Die Unterrepräsentation von Frauen in den Parlamenten ist ein Beleg für den Political Empowerment Gap, der dem Gender Gap zugrunde liegt, und zugleich ein Symbol für ihre faktische Ungleichheit. Änderungen der Wahlgesetze zur Sicherstellung der Geschlechterparität stehen daher auch in Deutschland und der EU auf der Tagesordnung. Solche Geschlechterparitätsgesetze verlangen in der Regel, dass die politischen Parteien Wahllisten mit einer gleichen Anzahl abwechselnd weiblicher und männlicher Kandidaten einreichen. Die ersten beiden deutschen Geschlechterparitätsgesetze in Thüringen und Brandenburg wurden jedoch von den Landesverfassungsgerichten für verfassungswidrig erklärt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gebietet das Grundgesetz nicht den Erlass von Geschlechterparitätsgesetzen, obwohl es in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 dazu verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern.
Das Gericht hat sich aber noch nicht dazu geäußert, welche Grenzen das Grundgesetz für freiwillig erlassene Geschlechterparitätsgesetze des Bundes oder der Länder setzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Geschlechterquoten bei Wahllisten im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention als zulässig anerkannt. Auch die Soft-Law-Regeln des Europarates begünstigen die Anwendung solcher Quoten. Das globale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau unterstützt und fordert möglicherweise Geschlechterquoten in der politischen Vertretung.
Hintergrund zur Ringvorlesung: „Facetten der Vielfalt – Genderforschung und ihre Bedeutung für die Gesellschaft“
Der Begriff „Gender“ polarisiert die öffentliche Debatte und spaltet Politik und Gesellschaft. Doch wofür steht die Genderforschung eigentlich? Warum ist es heute für viele Forschungsgebiete relevant, Geschlecht und andere Diversitätsfaktoren zu berücksichtigen? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich eine interdisziplinäre Ringvorlesung der Universität des Saarlandes im Sommersemester. Sie findet jeweils mittwochs von 18 bis 20 Uhr auf dem Saarbrücker Campus in Gebäude E2 5 (Hörsaal II) statt. Zwei Podiumsdiskussionen zur Geschlechterforschung werden am 8. Mai und 24. Juli im Festsaal des Saarbrücker Rathauses veranstaltet.
Die öffentliche Ringvorlesung will unter anderem beleuchten, inwiefern soziale, ethnische, kulturelle und sexuelle Aspekte mit den Themen der Genderforschung zusammenhängen. Sie will dabei nicht an Fächergrenzen haltmachen, sondern aktuelle Forschungsansätze der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie der Rechts- und Naturwissenschaften einbeziehen. Dabei kommen Expertinnen und Experten der unterschiedlichen Fachgebiete zu Wort und stellen neueste Erkenntnisse etwa aus der feministischen Theorie, den Gender, Queer und Trans Studies sowie der empirischen Genderforschung vor. Bei jedem Vortrag wird es um die Frage gehen, welche Genderaspekte in dem jeweiligen Forschungsgebiet eine Rolle spielen und welche Erkenntnisse daraus für die Gesellschaft gezogen werden können.
Alle Vorträge sind nicht nur für Studierende, sondern für alle Interessierten ohne Anmeldung frei zugänglich. Auch die beiden Podiumsdiskussionen im Rathaussaal der Stadt Saarbrücken wenden sich an die interessierte Öffentlichkeit und wollen die große Bandbreite und Expertise zum Thema Genderforschung in der Region sichtbar machen. Die Podiumsdiskussion am 8. Mai wird von einer Comic-Lesung begleitet und findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Universität des Saarlandes im Dialog“ statt. Auch die letzte Veranstaltung im Rathaus am 24. Juli wird durch ein künstlerisches Rahmenprogramm ergänzt.
Die Ringvorlesung „Facetten der Vielfalt – Genderforschung und ihre Bedeutung für die Gesellschaft“ findet unter der Leitung der Politikwissenschaftlerin Daniela Braun und Amerikanistin Astrid M. Fellner statt, in Zusammenarbeit mit dem Forum Geschlechterforschung der Universität des Saarlandes, dem Gleichstellungsbüro der Universität des Saarlandes, dem AK Queer und dem Referat für Politische Bildung des AStA der Universität des Saarlandes sowie dem Zentrum für lebenslanges Lernen, dem Frauenbüro der Stadt Saarbrücken und der Frauen-Gender-Bibliothek Saar.
Zukünftiges Programm der Ringvorlesung (jeweils mittwochs von 18 bis 20 Uhr):
- 12. Juni: „Gender-Macht-Nachhaltigkeit: Was leistet die Genderforschung für eine gerechte, nachhaltige Gesellschaft?“, Dr. Andrea Amri Henkel und Dr. Irmak Karakislak (IZES)
- 19. Juni: „Gendermedizin“, Prof. Sandra Iden (Universität des Saarlandes)
- 26. Juni: „Von der kirchlichen Frauenfrage zur Queer-Theologie“, Prof. Anne Conrad (Universität des Saarlandes)
- 3. Juli: „Geschlecht als Kontinuum“, Prof. Christel Baltes-Löhr (Universität Luxemburg)
- 10. Juli: „Gender in der Psychologie“, Dr. Lisa Juliane Schneider (Landeshauptstadt Saarbrücken)
- 17. Juli: „Frauenliteratur? Gender und Genre am Beispiel der popular romance“, Dr. Heike Mißler (Universität des Saarlandes)
- 24. Juli: Abschlussdiskussion mit künstlerischem Rahmenprogramm im Saarbrücker Rathaus
- Organisatorinnen der Ringvorlesung
- Jun.-Prof. Carola Fricke (Universität des Saarlandes)
- Julia Pierzina (international Gender Design network)
Kontakt:
Prof. Dr. Daniela Braun / Prof. Dr. Astrid Fellner
d.braun(at)uni-saarland.de und fellner(at)mx.uni-saarland.de
Weitere Informationen: https://www.uni-saarland.de/forschen/gender.html