28.01.2025

Studierende entdecken bei Exkursion nach Paris das Museum für Einwanderungsgeschichte

Am 18. Januar 2025 unternahmen Dr. Agnieszka Hudzik, Mitglied des Nachwuchskollegs Europa und Dr. Anna Khalonina (Université Polytechnique Hauts-de-France) mit Studierenden des Seminars „Imagining Inclusive Communities in European Culture“ eine Studienreise nach Paris, um im Musée de l'histoire de l'immigration die Geschichte der Einwanderinnen und Einwanderer nach Frankreich nachzuvollziehen.

Exkursionsbericht
Von Fabio Montalto (3. Semester Bachelor Europawissenschaften)

Am 18. Januar 2025 unternahm eine Gruppe von Studierenden und Forschenden des Clusters für Europaforschung (CEUS) einen inspirierenden Tagesausflug nach Paris. Die Studienreise war Bestandteil des Seminars „Imagining Inclusive Communities in European Culture“, das Dr. Agnieszka Hudzik vom Nachwuchskolleg Europa und Dr. Anna Khalonina von der Université Polytechnique Hauts-de-France in Valenciennes als ein Co-Teaching-Lehrprojekt im Wintersemester 2024/2025 veranstalten, und wurde vom Internationalisierungsfonds der Universität des Saarlandes gefördert. Ziel der Exkursion war es, die Ausstellung im Musée national de l'histoire de l'immigration unter dem Aspekt kulturtheoretischer Konzepte und mithilfe diskursanalytischer Methoden zu untersuchen und sich dabei mit den Themen Migration und Inklusion in europäischen Einwanderungsgesellschaften am Beispiel Frankreichs auseinanderzusetzen.


Unsere Reise begann mit einer pünktlichen Abfahrt um 9:00 Uhr in Saarbrücken. Nach einer angenehmen Zugfahrt mit Geschwindigkeiten von bis zu 320 km/h erreichten wir gegen 11:00 Uhr Paris Est und machten uns mit der Metro auf den Weg zum Museum. Es ist eine relativ junge Institution, die erst 2014 offiziell vom französischen Präsidenten François Hollande eröffnet wurde. Bereits 2007 wurde es für das Publikum zugänglich gemacht, doch der damalige Präsident Nicolas Sarkozy verweigerte seine Anwesenheit bei der Eröffnung. Das beeindruckende Museumsgebäude – das Palais de la Porte Dorée – ist hingegen viel älter. Es wurde ursprünglich 1931 für die Kolonialausstellung errichtet und erzählt bereits durch seine Architektur und die Fresken im Inneren eine ganz eigene Geschichte. Ursprünglich zur Präsentation der europäischen Kolonien geschaffen, bot es eine verzerrte Darstellung dieser Kulturen.

In der Eingangshalle gab uns der mitgereiste Dr. Alexander Stöger vom Nachwuchskolleg Europa, ein Experte für Museumsdiskurse, Einblicke in die Verflechtungen zwischen kolonialer Propaganda und den Weltausstellungen. Es ist ein eindrucksvoller Kontrast, dass dieser Palast, der einst die Überlegenheit der Kolonialmächte propagierte, heute die Vielfalt der französischen Gesellschaft feiert.


Es ist kaum möglich, die über 1000 m² große Dauerausstellung, die mehrere Themenschwerpunkte verfolgt, in wenigen Sätzen zusammenzufassen. In den ersten Ausstellungsräumen wird die Verbindung zwischen Immigration und Kolonialismus deutlich. Der Code Noir, ein Dekret des Königs Ludwig XIV., regelte erstmals 1685 das Schicksal von Millionen von Sklaven und leitete damit eine der ersten großen Migrationsbewegung der Neuzeit ein. Eine der weiteren Zäsuren war die Französische Revolution, die zu einer drastischen Bevölkerungsschrumpfung führte, wodurch die Immigration nötig wurde. Ein wichtiger Punkt war dabei, zu definieren, was die Voraussetzungen für eine französische Bürgerschaft sein sollten. In den nächsten Sälen folgten mehrere eindrucksvolle Biografien von Migrantinnen und Migranten, die in den folgenden Jahrzehnten trotz aller soziologischen, politischen und kulturellen Hindernisse ihren Weg beschritten und ihre Geschichte in ihrer neuen Heimat geschrieben hatten. Auch ihre Schicksale sind Teil der Geschichte Frankreichs.

