Workshop November 2024

Am 20. und 21. November 2024 fand der nunmehr 13 Workshop des trinationalen Doktorandenkollegs statt. Die rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen in Saarbrücken zusammen, um sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem Jahresschwerpunkt „Kulturdiagnosen“ und der Geschichte der Universität des Saarlandes auseinanderzusetzen sowie sich über verschiedene Fragen der laufenden Forschungsprojekte auszutauschen.
 

Nach der Begrüßung durch Dietmar Hüser (Universität des Saarlandes) sprach Raphaël Pernoud (Sciences Po Strasbourg). Pernoud bearbeitet eine Teilstudie des DFG-ANR-Projekts Deindustrialisierung in Frankreich und Deutschland. Erfahrungen und Emotionen von den 1960er-Jahren bis heute. The Unmaking of the Working Class? Mit Blick auf den Jahresschwerpunkt des Kollegs wählte Pernoud einen medienhistorischen Zuschnitt. In seinem Vortrag Médias et mouvements sociaux : le cas de l’opposition à la désindustrialisation en France et en Allemagne fokussierte er die Fernsehberichterstattung zu Arbeiterstreiks in der Viskosefabrik Cellatex in Givet (Ardennen) und dem Kalibergwerk in Bischofferode (Thüringen). 

Birgit Metzger (Universität des Saarlandes) richtete in ihrem Kommentar vor allem den Blick auf die Frage, wie die an sich alte Arbeiterbewegung im Zeitalter der neuen sozialen Bewegungen agierte und wahrgenommen wurde. In der anschließenden Diskussion wurde klar, dass das Framing der beiden Streiks stark differierte: drohten die französischen Arbeiter mit der Verschmutzung der Maas, was einen internationalen Aufschrei der Missbilligung hervorrief, traten die Arbeiter in Bischofferode hingegen in den Hungerstreik. Die Berichterstattung aus Thüringen war geprägt von den Bildern der entkräfteten Männer, die von ihren Familien unterstützt wurden. Wesentlich war für den Streik in Thüringen auch die besondere politische Rahmung: Mit Blick auf den Strukturwandel Ost kamen in der Fernsehberichterstattung Stimmen zu Wort, die eine Unterstützung in Form von Bundesmitteln forderten. Die Berichterstattung interferierte also mit der jeweiligen Protestform und den lokalen Kontexten. 


Der zweite Tag des Kollegtreffens startete mit dem Beitrag von Junes Arib (Universität des Saarlandes) zu Raumfahrt-Popularisierung transnational. Das Space Race in der deutschen und französischen Öffentlichkeit, 1957–1972. Innerhalb der vorgelagerten Gruppenarbeit wurde deutlich, mit welcher Vielfalt an Quellen und Thematiken das kürzlich gestartete Dissertationsprojekt umgeht – so wurde beispielsweise die „Rolle der Frau“ in der Mediatisierung des Space Race genauer betrachtet. In seinem Vortrag konstatierte Arib, dass eine „dritte Perspektive“ – neben den USA und der UdSSR – zu eröffnen sei, die das Phänomen des „Wettrennen ins All“ aus europäischer Perspektive erörtere. Der hermeneutische Zugriff des Forschungsdesigns erfolge über fünf Spannungsfelder, so z. B. Krieg – Frieden, Realität – Fiktion sowie Utopie – Dystopie. Der Quellenkorpus setzte sich v. a. aus Artikeln der Tagespresse, Kinofilmen, Fernsehformaten und Comics aus Deutschland und Frankreich zusammen. Matthias Höfer (Université du Luxembourg) eröffnete seinen Kommentar mit einer gegenwärtigen Parallele; so sei aus dem Wettrennen zum Mond ein Wettrennen zum Mars geworden. Höfers Bezugnahme auf die Herausforderung des Projekts, die verschiedenen Einflüsse und wechselseitigen Bezugnahmen in Deutschland und Frankreich zu untersuchen, wurde auch in der Diskussion weiter verfolgt. 


