Wasserstoff als klimafreundlicher Energieträger für die Mobilität der Zukunft, insbesondere der „grüne“ Wasserstoff, der also mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, verspricht ein hohes Potential. Allerdings sind die Produktionskosten für die notwendigen Komponenten im Automobil, im LKW oder in Bussen noch viel zu hoch. Ein vielversprechender Ansatz, um die Kosten für Mobilität auf Wasserstoffbasis zu senken, besteht darin, die Komponenten der Brennstoffzellen, in denen der Wasserstoff in Strom gewandelt wird, in großer Stückzahl zu produzieren. So besteht die Möglichkeit, auch eine Massenproduktion der Brennstoffzellenstacks umzusetzen, um so die Stückkosten drastisch zu reduzieren.
Aktuell scheitert dieser Ansatz aber an einem Henne-Ei-Problem: „Der aktuelle noch recht niedrige Bedarf an Brennstoffzellen führt zu einer geringen Auslastung der teil- oder vollautomatisierten Produktionssysteme. Dadurch steigen auf der anderen Seite die Amortisationszeiten erheblich“, erläutert Professor Rainer Müller, Inhaber des Lehrstuhls für Montagesysteme an der Universität des Saarlandes und Leiter des gleichnamigen Forschungsbereichs am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik ZeMA. Aktuell werden also zu wenige Brennstoffzellenfahrzeuge nachgefragt, was sie sehr teuer macht. Das wiederum macht es wirtschaftlich uninteressant, sie in großen Stückzahlen zu produzieren, was wiederum dazu führt, dass ihr Einsatz unwirtschaftlich ist, da die kleinen Stückzahlen hohe Produktionskosten verursachen – und so weiter. Zudem erschwert der zu erwartende Fortschritt bei den Brennstoffzellen und deren Stacks den Bau von Produktionsanlagen. Kommen veränderte Bauweisen oder andere Materialien ins Spiel, sind bestehende Produktionssysteme oft nicht so einfach auf die neuen Anforderungen umzustellen. Eine heute noch hochmoderne Produktionsanlage kann also morgen schon veraltet sein und wird dann auf dem Weltmarkt keine Chance mehr haben, wirtschaftlich Brennstoffzellen zu produzieren.
Notwendig ist demnach die Entwicklung von Produktionssystemen, die sowohl einer steigenden Nachfrage nach Brennstoffzellen als auch den wandelnden Anforderungen gerecht werden. Aber wie kann das gelingen? Das möchten Professor Müller und sein Team im nun gestarteten Forschungsprojekt H2SkaProMo untersuchen, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) mit ca. 7,4 Millionen Euro gefördert wird. „Ziel des Forschungsprojektes ist es, die Produktion von Brennstoffzellen-Stacks mit industrienahen Prozessen und skalierbaren Produktionssystemen wirtschaftlich abzubilden“, erklärt Rainer Müller das Grundprinzip. „Wir planen, drei unterschiedliche Ansätze von Produktionslinien im Prototyp zu entwerfen: eine vollständig manuelle, eine teilautomatisierte sowie eine vollautomatisierte.“ So lässt sich durch manuelle Montageprozesse eine hohe Produktvarianz bei zugleich hoher Flexibilität und guter Skalierbarkeit erzielen, was vor allem bei der Produktion von Kleinserien und Prototypen von Nutzen ist. Mit teilautomatisierten Montageprozessen wird die steigende und auch schwankende Nachfrage bedient, die Ausbringungsmenge kann bei einer noch hohen Produktvarianz gesteigert werden. Durch vollautomatisierte Montageprozesse wird schließlich die Serienproduktion unter höchsten Qualitätsansprüchen bei hoher Ausbringungsmenge ermöglicht.
„Generell wird mit einem ganzheitlichen Ansatz gearbeitet, der nicht nur die Betriebsmittel bei der Entwicklung fokussiert, sondern die wechselseitige Beziehung von Produkt, Prozess und Betriebsmittel beachtet und ebenfalls eine montage- und demontagegerechte Produktgestaltung adressiert“, erläutert Rainer Müller. Die Einzelstationen der drei Produktionslinien werden über Schnittstellen zueinander kompatibel und skalierbar sein, also beliebig in der Größenordnung der Produktion anpassbar. Künstliche Intelligenz soll bei der Auswertung der gewonnenen Daten helfen, um eine möglichst defektfreie Montage zu realisieren.
Zusätzlich wird im Projekt ein menschzentrierter Ansatz verfolgt. Durch sowohl kognitive als auch physische Assistenzsysteme werden Mitarbeiter in den Montageprozessen optimal unterstützt und angeleitet. Dies liegt insbesondere in der Komplexität der Montagevorgänge, im sich verfestigenden Fachkräftemangel sowie im demografischen Wandel begründet.
Neben den technologischen Neuerungen kann der Nutzen des Forschungsprojektes ebenfalls an dessen positivem Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes verdeutlicht werden. „Entlang des Lebenszyklus einer Brennstoffzelle fallen 85 Prozent der CO2-Emissionen bei der Herstellung und Entsorgung an. Direkt lassen sich die CO2-Emissionen durch die Vermeidung von z.B. Druckluft während komplexer Handhabungsprozesse und die signifikante Reduktion der Ausschussquote durch vollumfängliche Qualitätsüberwachung sowie die demontagegerechte Produktgestaltung zur Reparatur der Stacks gewährleisten“, erklärt Professor Müller. „Darüber hinaus lassen die unterschiedlichen Automatisierungsstufen und der modulare Aufbau der Produktionssysteme die Wiederverwendung der Montagelinien über Produkt- und Anlagenlebenszyklen hinaus zu und garantieren dadurch eine hohe Nachhaltigkeit.“
All diese Aufgaben erfordern ein hohes Maß an Erfahrungen in Forschung und Industrie. Daher haben sich im Projekt H2SkaProMo 15 Partner aus den beiden Bereichen versammelt. Aufseiten der Forschung sind dies das Fraunhofer IZFP, die Universität des Saarlandes/ZeMA und der Umwelt-Campus Birkenfeld. Direkte Industrie-Partner sind Schaeffler, HYDAC, XENON, URT Ratio Technik, INNOCISE, Susi&James und Munzinger Maschinenbau. Die assoziierten Partner (autoregion e.V., IHK Saarland, ME Saar, Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Saarbrücken und saaris) unterstützen beim Ergebnistransfer in ihr weitreichendes Unternehmensnetzwerk.
Weitere Informationen:
Prof. Dr.-Ing. Rainer Müller
Tel.: 0681 – 85 787 15
E-Mail: rainer.mueller(at)zema.de
Lennard Margies, M.Sc.
Tel.: 0681 - 85 787 – 569
E-Mail: l.margies(at)zema.de
Webseite:www.h2skapromo.de