Forschungen in Kaunos
Die antike Stadt Kaunos
liegt im Südwesten der heutigen Türkei in der kleinasiatischen Landschaft Karien. Der Fluss Dalyan Çayı trennt die antike Siedlung vom modernen Dorf Dalyan, das am linken Flussufer gelegen zu den touristischen Orten in der Region gehört. Kaunos ist heute 3 km vom Meer entfernt, doch lässt die große Schilffläche zwischen Stadt und Küste erkennen, dass Kaunos in der Antike eine Hafenstadt war. Der antike Hafen zeichnet sich noch deutlich im Sülüklü-See ab.
Die Ruinenstätte wurde bereits 1840 von R. Hoskyn aufgrund einer Inschrift mit Kaunos identifiziert. Erst G.E. Bean beging die Stadt zwischen 1946 und 1952 eingehender und beschrieb die Bauten im Stadtzentrum. 1965 begann Prof. Dr. Baki Öğün (†) archäologische Ausgrabungen in Kaunos, die – von 2000 bis 2020 unter Leitung von Prof. Dr. Cengiz Işık (Başkent Universität Ankara) – bis heute fortgeführt werden.
Im Rahmen der nun seit über 50 Jahren stattfindenden Grabungen in Kaunos konnte das hellenistisch-römische Stadtzentrum sowie die wichtigsten Heiligtümer von Kaunos freigelegt und der antike Bestand restauriert bzw. konserviert werden. Zu den bedeutendsten Bauten gehören die Stoa und das Brunnenhaus auf der Hafenagora, die Palästraterrasse mit den römischen Thermen sowie das Theater. Zahlreiche Statuenbasen und Ehrenmonumente aus hellenistisch-römischer Zeit zeugen von der Bedeutung der Stadt in dieser Zeit.
Durch die Arbeiten in den Heiligtümern im Stadtzentrum, zu nennen sind hier das Apollonheiligtum, das Heiligtum auf der sog. Tempelterrasse – möglicherweise war der Basileus Kaunios, der mythische Gründerheros von Kaunos hier Kultempfänger – sowie das Heiligtum der Aphrodite, konnten zudem Fragen nach einheimischen Kulten und den zentralen Gottheiten von Kaunos geklärt werden. Teilweise spektakuläre Funde, wie die Statuenbasen des Hekatomnos und Maussollos, die Protogenes-Exedra sowie eine karisch-griechische Bilingue, die im Apollonheiligtum geborgen wurden, geben darüber hinaus wichtige Einblicke in die Stadtgeschichte.
Trotz der intensiven archäologischen, epigraphischen und historischen Forschungen ist bis heute eine Reihe von Fragen zur Stadttopographie und -entwicklung von Kaunos noch nicht beantwortet. So ist bisher nicht geklärt, wo das archaische Kaunos lag, wie sich die Stadtentwicklung in klassischer Zeit im Detail vollzog und wie die Stadtanlage in hellenistischer Zeit etwa in Bezug auf Wegenetze und Wohnsiedlungen gestaltet war. Einige Forschungsdesiderata zu schließen, ist das Ziel dreier Projekte zur Erforschung des antiken Kaunos, die am Klassischen Institut der Universität des Saarlandes angesiedelt sind. Die Projekte wurden ermöglicht durch die Einladung des ehemaligen kaunischen Grabungsleiters Herrn Prof. Dr. Cengiz Işık (Başkent Universität Ankara), für dessen großzügige Unterstützung ihm herzlicher Dank gebührt.
Die Akropolis gehört mit einer Höhe von 152 m (über NN) und den nahezu senkrecht abfallenden Felswänden im Süden zu den markantesten Geländepunkten in Kaunos. Zahlreiche mehr oder weniger hoch anstehende Mauerzüge, große Terrassenanlagen, ein Befestigungsring und die Reste eines Gipfelheiligtums sind bis heute sichtbar und bezeugen ebenso wie eine Reihe von byzantinischen Bauten die fortwährende Nutzung der Akropolis von der Antike bis ins Mittelalter hinein. Eine systematische archäologische Untersuchung der erhaltenen Bauten auf dem Burgberg erfolgte bisher nicht.
Die Forschungen der deutschen WissenschaftlerInnen in Kaunos sind Teil der Grabungen, die in Namen des türkischen Kultusministeriums von der Universität Başkent durchgeführt werden.
(Projektverantwortlich: (Dr. Britta Özen-Kleine / Dr. Soner Özen)
Projekt 2: Die Stadtmauer von Kaunos
Durch ihren guten Erhaltungszustand, ihre beeindruckende Dimension sowie durch ihre Vielfalt an Mauertechniken und -stilen sticht die Stadtmauer von Kaunos unter den Befestigungsanlagen in Karien hervor. Sie stellt ein gutes Beispiel für Geländemauern dar und gliedert sich in Süd-, West- und Nordabschnitte, die mit der Topographie der Siedlung in Verbindung stehen. An der relativen zeitlichen Abfolge der Mauerabschnitte kann kaum Zweifel bestehen: Den ältesten Mauerabschnitt bildet die Südmauer, die spätestens im 6. Jh. v. Chr. errichtet wurde. Einer jüngeren Phase gehört der südliche polygonale Teil der Westmauer an, der in jedem Fall älter ist als der nördliche Teil aus isodomem Quadermauerwerk. Gleichzeitig mit dem isodomen Teil scheint auch die Nordmauer entstanden zu sein, die allerdings überwiegend aus trapezoidalen Mauerabschnitten besteht. Problematisch ist die absolute Datierung der Westmauer mit ihren polygonalen und isodomen Abschnitten, die in der Forschung in einen Zeitraum von der archaischen bis in die hellenistische Zeit datiert werden.
2017 wurde am Lehrstuhl für Klassischen Archäologie der UdS ein Projekt begonnen, welches sich der umfassenden Erforschung der kaunische Stadtmauer widmet. In den ersten Kampagnen wurde die Stadtmauer vermessen und ihre Abschnitte mit den unterschiedlichen Mauerwerken und
-stilen fotogrammetrisch aufgenommen. Um die bisherige, vor allem durch stilistische Beobachtungen gewonnene zeitliche Abfolge der Mauerabschnitte zu stützen und feinere Datierungen zu gewinnen, wurden seit der Kampagne 2019 Sondagen auf der Feld- und Stadtseite der Mauer angelegt. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes sollen im Rahmen einer Habilitationsschrift vorgelegt werden.
(Projektverantwortlich: Dr. Soner Özen )
Die geplanten Tagungen in Kaunos verfolgen das Ziel, neue archäologische Forschungen zu unterschiedlichen Themen von einschlägig ausgewiesenen WissenschaftlerInnen zu präsentieren und zu diskutieren. Die Ergebnisse der Tagungen werden jeweils in einem Band der Reihe "Kaunos / Kbid Toplantıları" publiziert. Neben dem direkten wissenschaftlichen Austausch sollen die Tagungen auch die Kontakte zwischen nicht-türkischen AltertumswissenschaftlerInnen, die an verschiedenen Orten der türkischen Westküste über verwandte Themen arbeiten, und ihren türkischen Kollegen intensivieren und die Zusammenarbeit stärken.