Um nicht nur den vielen „neuen“ Gesichtern des Kollegs einen Überblick über die Geschichte der Universität des Saarlandes zu gewähren, konnte Thilo Offergeld (Universität des Saarlandes) gewonnen werden. Während der Campusführung erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor allem Einblicke in die Frühphase der Universitätsgeschichte und erfuhren, wie der frühere Exerzierplatz der Below-Kaserne zur Universität heranwuchs. Der Leiter der Arbeitsstelle der Universitätsgeschichte machte in diesem Zusammenhang auch auf das „Phänomen der leeren Flächen“ aufmerksam: Die nationalsozialistischen Symbole wurden vom Torbogen entfernt, aber nicht ersetzt. Hingegen wurde Torque, die Skulptur des US-amerikanischen Bildhauers Richard Serra, zu einem heftig diskutierten Symbol der UdS. Einen besonderen Blick auf den Campus konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vom Turm der SULB werfen – dem ersten Hochhaus des Saarlandes.


Dietmar Hüser und Melanie Bardian (Universität des Saarlandes) nahmen den Ausklang der derzeitigen Förderperiode und die erfolgreiche Evaluation des zweiten Folgeantrags durch die Deutsch-Französische Hochschule zum Anlass, Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf die kommende Förderphase zu werfen. Erfreulich die konstante Zahl der eingeschriebenen Doktorandinnen und Doktoranden im Kolleg und deren rege Teilnahme an den vergangenen Kollegtreffen und virtuellen Ateliers, an die es in Zukunft anzuknüpfen gilt. 2025 bis 2028 sind insbesondere diese Neuerungen zu konstatieren: Für die Workshops in Modul 2 wird es spezifischere Zugänge geben. Generell sollen die Workshops durch verschiedene Coachingangebote durch das Leitungsteam intensiviert werden.

Fabian Lemmes (Universität des Saarlandes) ist neben Rainer Hudemann (Universität des Saarlandes / Sorbonne Université) offiziell assoziiertes Mitglied des Leitungsteams, Emmanuel Droit (Sciences Po Strasbourg) nun viertes Mitglied des Leitungsteams. Gemeinsam mit Hélène Miard-Delacroix (Sorbonne Université) erläuterte Melanie Bardian abschließend die Unterstützungsmöglichkeiten, die den Promovierenden dank des Kollegs zur Verfügung stehen.

Beim öffentlichen Abendvortrag Eine außergewöhnliche Hochschulgeschichte: 75 Jahre Universität des Saarlandes von Thilo Offergeld (Universität des Saarlandes) konnte an das am Mittag Gesehene angeknüpft werden. Reichhaltig illustriert erfuhren die Zuhörerinnen und Zuhörer, wie die Hochschule zunächst in das Fahrwasser der besonderen saarländischen Geschichte geriet und in den 1950ern zu einer deutsch-französischen Institution mit europäischem Anspruch ausgebaut wurde. Nach der Wiedereingliederung des Saarlandes in den Bund wurde sie dann zu einer deutschen Landesuniversität, die gewisse Alleinstellungsmerkmale behaupten konnte – manchmal trotz, andere Male wegen der klammen Kassen des jüngsten alten Bundeslandes. Auch allgemeine politische Entwicklungen gingen natürlich nicht spurlos an der Universität des Saarlandes vorbei – so wurde 1968 auch der Saarbrücker Campus Schauplatz verschiedener Protestformen. Besonders hingegen die größte Demonstration der Universitätsgeschichte im Juli 1996: Erstmals protestierten Studierende gemeinsam und Bedienstete Seite an Seite, um sich gegen geplante Sparmaßnahmen zu stellen. Die anschließende Diskussion drehte sich vor allem um die Transformationszeit der Saaruni in den 1950ern; insbesondere stellte sich die Fragen, ob es anschließend zu einer „Germanisierung“ der Universität kam und wie außergewöhnlich die Geschichte der UdS seither war. Auch wurde die Standortproblematik erörtert: Wie können Forschende damit umgehen, wenn sie ihrem Untersuchungsgegenstand nahestehen?


Die Broschüre zur Veranstaltung können Sie hier einsehen. 

Das nächste Kollegtreffen ist vom 10. bis 11. April in Strasbourg geplant.

Impressionen