28.11.2023

Alzheimer-Forschung: Studie deckt bisher unbekannte Abläufe im Fettstoffwechsel auf

Portraitfotos beider Professoren
© SRH Hochschule für Gesundheit/Universität des SaarlandesDie Alzheimerforscher Professor Marcus Grimm (l.) und Professor Tobias Hartmann

Neue Erkenntnisse zur Entstehung von Alzheimer könnten zu neuartigen Therapieansätzen beitragen und helfen, der Krankheit vorzubeugen: Eine Studie der Alzheimerforscher Marcus Grimm und Tobias Hartmann am Campus Rheinland der SRH Hochschule für Gesundheit in Leverkusen und der Universität des Saarlandes hat eine Wechselwirkung im Fettstoffwechsel des Körpers aufgezeigt, die eine wichtige Rolle bei der Erkrankung spielen könnte. Ernährung und Faktoren wie das Rauchen spielen hierbei eine Rolle.

Gemeinsame Presseinformation von Universität des Saarlandes und SRH Hochschule für Gesundheit
English version and press photographs below

Die Alzheimer-Krankheit, eine der häufigsten Formen von Demenz, betrifft weltweit Millionen von Menschen. Alzheimer-Patienten verlieren ihr Gedächtnis, ihre Orientierung, sie haben Sprachstörungen und sind zunehmend verwirrt. Bislang ist die Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn absterben, nicht heilbar. Bei der Entstehung von Alzheimer laufen im Körper millionenfach winzige Prozesse in den Körperzellen ab. Bestimmte Ketten von Befehlen und Signalen werden abgegeben – ein in höchstem Maße kompliziertes Zusammenspiel, an dem viele Protagonisten beteiligt sind. An diesem Zusammenspiel forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit: Wer weiß, was genau bei der Entstehung von Alzheimer im Körper abläuft, kann versuchen, in diese Prozesse einzugreifen, sie zu verlangsamen oder bestenfalls sie zu stoppen.

Eine Schlüsselrolle bei Alzheimer spielt ein bestimmtes Eiweiß: das sogenannte Beta-Amyloid. Während bei Gesunden der Körper dieses Eiweiß einfach abbauen kann, kommt es bei an Alzheimer erkrankten Menschen zu Verklumpungen, die sich im Gehirn zwischen den Nervenzellen ablagern. „Dieses kleine Eiweiß Beta-Amyloid sammelt sich in Plaques im Gehirn von Patienten an. Es ist ein Schlüsselelement in der Entwicklung von Alzheimer und führt zu Neurodegeneration“, erklärt der Ernährungsexperte Professor Marcus Grimm. Er lehrt und forscht am Campus Rheinland der SRH Hochschule für Gesundheit in Leverkusen und an der Universität des Saarlandes, wo er eng mit Professor Tobias Hartmann zusammenarbeitet, der auf dem Medizin-Campus im saarländischen Homburg das Deutsche Institut für Demenzprävention leitet. Marcus Grimm leitet an diesem Institut ein molekular- und zellbiologisches Forschungslabor.

Einem Zusammenhang mit der Ernährung sind die Alzheimerforscher Hartmann und Grimm schon seit langem auf der Spur, jetzt hat ihr Forschungsteam hierfür neue Anhaltspunkte gefunden. Den Forscherinnen und Forschern ist es gelungen, einen bislang unbekannten Ablauf im Körper nachzuweisen, der zu Alzheimer führen kann: ein Mechanismus, der mit den Prozessen im Fettstoffwechsel zusammenhängt. Sie fanden heraus, dass die Produktion des Eiweißes Beta-Amyloid die Menge von bestimmten Fetten, vor allem der sogenannten Sulfatide, beeinflusst und auch umgekehrt: dass die Menge an Sulfatiden wiederum die Menge dieses Eiweißes beeinflusst – eine folgenreiche Wechselwirkung: Der Sulfatid-Spiegel ist im Gehirn von Alzheimer-Patientinnen und -Patienten verringert und das Beta-Amyloid erhöht.

„Unsere Studie zeigt eine bisher unbekannte physiologische Funktion der Verarbeitung des Amyloid-Vorläuferproteins, des sogenannten APP, die eine wesentliche Rolle bei der Regulation des Fettstoffwechsels, insbesondere der Sulfatide im Gehirn, spielt. Sulfatide sind spezielle Fette, welche sowohl über die Nahrung aufgenommen als auch vom Körper selbst hergestellt werden können“, erläutert Marcus Grimm, der an der SRH Hochschule für Gesundheit den Bachelor Ernährungstherapie und -beratung sowie den Master Medizinische Ernährungswissenschaft und Ernährungstherapie leitet. „Wir konnten in Experimenten nachweisen, dass die Beta-Amyloid-Produktion die Menge an Sulfatiden beeinflusst und umgekehrt. Unseren Ergebnissen zufolge kommt es bei der Spaltung des Vorläuferproteins zu Beta-Amyloid zur Freisetzung eines weiteren Proteinfragments: des sogenannten AICD. Dieses AICD wiederum hemmt die Produktion des zentralen Enzyms Gal3st1/CST der körpereigenen Sulfatid-Synthese“, erklärt der Alzheimerforscher die komplexen Prozesse, die in den Körperzellen von Patienten ablaufen.

