29.06.2022

Europavortrag: Das okzidentale Europa als Lästerschule? Perspektiven einer Geschichte der Blasphemie

Referent: Prof. Dr. Gerd Schwerhoff, TU Dresden, Mittwoch, 29. Juni 2022, 18 Uhr c.t., Campus, Geb. B3 2, HS 0.03

Kann die Geschichte der Gotteslästerung Antworten auf die Frage nach der Eigenheit Europas bereithalten? Blasphemie, verstanden als die Herabwürdigung Gottes und des Heiligen, gab es auch in vielen nichtchristlichen Gesellschaften jenseits von Europa. Aber aus dem Wahrheitsanspruch der monotheistischen Religion entsprangen doch gerade im Christentum heftige Schmähungen gegen das Heilige der „Anderen“, ebenso scharfe Strafandrohungen gegen die Lästerung des eigenen Glaubens. Allerdings wird der Vortrag auch zeigen, dass im Alltag des vormodernen Europa zugleich eine merkwürdige Toleranz gegen gotteslästerliche Äußerungen existierte. Mit der Aufklärung erhöhten sich dann – mit der wachsenden Meinungsfreiheit - die Spielräume blasphemischen Sprechens und Schreibens. Zugleich aber wurde in der damaligen Zeit der Grundstein gelegt für ein Verständnis von Gotteslästerung, das die Verletzung der religiösen Gefühle der „Anderen“ ins Zentrum rückt. Dieses Verständnis ist bis heute dominant und hat in jüngster Zeit zu heftigen globalen Konflikten geführt.