Aus einer interdisziplinären Perspektive zeigt dieser Beitrag, wie die Figur des Kontinuums Geschlecht aus einer binären Engführung gelöst wird und wie damit eine innovative Perspektive entsteht für gleichberechtigte, selbstbestimmte Pluralitäten – und zwar für alle bislang bekannten und benannten und zukünftig zu benennenden Geschlechter. Mit der Figur des Kontinuums wird die Frage beantwortet, wie inter*-, trans*-, nicht-binär*- sowie a*-geschlechtliche Menschen nicht als 3. oder 4. Geschlecht, nicht als hybrid, nicht als dazwischen, nicht als anders, nicht als divers, nicht als Kürzel in einem Akronym verstanden werden, sondern als Zuschreibungen von Menschen zu ihrem je ei(ge)nen, selbstbestimmten Geschlecht. Mit den vier Dimensionen des Kontinuums physisch (Körper/Materie), psychisch (Gefühle, Kognition), sozial (Verhalten) und sexuell (Begehren) entsteht ein Raum, die tatsächlich existierende Vielfalt der Geschlechter so abzubilden, dass die immer noch wirkmächtige Kausalität zwischen z.B. körperlichen Merkmalen und bestimmten geschlechterkonnotiertem Fühlen, Verhalten und Begehren aufgehoben wird – ohne jedoch auf höchst komplexe und verschiedenste Formen der Verwobenheiten zu verzichten.
Kurzbiographie:
Christel Baltes-Löhr (Prof. em. Dr.) lehrte und forschte von 2003-2021 an der Universität Luxemburg zu den Schwerpunkten Pluralität, Migration, Geschlecht, Kontinuum, Nicht-Binarität sowie Trans*- und Inter*-geschlechtlichkeit. Von 2004 bis 2016 fungierte sie als universitäre Genderbeauftragte und vertrat Luxemburg von 2004 bis 2018 in der „EU- Helsinki Group on Gender in Research and Innovation“. Bis September 2018 war sie ebenfalls für Luxemburg Mitglied im „Experts’ Forum“ des „European Institute for Gender Equality“ (EIGE). Seit 2015 ist sie Mitglied des luxemburgischen Ethikrates (C.N.E.), seit 2019 eine von drei Co-Sprecher_innen der AG Trans*Inter*Studies der Fachgesellschaft Geschlechterstudien und 2016 Gründungsmitglied und Vorsitzende des Vereins TAGG (Trierer Archiv für Geschlechterforschung und digitale Geschichte e.V.).
Hintergrund zur Ringvorlesung: „Facetten der Vielfalt – Genderforschung und ihre Bedeutung für die Gesellschaft“
Der Begriff „Gender“ polarisiert die öffentliche Debatte und spaltet Politik und Gesellschaft. Doch wofür steht die Genderforschung eigentlich? Warum ist es heute für viele Forschungsgebiete relevant, Geschlecht und andere Diversitätsfaktoren zu berücksichtigen? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich eine interdisziplinäre Ringvorlesung der Universität des Saarlandes im Sommersemester. Sie findet jeweils mittwochs von 18 bis 20 Uhr auf dem Saarbrücker Campus in Gebäude E2 5 (Hörsaal II) statt. Zwei Podiumsdiskussionen zur Geschlechterforschung werden am 8. Mai und 24. Juli im Festsaal des Saarbrücker Rathauses veranstaltet.
Die öffentliche Ringvorlesung will unter anderem beleuchten, inwiefern soziale, ethnische, kulturelle und sexuelle Aspekte mit den Themen der Genderforschung zusammenhängen. Sie will dabei nicht an Fächergrenzen haltmachen, sondern aktuelle Forschungsansätze der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie der Rechts- und Naturwissenschaften einbeziehen. Dabei kommen Expertinnen und Experten der unterschiedlichen Fachgebiete zu Wort und stellen neueste Erkenntnisse etwa aus der feministischen Theorie, den Gender, Queer und Trans Studies sowie der empirischen Genderforschung vor. Bei jedem Vortrag wird es um die Frage gehen, welche Genderaspekte in dem jeweiligen Forschungsgebiet eine Rolle spielen und welche Erkenntnisse daraus für die Gesellschaft gezogen werden können.
Alle Vorträge sind nicht nur für Studierende, sondern für alle Interessierten ohne Anmeldung frei zugänglich. Auch die beiden Podiumsdiskussionen im Rathaussaal der Stadt Saarbrücken wenden sich an die interessierte Öffentlichkeit und wollen die große Bandbreite und Expertise zum Thema Genderforschung in der Region sichtbar machen. Die Podiumsdiskussion am 8. Mai wird von einer Comic-Lesung begleitet und findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Universität des Saarlandes im Dialog“ statt. Auch die letzte Veranstaltung im Rathaus am 24. Juli wird durch ein künstlerisches Rahmenprogramm ergänzt.
Die Ringvorlesung „Facetten der Vielfalt – Genderforschung und ihre Bedeutung für die Gesellschaft“ findet unter der Leitung der Politikwissenschaftlerin Daniela Braun und Amerikanistin Astrid M. Fellner statt, in Zusammenarbeit mit dem Forum Geschlechterforschung der Universität des Saarlandes, dem Gleichstellungsbüro der Universität des Saarlandes, dem AK Queer und dem Referat für Politische Bildung des AStA der Universität des Saarlandes sowie dem Zentrum für lebenslanges Lernen, dem Frauenbüro der Stadt Saarbrücken und der Frauen-Gender-Bibliothek Saar.
Zukünftiges Programm der Ringvorlesung (jeweils mittwochs von 18 bis 20 Uhr):
- 10. Juli: „Gender in der Psychologie“, Dr. Lisa Juliane Schneider (Landeshauptstadt Saarbrücken)
- 17. Juli: „Frauenliteratur? Gender und Genre am Beispiel der popular romance“, Dr. Heike Mißler (Universität des Saarlandes)
- 24. Juli: Abschlussdiskussion mit künstlerischem Rahmenprogramm im Saarbrücker Rathaus
- Organisatorinnen der Ringvorlesung
- Jun.-Prof. Carola Fricke (Universität des Saarlandes)
- Julia Pierzina (international Gender Design network)
Kontakt:
Prof. Dr. Daniela Braun / Prof. Dr. Astrid Fellner
d.braun(at)uni-saarland.de und fellner(at)mx.uni-saarland.de
Weitere Informationen: https://www.uni-saarland.de/forschen/gender.html