03.03.2023

Für eine schnellere Energiewende: Mit KI werden Windenergieanlagen nachhaltiger

Gruppenfoto mit Wissenschaftlern des Konsortiums Kiwi
© Tobias Meyer (IWES)Gruppenfoto im Rahmen einer Kick-Off-Veranstaltung am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) in Bremerhaven am 27.01.2023, von links nach rechts: Niklas Requate, Tobias Meyer (beide IWES), Bente Rathmann (P.E. Concepts), Johannes Fricke (IWES), Amine Othmane (Uni Saar), Marcus Wiens (IWES), Hannes Albers, Tobias Kluth (beide Uni Bremen), Kathrin Flaßkamp (Uni Saar), Philipp Thomas (IWES).

Klima- und Energiekrisen verdeutlichen, wie dringlich ein schnellerer und zuverlässigerer Ausbau erneuerbarer Energien ist. Windenergie leistet bereits jetzt einen wichtigen Beitrag zur Stromerzeugung und spielt eine zentrale Rolle für das Gelingen der Energiewende. In naher Zukunft werden jedoch viele Windenergieanlagen in Deutschland und Europa ihre geplante Lebensdauer erreichen. Wie diese länger genutzt werden können, untersucht nun ein Konsortium unter der Koordination von Kathrin Flaßkamp.

Das Projekt „KI-Simulationskorrekturen zur Laufzeitverlängerung von Windenergieanlagen“, kurz KIWi, wird mit 873.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Windenergieanlagen werden üblicherweise für eine Laufzeit von 20 Jahren ausgelegt und erhalten für diese Zeitspanne eine Betriebserlaubnis. Im Jahr 2025 wird rund die Hälfte der bereits heute bestehenden Windenergieanlagen im Nordosten Deutschlands dieses Alter erreicht haben; ihre Betriebserlaubnis erlischt dann. Würde ihr Betrieb eingestellt, wären die Ausbauziele der Energiewende noch schwieriger zu erreichen.

Ein Konsortium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität des Saarlandes, der Universität Bremen und des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES in Bremerhaven möchte daher gemeinsam mit den Industriepartnern P.E. Concepts GmbH und marpitec GmbH herausfinden, wie die Lebensdauer von Windenergieanlagen verlängert werden kann. „Ein beschleunigter Zubau ist zum einen notwendig, um die Ausbauziele für Windenergie an Land und auf See zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch wünschenswert, wenn die bestehenden Anlagen zusätzlich länger als ursprünglich geplant betrieben werden können. Zum einen leisten sie dann einen wichtigen Beitrag zur Stromerzeugung und Energiewende, zum anderen spart man wertvolle Rohstoffe, die man für den Bau neuer Windenergieanlagen aufbringen müsste“, erklärt Dr. Tobias Meyer vom Fraunhofer IWES. Denn der „ökologische Fußabdruck“ einer Windenergieanlage wird maßgeblich durch die Herstellung und Errichtung erzeugt; im Betrieb sind die Anlagen nahezu klimaneutral. Es ist also sinnvoll, sie so lange wie möglich zu betreiben, um den Ressourcenverbrauch zu verringern.

Möchte der Betreiber im Anschluss an die üblicherweise auf 20 Jahre ausgelegte Laufzeit eine Weiterbetriebserlaubnis erhalten, wird dies unter anderem auf der Grundlage von zahlreichen Computersimulationen gemacht, die unterschiedliche Ermüdungslasten durchrechnen. Diese Simulationen sind jedoch sehr rechen- und zeitintensiv, und trotzdem aufgrund verbleibender Ungenauigkeiten der Modelle nur von begrenzter Aussagekraft.  Der Ansatz des Projektteams besteht nun darin, mithilfe von künstlicher Intelligenz die Simulationsverfahren in Geschwindigkeit und Genauigkeit zu verbessern. „Wir kombinieren klassische modellbasierte Verfahren mit Methoden der künstlichen Intelligenz, um effiziente Simulations-Algorithmen zu entwerfen”, erläutert Dr. Amine Othmane, Mitarbeiter am Lehrstuhl von Kathrin Flaßkamp, der das Projekt ebenfalls federführend betreut.

Auch muss man bei Lebensdauersimulationen berücksichtigen, dass die genutzten mathematischen Modelle zur Beschreibung der Anlagen und ihrer Umgebungen generisch und fehlerbehaftet sind, etwa wegen schwer rekonstruierbarer Windverhältnisse. Die Ergebnisse der Simulationen sind also mit großen Unsicherheiten behaftet. „Wir möchten in unserem Verbundprojekt die mathematische Forschung zur Verbesserung solcher ungenauen Modelle entscheidend vorantreiben, um bessere Vorhersagen zu erreichen“, so Prof. Dr. Kathrin Flaßkamp.

Am Ende bedeutet dies nichts anderes, als dass die Windenergieanlagen länger sicher laufen könnten. Die Fortschritte, die das Konsortium im Blick hat, spielen sich dabei einerseits auf dem Gebiet der mathematischen Grundlagenforschung ab, andererseits – durch die Beteiligung des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES sowie der beiden Industriepartner – auf der technischen Anwendungsseite.

Das Projekt „KIWi: KI-Simulationskorrekturen zur Laufzeitverlängerung von Windenergieanlagen“ wird für 3 Jahre (Laufzeit vom 01.11.2022 bis zum 31.10.2025) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt rund 873.000 Euro gefördert. Davon fließen zirka 282.000 Euro an die Universität des Saarlandes.

Weitere Informationen:
Dr.-Ing. Amine Othmane
E-Mail: amine.othmane(at)uni-saarland.de

Prof. Dr. Kathrin Flaßkamp
Tel.: (0681) 3023769
E-Mail: kathrin.flasskamp(at)uni-saarland.de

Profil Fraunhofer IWES:
Das Fraunhofer IWES sichert Investitionen in technologische Weiterentwicklungen durch Validierung ab, verkürzt Innovationszyklen, beschleunigt Zertifizierungsvorgänge und erhöht die Planungsgenauigkeit durch innovative Messmethoden im Bereich der Wind- und Wasserstofftechnologie. Derzeit sind mehr als 300 Wissenschaftler*innen und Angestellte sowie über 100 Studierende an neun Standorten beschäftigt: Bochum, Bremen, Bremerhaven, Görlitz, Hamburg, Hannover, Leer, Leuna und Oldenburg.
www.iwes.fraunhofer.de

Profil Universität Bremen:
Die Universität Bremen ist mit einem Team von PD Dr.-Ing. Tobias Kluth vom Zentrum für Technomathematik beteiligt. Die Forschungsschwerpunkte liegen in den inversen Problemen mit Fokus auf Anwendungen in der mathematischen Bildgebung, Modellierung und Parameteridentifikation in Differentialgleichungen. In dem Kontext werden in dem Team sowohl modellbasierte als auch datenbasierte Ansätze an der Schnittstelle zum maschinellen Lernen entwickelt und angewendet.