Projekt 1: Die Akropolis von Kaunos

Projekt 1:
Die Akropolis von Kaunos. Untersuchung zur Besiedlungsgeschichte und Funktion des Burgberges in archaischer und klassischer Zeit 

Seit Beginn der Grabungen in Kaunos im Jahre 1965 konnten immer neue Erkenntnisse zur Siedlungsgeschichte der Stadt gewonnen werden. Durch die Konzentration der Grabungsarbeiten auf das Hafengebiet wurde vor allem das hellenistisch-römische Stadtzentrum mit seinen öffentlichen Bauten erforscht (Abb. 1-2).

Trotz der langjährigen Forschungen blieben Fragen der kaunischen Stadtentwicklung unbeantwortet: Eine zentrale Frage ist dabei die nach der Lage und Struktur der archaischen Siedlung. Deren Existenz kann aufgrund zahlreicher archäologischer Funde sowie der Überlieferung bei Herodot als gesichert gelten.

2012 wurde ein neues an der Universität Saarbrücken angesiedeltes Projekt in Kooperation mit der Başkent Universität Ankara begonnen. Das Projekt widmet sich erstmals ausschließlich der Lokalisierung und Erforschung des archaischen Kaunos.

Im Fokus des Projektes steht zunächst die Akropolis von Kaunos. Der Burgberg hat als möglicher Siedlungsplatz bisher kaum Beachtung gefunden und dass, obwohl zahlreiche frühe Siedlungen in Karien auf Berggipfeln errichtet sind

In der ersten Kampagne 2012 wurde zunächst auf der Akropolis (Abb. 2-2a) und an deren Hängen ein umfassender Survey durchgeführt, der zum Teil von Grabungsarbeiten begleitet wurde(Abb. 3). Die Arbeiten wurden 2013 und 2014 fortgesetzt.

Die Akropolis gehört mit einer Höhe von 152 m (über NN) und den nahezu senkrecht abfallenden Felswänden im Süden zu den markantesten Geländepunkten in Kaunos. Zahlreiche mehr oder weniger hoch anstehende Mauerzüge, große Terrassenanlagen, ein Befestigungsring und die Reste eines Gipfelheiligtums (Abb. 3, A 20) sind bis heute sichtbar und wurden im Rahmen des Surveys dokumentiert. Durch das Anlegen von Grabungsschnitten eingehender erforscht wurden bisher die den Gipfel umgebende Befestigungsmauer sowie zwei der großen Terrassenanlagen (Abb. 1a-3 K1-K5, AT1 und AT3).

Die Befestigungsmauer verläuft etwa 35 m unterhalb des Gipfels entlang einer natürlichen Geländekante und umschliesst diesen an drei Seiten (im Osten, Norden und Westen). Durch die Arbeiten an der Mauer konnten archaische, klassische und spätantike Bauphasen voneinander unterschieden werden, die sich anhand der unterschiedlichen Mauertechniken identifizieren lassen:

Die frühe Phase bilden die unteren Mauerlagen des Befestigunsgürtels. Es wurde beobachtet, dass der anstehende Fels für die Aufnahme der ersten Fundamentblöcke abgearbeitet wurde. Die darüber liegenden Blöcke, meistens Polygone, sind ohne Lagenbildung aufeinader geschichtet, in die Zwischenräume der Blöcke sind öfters kleinere Steine eingeschoben, die der zusätzlichen Fixierung und Stabilisierung der Blöcke dienen. Die frühe Mauer ist zweischalig errichtet und besitzt eine Breite von ca. 1,8 m (Abb. 3a). Da sie dem natürlichen Gelände folgt, weist sie einen kurvigen Verlauf auf. Türme lassen sich dieser frühesten Phase nicht zuweisen  

Eine spätere Phase der Akropolismauer zeigt eine andere Mauertechnik. Statt der grob gesetzten Blöcke wurden polygonale Blöcke verbaut, deren Auflager gut bearbeitet sind, während die Fronten weniger fein geglättet erscheinen. Die Quader sind in grobe Lagen geschichtet und weisen einen engen Fugenschluss auf. An einigen Blöcken wurden Abarbeitungen vorgenommen, in die kleinere Blöcke passgenau eingefügt wurden (Abb. 3b).
Der in dieser Technik errichtete Mauerabschnitt kann aufgrund im Fundamentbereich geborgener Fragmente homogener attischer schwarzer Glanztonkeramik zu Beginn des zweiten Viertels des 5. Jhs. v. Chr. datiert werden. Aus dieser Datierung ergibt sich ebenfalls ein terminus ante quem für die frühere Mauerphase.

