Kunsthistoriker Henry Keazor beschrieb die Serra-Plastik in dem Buch "Kunst auf dem Campus" wie folgt:
Der Titel "Torque" (zu übersetzen als Drehmoment, Drehkraft) hat die Skulptur Serras in gleich vielfacher Weise eingelöst, denn schon Status und Ansehen der Figur haben sich seit ihrer Aufstellung [1992] gedreht: War die Skulptur ob ihrer Kosten (958.000 DM) zunächst als scheinbare Geldverschwendung umstritten und Gegenstand erhitzter Debatten über Sinn und Unsinn, Schönheit und Hässlichkeit von Kunst am Bau, so hat sie inzwischen geradezu den Rang eines unumstrittenen Wahrzeichens der Universität.
Die Plastik, die aus sechs in- und aneinander gelehnten Stahlplatten (246 Tonnen, gefertigt im Grobblechwalzwerk der Dillinger Hütte) besteht, reagiert in vielfacher Weise auf ihren Standort: Zum einen nimmt sie die Dreizahl des aus drei Bauteilen bestehenden Eingangsbereichs der Universität auf und multipliziert sie zu den sechs Stahlplatten. Leitet der Portalbereich in den Campus hinein, so versteht sich "Torque" als nachfolgende Dreh- und Orientierungsscheibe, vor der aus der Besucher die diversen, ihm offen stehenden Richtungen sondieren und dann einschlagen kann – nicht zufällig steht die Skulptur auch deshalb am höchsten Punkt der Universität.
Doch die Plastik eröffnet dabei ein Spiel mit Gegensätzen, denn sie versperrt auf den ersten Blick auch die Sicht und den Weg, zwingt dazu, sie zu umrunden und macht damit erst für den Raum und die in ihm eröffneten Wege sensibel. Das so entfaltete Spiel wird fortgesetzt in den von der Skulptur gleichermaßen manifestierten Gegensätzen von Schwere und Leichtigkeit, Stabilität und Labilität, Gewicht und Gegengewicht, Tragen und Lasten, Innen und Außen – denn die Skulptur will nicht nur von außen betrachtet, sondern auch betreten und von innen erfahren werden. Wer der Einladung folgt, in den von den Stahlplatten gebildeten Innenraum zu treten und nach oben zu blicken, wird so etwas erfahren wie das prismatisch umrandete Auge eines Hurrikans, denn die Stahlplatten schirmen auch die Verkehrsgeräusche außen ab und bewirken, dass man sozusagen im Zentrum des drumherum rotierenden Drehmoments akustische Ruhe und optische Stille findet.
Dem entgegengesetzt sind die lauten Mitteilungen in Form von Protesten, Plakaten, Graffiti, für welchedie Außenflächen von "Torque" immer wieder genutzt wurden und werden – etwas, das Serra mitbedacht hat, der möchte, dass seine Werke (gedacht als das genaue Gegenteil von "dekorativen Inszenierungen") Teil der solcherart umdefinierten Umgebung, mit einbezogen, benutzt werden.
(Henry Keazor, in: Kunst auf dem Campus, hrsg. von Jörg Pütz und Henry Keazor, Merzig 2012, S. 138, veröffentlicht bei der Kunstrallye des ZelL)
Uwe Eisenbeis, Medienmanagment-Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart und Absolvent der Saar-Universität, hat seine Festrede bei der Verleihung des Eduard-Martin-Preises 2023 Richard Serra und der Torque-Plastik gewidmet. Die Festrede ist hier veröffentlicht.