Gleittransfer von Versetzungen durch Korngrenzen untersucht mittels 3D-HR-EBSD an FIB geschnittenen Mikro-Biegebalken zur in-Situ Ermüdung
Zielsetzung: Entwicklung einer alternativen Methode zur Untersuchung von Versetzungsprozessen auf Basis der Berechnung des Nye- und Disclinationstensors.
Es sollte untersucht werden, inwiefern der Disclinationtensor Aufschluss über das Relaxationsverhalten von Korngrenzen geben kann. Dieser wurde beispielhaft für die Deformation einer Korngrenzen durch von einem Ermüdungsriss ausgesandten Versetzungen beobachtet.
Dazu werden dreidimensionalen Orientierungsdatensätzen aus HR-EBSD (High Resolution - Electron Back Scatter Diffraction)-Messungen aufgearbeitet, die mittels 3D-EBSD-Tomographie eines ermüdeten, bikristallinen Mikrobiegebalkens gemessen wurden (Abb. 1b).
Versuchsführung: Mittels FIB (FEI HELIOS-NanoLab6) wurde ein Mikrobiegebalken aus der Nickelbasis-Superlegierung CMSX4 so geschnitten, dass eine Korngrenze in der Mitte des Balkens entlang der Achse verläuft (Abb. 1a). Der angekerbte Biegebalken wurde dann in-situ im Rasterelektronenmikroskop (ZEISS SIGMA) mittels in-situ Nanoindenter (ASMEC UNAT2) ermüdet (Abb. 2a), bis die Rissspitze vor der Korngrenze positioniert war. Am Ende des Versuchs war der Balken maximal aufgebogen (Abb. 2b)
Anschließend wurde der Balken wieder im FIB (FEI HELIOS-NanoLab6) zur Stabilisierung mit Platin verfüllt und anschließend per „sclice and view“-Technik die in Abb. 2c markierte Fläche bzw. die dazu parallel verlaufenden Flächen darunter schichtweise abgetragen und per EBSD vermessen. Die Auswertung erfolgt mittels HR-EBSD, bei der nicht die Eulerwinkel der Messpunkte sondern die einzelnen Pattern miteinander verglichen werden. Da noch kein Verfahren zur HR-EBSD an dreidimensionalen Datensätzen zur Verfügung stand, wurde aus den für zweidimensionale Datensätze ausgelegten Methoden ein entsprechendes Verfahren entwickelt werden.
Ergebnis: Durch das beschriebene Verfahren konnte eine vollständige Rekonstruktion des tomographierten Volumens erzeugt werden. In Abb. 3a) sind die rekonstruierten Kornvolumina visualisiert. Zur Darstellung der Versetzungsaktivität wird jeweils der Nye-Tensor herangezogen (Spektralnorm, entspricht der KAM (Kernel Average Misorientation) bzw. HR-KAM, die jeweils die mittlere Misorientierung eines Punktes zu seinen acht bzw. im 3D-Fall 26 nächsten Nachbarn darstellen, Abb. 3b). Hier sind deutlich die plastischen Zonen zu je beiden Seiten der Rissspitze zu sehen, die wie ein Vergleich mit Abb. 3a) zeigt nur bis zur Korngrenze jedoch nicht über diese hinaus reichen. Jenseits der Korngrenze geht sämtliche Plastizität von einem vom Rissgrund ausgehendem Scherband aus.
Weitere Informationen:
- Zusammenfassung aus: J. Rauber: Untersuchung des Gleittransfermechanismus an Korngrenzen in kfz-metallenen oligo- und bikristallinen Proben mittels 2D- und 3D-HR-EBSD, Masterarbeit, Universität des Saarlandes, 2018