Die letzten Phase der Akropolismauer bildet die byzantinische Nutzung. Die byzantinische Mauer ist insgesamt schmaler und  unterscheidet sich in ihrer Konstruktion deutlich von den früheren Phasen durch das Baumaterial – Bruchsteine und zahlreiche Spolien –, die unter Verwendung von Ziegeln und reichlich Mörtel ohne Lagenbildung aufgeschichtet sind.

Nach den Mauern sind drei große Terrassenanlagen (AT1, AT3 und A20) die wichtigsten Befunde auf dem Burgberg. Die mit 36 x 14 m größte Terrasse A20 umgibt an allen vier Seiten den Gipfel der Akropolis (Abb.3). Die topographische Situation, der bauliche Befund sowie Funde, die bei ersten Reinigungsarbeiten zu Tage traten, sprechen dafür, in der Anlage ein Heiligtum zu sehen, womöglich das für Kaunos inschriftlich erwähnte Zeusheiligtum. 

Eine weitere Terrasse (AT1, Abb. 3) befindet sich unterhalb des Gipfels im Bereich des byzantinischen Eingangs zur Akropolis. Aus dem Schnitt auf der Terrasse konnte eine große Menge an Keramik geborgen werden, die im Zuge der Verfüllung in die Terrasse gelangte und somit für die Entstehung nur als terminus post quem verwendet werden kann (Abb. 7-8). Die Keramik stammt aus geometrischer, archaischer und klassischer Zeit, weshalb die Errichtung der Terrasse in spätklassischer Zeit wahrscheinlich ist. Die eindrucksvollste Terrassenanlage bildet AT3 (Abb. 3-4), die am Westabhang der Akropolis errichtet wurde und für in den kaunischen Hafen einfahrende Schiffe schon von Weitem sichtbar gewesen sein muss. Die Mauer terrassiert den Abhang dieser Seite in einer Länge von 41 m.
 
2013 und 2014 wurde auf der Terrasse Sondagen angelegt (Abb. 5-8), mit dem Ziel, einerseits die Terrasse zu datieren, andererseits aber auch mögliche Bauten auf der Terrasse zu identifizieren.

Dabei wurde ein Fundament in einer Länge von 7.5 m freigelegt, welches aus fein bearbeiteten Blöcken errichtet wurde und bis zu drei Lagen hoch erhalten ist. Für das Fundament wurde der Felsen stellenweise geglättet und das Fundament dann zwischen den anstehenden Felsen eingefügt. Die Fundamentierung zeigt, dass sich an dieser Stelle wahrscheinlich ein Gebäude erhob, dessen Anlage, Datierung und Funktion bisher noch unbekannt ist. Das Fundmaterial weist ein Spektrum von klassischer, hellenistischer, römischer und byzantinischer Zeit auf. Darunter ist eine klassische kaunische Münze aus dem frühen 4. Jh. v. Chr.

In Rahmen der Kampagnen 2012 bis 2014 wurden auch an den Abhängen der Akropolis Surveys durchgeführt. Während sich am steileren Nordhang nur wenige Befunde identifizieren ließen, zeigte sich, dass der untere Westhang intensiv genutzt worden ist. Hier wurden zahlreiche Terrassen entdeckt, die, wie die Mauertechniken belegen, aus verschiedenen Epochen der Stadt stammen. Ähnliches zeichnet sich auch bei der Keramik ab, die gesichtet wurde. Neben Fragmenten aus klassischer bis in byzantinische Zeit fanden sich auch zahlreiche Fragmente archaischer Keramik, wie zum Beispiel Reliefpithoi-Fragmente.

