Prof. Thomas Giegerich: „Geschlechtergerechte politische Partizipation – Brauchen wir eine Frauenquote im Wahlrecht?“

Teil der Ringvorlesung Facetten der Vielfalt – Genderforschung und ihre Bedeutung für die Gesellschaft

Datum: 05.06.2024
Uhrzeit:
18:00-20:00 Uhr
Ort:
Geb. E2 5, Raum Hörsaal II

 

 

Prof. Dr. Thomas Giegerich

Univ.-Prof. Dr. jur. Thomas Giegerich, LL.M. (University of Virginia) ist seit 2012 Professor für Europarecht, Völkerrecht und Öffentliches Recht an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes sowie Ko-Direktor des Europa-Instituts. Von 2017 bis 2021 war er zugleich Inhaber eines Jean-Monnet-Lehrstuhls für Europäische Integration, Antidiskriminierung, Menschenrechte und Vielfalt. Zuvor hatte er Professuren an den Universitäten Bremen (2002 – 2006) und Kiel (2006 – 2012) inne. In Kiel war er auch Ko-Direktor des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Verhältnis von Europarecht und Völkerrecht zum nationalen Recht, im institutionellen Recht der EU und im europäischen und globalen Menschenrechtsschutz.

 

 

Zusammenfassung

Die Unterrepräsentation von Frauen in den Parlamenten ist ein Beleg für den Political Empowerment Gap, der dem Gender Gap zugrunde liegt, und zugleich ein Symbol für ihre faktische Ungleichheit. Änderungen der Wahlgesetze zur Sicherstellung der Geschlechterparität stehen daher auch in Deutschland und der EU auf der Tagesordnung. Solche Geschlechterparitätsgesetze verlangen in der Regel, dass die politischen Parteien Wahllisten mit einer gleichen Anzahl abwechselnd weiblicher und männlicher Kandidaten einreichen. Die ersten beiden deutschen Geschlechterparitätsgesetze in Thüringen und Brandenburg wurden jedoch von den Landesverfassungsgerichten für verfassungswidrig erklärt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gebietet das Grundgesetz nicht den Erlass von Geschlechterparitätsgesetzen, obwohl es in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 dazu verpflichtet, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern. Das Gericht hat sich aber noch nicht dazu geäußert, welche Grenzen das Grundgesetz für freiwillig erlassene Geschlechterparitätsgesetze des Bundes oder der Länder setzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Geschlechterquoten bei Wahllisten im Rahmen der EMRK als zulässig anerkannt. Auch die Soft-Law-Regeln des Europarates begünstigen die Anwendung solcher Quoten. Das globale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau unterstützt und fordert möglicherweise Geschlechterquoten in der politischen Vertretung.