Es ist hervorzuheben, dass die Ausstellung multimedial gestaltet ist und neben historischen Objekten viele Kunstwerke enthält. Ein Musikraum zeigt, wie die Einwanderung die französische Musikindustrie bereicherte. Der letzte Teil der Ausstellung thematisiert explizit die Hürden, die noch überschritten werden müssen, nämlich Rassismus, Ausgrenzung, Diskriminierung, Stigmatisierung und Vorurteile, mit denen Menschen mit Migrationsgeschichte in Frankreich bis heute zu kämpfen haben. 


Nach einem gemeinsamen Mittagessen im Museum zog es uns ins Herz von Paris. Durch die verschachtelten Tunnel der Pariser Metro ging es dann durch das charmante Viertel Le Marais. Unser nächster Punkt im Programm war das in der letzten Zeit in den Medien heikel diskutierte Theater La Gaîté Lyrique, das seit Mitte Dezember auch zu einem Symbol für die jüngste Geschichte der Immigration geworden ist. Ein Banner über dem Eingangstor informierte darüber, dass hier rund 250–300 minderjährige obdachlose Geflüchtete das Theater besetzt hatten, um auf die fehlende staatliche Unterstützung aufmerksam zu machen. In unserem Gespräch reflektierten wir darüber, wie die mediale Darstellung und die Wahl der Worte, vor allem zur Bezeichnung der Personen im Gebäude, politisiert werden und wie sie die öffentliche Meinung prägen können. In eisiger Kälte, während der Atem gefror, standen wir einigen dort übernachtenden jungen Menschen gegenüber, die am Eingangstor frische Luft schnappen wollten. Zwischen uns nur eine kleine Treppe. Hier waren die migrantischen Schicksale, die Frankreich in seinem Museum nicht zeigte. Hier waren junge Leben, die kein Zurück mehr hatten und auch kein Vorwärts. Nach dieser eindrucksvollen Begegnung setzten wir unseren Weg fort.

Unser nächstes Ziel war das Institut des cultures d'Islam (ICI Léon). Schon auf dem Weg dahin wurde uns klar, dass Paris kulturell unglaublich vielfältig ist. Neben Chinatown im Süden prägt im Norden der Stadt eine lebendige schwarzafrikanische Community das Stadtbild. Ihr pulsierender Wochenmarkt rund um die Station Château Rouge, den wir passierten, bot uns einen bunten Mix aus Farben, Düften und kulturellen Eindrücken.

Im ICI Léon gab es eine kleine Ausstellung, die uns zeitgenössische Kunst präsentierte. Nach unserem Rundgang kamen wir schließlich an einem Tisch zusammen und besprachen bei einem Workshop die Ausstellungsrezensionen, die wir als Seminarleistung zu schreiben haben. Dabei ließen wir den Tag noch einmal Revue passieren. Wir unterhielten uns über die Darstellung der Migration im Museum und die inspirierenden migrantischen Geschichten, über den Kampf für gleiche Rechte, für die sich auch studentische Proteste einsetzten, über die Vergessenen, die das Theater momentan bewohnen, und schließlich über die Impressionen nach der Kunstausstellung. Wir diskutierten, wie sich die Migrationsdebatte entwickelt hatte und welche Schritte in die Zukunft getan werden müssen.

Unser Weg zurück zum Bahnhof war ruhig. Umzingelt von den faszinierenden Fassaden von Paris, die in der Dämmerung ein orange-gelbes Licht annahmen, ließen wir noch einmal die Stadt in uns wirken. Wir hatten Paris von einer neuen Seite erlebt – und das ganz ohne Eiffelturm.