Fasst man die bisherigen Ergebnisse der drei Kampagnen zu den Befunden und Funden auf der Akropolis zusammen, stellt man fest, dass wir eine archaische Befestigungsmauer haben, die den Burgberg zum späteren Stadtgebiet hin abgrenzt. Weitere archaische Befunde auf dem Gipfel haben wir derzeit nicht, obwohl es möglich erscheint, dass einzelne Bauten, wie das Heiligtum auf dem Gipfel, auch eine archaische Phase besessen haben.

Anzunehmen ist ferner, dass die Akropolis in klassischer Zeit einen Ausbau erfahren hat, denn die größten Terrassen stammen vermutlich aus dieser Zeit (AT1; AT3). Ihre Anlage diente sicherlich auch repräsentativen Zwecken und mag im Zuge der Entwicklung von einer kleinen Siedlung zu einer Stadt erfolgt sein.  

Damit ist deutlich, dass wir eine größere archaische Siedlung – wie sie für das 6. Jh. v. Chr. anzunehmen ist –  auf dem Berggipfel nicht mit Sicherheit identifizieren können. Bemerkenswert ist jedoch die große Menge an archaischen Funden, die wir in den Sondageschnitten geborgen haben. Diese zeugen von regelmäßigen und zahlreichen menschlichen Aktivitäten in archaischer Zeit, was wiederum die Funktion der Akropolis als reine Fluchtburg ausschließt. 

Der Schlüssel könnte im Heiligtum auf dem Gipfel liegen. Womöglich war die Akropolis weniger Siedlungsplatz als vielmehr ein sakraler Ort, der jedoch in Gefahrenzeiten auch als Zufluchtsort für die Bevölkerung diente. Es kann natürlich aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass Bauten verschiedener Funktion und Größe dort bereits in archaischer Zeit standen.

Wahrscheinlicher ist, dass am Westabhang eine größere Siedlung bereits in archaischer Zeit bestanden hat. Der Westabhang bietet optimale klimatische Bedingungen, da dort vom Meer kommend eine regelmäßige Brise weht und die Häuser gen Westen ausgerichtet werden können.

Aufgrund der Kampagnen 2012 / 2013 /2014 haben wir a ein hypothetisches Modell für das archaische Kaunos entwickelt, bei dem die Wohnsiedlung am Westabhang der Akropolis liegt. Die Akropolis selbst war durch das Heiligtum häufig frequentiert und wurde im Falle eines Angriffs als Fluchtburg genutzt.  

Eine  solche Grundkonzeption wäre nicht ungewöhnlich. Zu denken ist hier zum Beispiel an die bekannte Siedlung Emporio auf Chios, die ebenfalls eine Hangsiedlung aufweist – die allerdings nicht befestigt ist – und eine Akropolis, in der neben dem Athenaheiligtum auch ein sicherlich öffentlich genutztes Gebäude, ein Megaron, errichtet war.

Die nächsten Kampagnen am Westhang des Burgberges werden zeigen, ob die frühe Siedlung von Kaunos tatsächlich am Westabhang liegt.



Lit.:
 

B. Özen-Kleine - S. Özen, Neue Forschungen in der antiken Stadt Kaunos, in: M. Koch (Hrsg.), Beiträge des internationalen Symposiums zur Archäologie in der Großregion 7.- 9. März 2014 in Otzenhausen (Nonweiler 2015) 75-91.

S. Özen - B. Özen-Kleine, Kaunos 2012 ve 2013 Akropol Kazɪ Çalɪşmalarɪ, in: K. Konuk – O. Henry (Hrsg.), Karia Arkhaia. La Carie, des origines à la période pré-hékatomnide. Internationales Symposium in İstanbul, 14.-16. November 2013 (Druck in Vorbereitung).


(Projektverantwortlich: Dr. Britta Özen-Kleine/ Dr. Soner Özen )