Besonders interessant ist der Einfluss, den vor diesem Hintergrund die Ernährung und auch der Lebensstil bei der Erkrankung hat. „Faktoren wie Rauchen können die Sulfatidspiegel negativ beeinflussen, während eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K oder der Verzehr mancher Meeresfrüchte sich positiv auswirken können. Diese Erkenntnisse eröffnen potenzielle Ansatzpunkte für präventive und therapeutische Strategien im Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit“, sagt der Professor für Demenzprävention Tobias Hartmann. „Die Studie unterstreicht die Bedeutung eines funktionierenden Regelkreises zwischen Sulfatidhomöostase und Beta-Amyloid. Bei Alzheimer-Patienten ist dieser Regelkreis den neuen Erkenntnissen nach gestört“, sagt er. Die neuen Einblicke in die Abläufe im Körper bei der Entstehung von Alzheimer eröffnen neue Perspektiven für die Behandlung der Erkrankung.

Die Forscher veröffentlichen ihre Erkenntnisse zur Beziehung zwischen dem Amyloid-Vorläuferprotein und dem Fettstoffwechsel im Journal "Cell Chemical Biology".
Originalpublikation:
A bidirectional link between sulfatide and Alzheimer’s disease
Valerie Christin Zimmer, Anna Andrea Lauer, Viola Haupenthal, Christoph Peter Stahlmann, Janine Mett, Sven Grösgen, Benjamin Hundsdörfer, Tatjana Rothhaar, Kristina Endres, Matthias Eckhardt, Tobias Hartmann, Heike Sabine Grimm, Marcus Grimm
https://www.sciencedirect.com/journal/cell-chemical-biology/articles-in-press
https://doi.org/10.1016/j.chembiol.2023.10.021

Hintergrund
Die Arbeitsgruppe um die Alzheimerforscher Professor Tobias Hartmann und Professor Marcus Grimm hat bereits in einer Vielzahl von international beachteten Studien neue Erkenntnisse zum Zusammenhang von Ernährung und Alzheimer vorgelegt. Professor Tobias Hartmann leitet unter anderem das große europäische Forschungskonsortium LipiDiDiet, das die therapeutischen und präventiven Auswirkungen von Nahrungsfetten auf die neuronale und kognitive Leistung bei Alterung, Alzheimer und vaskulärer Demenz erforscht.

Fragen beantworten:
Prof. Dr. Marcus Grimm: Tel.: +49 (0) 3657734070; oder +49 (0)6841-164792; E-Mail: marcus.grimm(at)srh.de
https://www.srh-gesundheitshochschule.de/unsere-hochschule/hochschulteam/marcus-grimm
Prof. Dr. Tobias Hartmann: Tel: +49 (0) 6841 16479-18;  E-Mail: tobias.hartmann(at)uks.eu
https://didp.org

Pressefotos zum Download:
Die Pressefotos können Sie mit Namensnennung des Fotografen als Fotonachweis honorarfrei in Zusammenhang mit dieser Pressemitteilung und der Berichterstattung über die Universität des Saarlandes verwenden.

Englische Version dieser Pressemitteilung:

Joint press release from Saarland University and SRH University of Applied Health Sciences

Alzheimer's research: New study uncovers previously unknown processes in fat metabolism

New insights into the pathogenesis of Alzheimer's disease could unlock novel therapeutic approaches and help to prevent the disease. A study led by Professors Marcus Grimm and Tobias Hartmann at the Rhineland Campus of the SRH University of Applied Health Sciences in Leverkusen and at Saarland University has shed light on a bidirectional interaction in the body's fat metabolism that could play an important role in the development of the disease. Dietary and other lifestyle factors such as smoking also play a role. The research team has published its findings on the relationship between the amyloid precursor protein and fat metabolism in the journal 'Cell Chemical Biology'.

Alzheimer's disease is one of the most common forms of dementia, affecting millions of people worldwide. Patients with Alzheimer's lose their memory, become disoriented, suffer speech and language impairments and become increasingly confused as the disease progresses. The disease, in which nerve cells in the brain become damaged and die, is currently incurable. As the disease develops, countless biochemical processes involving highly complex sequences of commands and signals take place inside the body's cells. Scientists around the world are currently engaged in research into these complex neural pathways. Understanding what is happening in the body when Alzheimer's develops offers a chance to intervene and to slow, or ideally stop, the processes involved.

