa offener Grenzen nie als selbstverständlich hingenommen werden sollte und für das es kontinuierlich einzustehen gilt. Andererseits wurden die Potenziale der Europäischen Union, die sich gerade auch aus dem grenzüberschreitenden Austausch ergeben, deutlich. Europa bedeutet damit immer auch die Chance, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.
Florian Weber ist seit 2019 Juniorprofessor für Europastudien mit den Schwerpunkten Westeuropa und Grenzräume an der Universität des Saarlandes. Seit Juli 2022 leitet er das Projekt Resilienz grenzüberschreitender Kooperation in Europa. Julia Dittel ist seit Januar 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Fachrichtung Gesellschaftswissenschaftliche Europaforschung an der Universität des Saarlandes und koordiniert seit Juli 2022 das Projekt "Resilienz grenzüberschreitender Kooperation in Europa".