Im Justizsystem geht es vornehmlich darum, rechtlich relevanter Texte zu erstellen, auszulegen und anzuwenden. Vereinzelt nutzen Akteure dafür bereits heute KI-Systeme wie ChatGPT – bislang jedoch weitgehend unkoordiniert. Das neue Förderprojekt soll dazu beitragen, den Umgang mit lernender Software zu systematisieren. Denn Künstliche Intelligenz eröffnet ungeahnte Chancen: Routineaufgaben könnten automatisiert, komplexe Probleme einfach gelöst und individuelle Bedürfnisse vorausschauend erkannt werden. Gleichzeitig sind damit jedoch Risiken verbunden und auf der Anwenderseite gibt es Vorbehalte, Hoffnungen und Ängste. “Daher muss erforscht werden, wo und wie sich digitale Technologien in der Justiz einsetzen lassen, um den Rechtsstaat zu stärken und nicht zu schwächen“, gibt Jura-Professor Dominik Brodowski zu bedenken.
„Im neuen Ladenburger Kolleg wollen wir untersuchen, ob Künstliche Intelligenz Funktionen im Justizsystem effizient erfüllen kann, sodass Grundrechte, Demokratie und Rechtsstaat gestärkt werden“, erklärt Anne Paschke, Professorin für Öffentliches Recht und Digitalrecht an der Technischen Universität Braunschweig. Eine wesentliche Voraussetzung sei etwa die Akzeptanz seitens Justizangehöriger, Rechtanwälten sowie Akteuren der Rechtspflege. Als wissenschaftliche Leiterin des neuen Förderprojekts bringt Anne Paschke Vertreter unterschiedlicher Fachdisziplinen zusammen: Rechtsinformatik, Betriebswirtschaftslehre, Arbeits- und Organisationspsychologie sowie Öffentliches Recht, Zivilrecht, Strafrecht und Rechtstheorie.
Für den effizienten Einsatz von KI-Systemen wollen die Experten zum einen konkrete Felder im Justizsystem identifizieren, in denen Softwaretechnologien den Menschen zielgenau unterstützen und entlasten können. Dabei gilt es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die jeweiligen Einsatzszenarien zu definieren und sicherzustellen. Darüber hinaus widmen sich die Forscherinnen und Forscher zentralen psychologischen Fragen, etwa der Vertrauenswürdigkeit, der Gestaltung von Arbeits- und Veränderungsprozessen und der gefühlten Verantwortlichkeit der einzelnen Akteure. Zur künftigen Akzeptanz digitaler Transformationsprozesse tragen nach Einschätzung der Experten auch agile Organisationsformen mit schnellen Entscheidungsprozessen, hoher Eigenverantwortung und Fehlerakzeptanz bei.
Auch Sichtweisen externer Stakeholder wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einholen und einen Blick aus internationaler Perspektive wagen. Die interdisziplinäre Forschung im Förderprojekt „Technologische Intelligenz zur Transformation, Automatisierung und Nutzerorientierung des Justizsystems (TITAN)“ findet über einen Zeitraum von drei Jahren statt.
Sieben Universitäten, ein Projektteam:
Technische Universität Braunschweig: Prof. Dr. Anne Paschke (Koordination und Projektleitung), Öffentliches Recht und Digitalrecht
Georg-August-Universität Göttingen: Prof. Dr. Philipp Reuß, MJur (Oxford), Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht
Universität Konstanz: Prof. Dr. Liane Wörner, LL.M. (UWMad), Strafrecht und Rechtstheorie
Universität des Saarlandes: Prof. Dr. Dominik Brodowski, LL.M. (UPenn), Strafrecht und Digitalrecht
Technische Universität München: Prof. Dr. Matthias Grabmair, LL.M, Rechtsinformatik und Prof. Dr. Isabell M. Welpe, Strategie und Organisation
Universität Freiburg: Prof. Dr. Markus Langer, Arbeits- und Organisationspsychologie
Stanford University, USA: Prof. Dr. Daniel E. Ho, Rechtsinformatik und Politikwissenschaft
Ladenburger Kolleg
Die Ladenburger Kollegs stellen eine Schwerpunktförderung der Daimler und Benz Stiftung dar. Das Format bietet Wissenschaftlern die Möglichkeit, innerhalb eines interdisziplinären Forschungsverbunds Themenstellungen über einen längeren Zeitraum zu bearbeiten. Hierzu veröffentlicht die Stiftung in unregelmäßigen Abständen Ausschreibungen.
Daimler und Benz Stiftung
Die Daimler und Benz Stiftung fördert Wissenschaft und Forschung. Dazu richtet sie innovative und interdisziplinäre Forschungsformate ein. Ein besonderes Augenmerk legt die Stiftung durch ein Stipendienprogramm für Postdoktoranden sowie die Vergabe des Bertha-Benz-Preises auf die Förderung junger Wissenschaftler. Mehrere Vortragsreihen sollen die öffentliche Sichtbarkeit von Wissenschaft stärken und deren Bedeutung für unsere Gesellschaft betonen.
Fragen beantworten:
Prof. Dr. Dominik Brodowski
Lehrstuhl für Europäisierung, Internationalisierung
und Digitalisierung von Strafrecht und Strafverfahren
Tel.: 0681/302-4950
E-Mail: dominik.brodowski(at)uni-saarland.de
Patricia Piekenbrock
Daimler Benz Stiftung
Tel.: 06203/1092-0
E-Mail: presse(at)daimler-benz-stiftung.de
Weitere Informationen unter: www.daimler-benz-stiftung.de