One protein that is known to play a key role in Alzheimer's disease is the amyloid-beta peptide. In the body of a healthy person, these proteins can be simply broken down. However, in those suffering from Alzheimer's, they clump together to form 'plaques' that are deposited between the nerve cells of the brain. 'This small amyloid-beta protein accumulates in the form of hardened plaques within a patient's brain. Amyloid-beta is a key element in the development of Alzheimer's and leads to neurodegeneration,' explains nutrition specialist Professor Marcus Grimm, who teaches and researches at the Rhineland Campus of the SRH University of Applied Health Sciences in Leverkusen and at Saarland University, where he collaborates closely with Professor Tobias Hartmann, who heads the German Institute for Dementia Prevention on the university's medical campus in Homburg, Saarland. Marcus Grimm heads a molecular and cell biology research lab at the Homburg institute.

Professors Hartmann and Grimm have long been on the trail of how Alzheimer's and diet are connected, and their research team has now found new evidence supporting just such a link. The team has succeeded in identifying a previously unknown mechanism in the body's fat metabolism that can lead to the development of Alzheimer's. They discovered that the production of the amyloid-beta protein influences the synthesis of certain fats, particularly a class of lipids known as sulfatides, and, conversely, that the quantity of sulfatides mediates the amount of amyloid-beta. This bidirectional interaction is of potentially major significance in Alzheimer's research, as the level of sulfatides is known to be depleted and the level of amyloid-beta elevated in the brains of Alzheimer's patients.

'Our study has identified a previously unknown physiological aspect of how the amyloid precursor protein (APP) is processed, and this is significant because APP plays a key role in regulating the metabolism of lipids, particularly sulfatides, in the brain. Sulfatides are special fats that are present in the food we eat but that can also be produced by the body itself,' explained Marcus Grimm, who at SRH University of Applied Health Sciences also heads the Bachelor's degree programme in Nutrition Therapy and Nutrition Counselling and the Master's degree programme in Medical Nutrition Science and Nutrition Therapy. 'We have been able to demonstrate experimentally that amyloid-beta production influences the amount of sulfatides and vice versa. Our results show that the cleavage of the precursor protein to produce amyloid-beta also leads to the release of another protein fragment called AICD. AICD in turn inhibits expression of the enzyme Gal3st1/CST, which plays a central role in the body's own sulfatide synthesis,' said Grimm, explaining the complex metabolic processes that occur in the cells of Alzheimer's patients.

Of particular interest to the researchers is the impact that diet and lifestyle may have on the disease. 'Factors such as smoking can have a negative effect on sulfatide levels, whereas ensuring the body has an adequate supply of vitamin K or eating certain types of seafood can have a positive effect. These findings suggest possible approaches to developing preventive and therapeutic strategies in the fight against Alzheimer's disease,' said Professor of Experimental Neurology Tobias Hartmann. 'Our study emphasizes the importance of an intact biochemical circuit that regulates sulfatide homeostasis and amyloid-beta production and shows that this regulatory circuit is disrupted in Alzheimer's patients.' The new insights that this research offers into the physiological processes that accompany the development of Alzheimer's may open up new avenues in the treatment of the disease.

Original publication:
A bidirectional link between sulfatide and Alzheimer’s disease
Valerie Christin Zimmer, Anna Andrea Lauer, Viola Haupenthal, Christoph Peter Stahlmann, Janine Mett, Sven Grösgen, Benjamin Hundsdörfer, Tatjana Rothhaar, Kristina Endres, Matthias Eckhardt, Tobias Hartmann, Heike Sabine Grimm, Marcus Grimm
https://www.sciencedirect.com/journal/cell-chemical-biology/articles-in-press
https://doi.org/10.1016/j.chembiol.2023.10.021

Background
The Alzheimer's research group led by Professor Tobias Hartmann and Professor Marcus Grimm has published a number of internationally recognized studies that present new findings on the link between nutrition and Alzheimer's disease. Professor Hartmann heads the large European research consortium LipiDiDiet, which is investigating the therapeutic and preventive effects of dietary fats on neuronal and cognitive performance in ageing, Alzheimer's and vascular dementia.

Questions can be addressed to:
Prof. Dr. Marcus Grimm: Tel.: +49 365 773 4070 or +49 (0)6841-164792
Email: marcus.grimm(at)srh.de
https://www.srh-gesundheitshochschule.de/unsere-hochschule/hochschulteam/marcus-grimm
Prof. Dr. Tobias Hartmann:
Tel.: +49 6841 16479-18; Email: tobias.hartmann(at)uks.eu
https://didp.org/

Press photographs:
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