Obgleich der Terminus "Fake News" erst in der modernen Zeit geprägt wurde, existiert bereits im Mittelalter eine Vielzahl von Erzähltexten, in denen Falschinformationen, Manipulationen und Täuschungen von zentraler Bedeutung sind. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür findet sich in der Spielmannsdichtung "Herzog Ernst", entstanden um das Jahr 1180. Hier wird deutlich, dass aufgrund einer falschen Behauptung des hinterlistigen Pfalzgrafen Heinrich ein Krieg entfacht wird, der die Lande erschüttert. Die Schatten der Manipulation ziehen sich ebenso durch Werke wie das „Rolandslied“ des Pfaffen Konrad, den „Tristan“ Gottfrieds von Straßburg, den Lancelot-Gral-Zyklus und die Prosa-Epen Elisabeths von Nassau-Saarbrücken.
Die im Rahmen des Vortrags zu untersuchenden Leitfragen lauten: Welche Intention steht jeweils hinter diesen Falschmeldungen? Wie wird geschickter Einsatz von Sprache zum Werkzeug der Täuschung? Welche Rolle spielt dabei das Verhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit? Findet Manipulation ausschließlich auf der Ebene der Figuren statt oder agiert auch die Erzählinstanz manipulativ? Und kommt es zu einer Aufdeckung der „Fake News“? Die Untersuchung soll jedoch nicht allein auf die Würdigung der einzelnen Textabschnitte als meisterhaft gestaltete Unterhaltungselemente der Erzählungen beschränkt sein. Ebenso ist sie darauf ausgerichtet, durch die literarischen Zeugnisse Erkenntnisse über zeitgenössische gesellschaftliche Normen und das kollektive Bewusstsein zu gewinnen.
Hintergrund zur Ringvorlesung: Fake, Lüge, Desinformation. Über die Literatur zwischen Fiktion und Täuschung
Fakes, Lügen und Desinformationen sind Instrumente der hybriden Kriegsführung von totalitären Staaten gegen die freie Welt. Im Inland werden sie von Radikalen und Populisten genutzt, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Gemeinwesens zu untergraben. Eine literaturwissenschaftliche Ringvorlesung wird Aspekte dieses Phänomens im literarischen Feld beleuchten und Brücken zu Debatten und Fragen der Gegenwart schlagen. Sie findet im Sommersemester jeweils montags um 19 Uhr im Saarbrücker Rathaus statt.
Der „Mangel der Übereinstimmung unserer Worte und Geberden mit unsern Gedanken“, wie der Dresdner Lexikograph Johann Christoph Adelung im 18. Jahrhundert in seinem berühmt gewordenen Wörterbuch formuliert, ist seit der Antike ein beliebtes Motiv in der Literatur: Täuschung und Betrug werden als handlungsauslösende Momente eingesetzt, Lügengeschichten, Über- oder Untertreibungen tatsächlicher Begebenheiten sowie der offensichtliche Schwindel zur Unterhaltung und Belehrung des Lesepublikums erzählt. Auch Halb- und Unwahrheiten sind wesentliche Mittel der persuasiven Strategie von Texten.
Die Beschäftigung mit der Literatur und das Verständnis ihrer Mechanismen soll daher auch einen Beitrag zur Verteidigung demokratischer Grundwerte leisten.
Veranstalter dieser 13. Saarbrücker literaturwissenschaftlichen Ringvorlesung sind Privatdozent Hermann Gätje und Professor Sikander Singh von der Universität des Saarlandes in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Film und Wissenschaft im Kulturamt der Landeshauptstadt Saarbrücken. Die Vorlesungen dauern in der Regel eine Stunde. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen und mit den Vortragenden ins Gespräch zu kommen.
Hier geht es zum gesamten Programm: https://www.uni-saarland.de/aktuell/ringvorlesung-fake-luege-literatur-30843.html