Graduiertenkolleg "Europäische Traumkulturen"
Das Graduiertenkolleg "Europäische Traumkulturen" / "European Dream-Cultures" wird von 2015 bis 2024 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Sprecherin ist Prof. Dr. Christiane Solte-Gresser (Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft).
Drei Fragen an Prof. Dr. Christiane Solte-Gresser
1) Was erforschen Sie im Graduiertenkolleg "Europäische Traumkulturen"?
Das Graduiertenkolleg erforscht ästhetische Traumdarstellungen sowie die Literatur-, Medien- und Kulturgeschichte des Traums. Der Fokus liegt auf den traumspezifischen Poetiken in den europäischen Kulturen der Nach-Antike. Den Schwerpunkt der Forschung bilden die jeweiligen Wechselwirkungen zwischen Traumästhetik und der Kultur- und Wissensgeschichte des Traums. Ausgehend von literarischen Träumen, ziehen wir zum intermedialen Vergleich auch Traumdarstellungen aus Malerei, Fotografie, Film, Theater, Musik, Computerspiel und weiteren Medien heran.
Theoretisch und methodisch ist das Projekt kulturwissenschaftlich-konstruktivistisch, medienästhetisch und wissenspoetisch ausgerichtet. Erweitert wird es durch die systematische Erforschung einer Erfahrungspoetik des Traums; ein Begriff, mit dem wir die komplexen Verbindungen künstlerischer Darstellungen zwischen Erfahrung und Traum erfassen.
Gefragt wird insgesamt nach dem Traum als Produkt 'kultureller Arbeit' und ästhetischer Konstruktion. Ziel der gemeinsamen Forschung ist eine innovative, medienkomparatistisch angelegte, Sprach- und Kulturraum übergreifende Erschließung der Wissens- und Erfahrungspoetik ästhetischer Traumdarstellungen in historischer Perspektive.
2) Was ist der spezifische Beitrag zur Europaforschung?
Das Graduiertenkolleg untersucht die Vielfalt europäischer Traumkulturen sowohl in synchroner als auch in diachroner Perspektive, indem es – um einige aktuelle Perspektiven zu nennen – einen besonderen Fokus auf kulturelle Artefakte etwa aus dem französischen, spanischen, italienischen, deutschen, russischen, slowenischen, kroatischen, skandinavischen oder englischen Sprach- und Kulturraum richtet. Damit können die Eigenheiten einzelner kultureller Strömungen vergleichend herausgearbeitet werden. Es geraten so aber auch wichtige Parallelen in den Blick, die durch gemeinsame historische Traditionslinien und aktuelle europäische Verflechtungs- und Transferprozesse entstehen.
Um die europäischen Dimensionen ästhetischer Traumdarstellungen und eines traumspezifischen Wissens in ihren komplexen globalen Vernetzungen erkennen zu können, ist es zudem unerlässlich, die Perspektive auch auf außereuropäische Kulturräume hin zu öffnen, denn Europa lässt sich nicht ohne den Blick von und nach außen und nicht ohne seine Grenzen denken. So schärft das Kolleg seinen Forschungsschwerpunkt auf europäische Traumkulturen u.a. durch Vergleichsstudien zu indigenen oder islamischen Wissenskulturen und Traumartefakten aus dem arabischen, asiatischen und lateinamerikanischen Raum.
3) Was bedeutet Europa für Sie persönlich?
Europa ist für mich ein Erfahrungsraum, der von kultureller Vielfalt, reichhaltiger Geschichte und besonderen aktuellen Herausforderungen geprägt ist. Ich erlebe ihn als einen Raum der Privilegien und der großen persönlichen Freiheit. Aus dieser privilegierten Situation heraus erwächst eine besondere gesellschaftliche und (kultur-)politische Verantwortung. Angesichts der Gewalt, die etwa durch Kolonialismus und Nationalsozialismus von Europa ausging und deren Folgen die Welt bis heute erschüttern, geht es darum, die historische Vergangenheit konsequent zu reflektieren und unsere eigenen Verstrickungen in die Geschichte zu erkennen. Nur so können neue Formen des Miteinanders gefunden werden, um für die Gestaltung einer menschlichen Zukunft einzutreten.
Christiane Solte-Gresser ist seit 2009 Professorin für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität des Saarlandes und seit April 2015 Sprecherin des DFG-Graduiertenkollegs Europäische Traumkulturen.