Militärlager Hermeskeil

Ein Zeugnis des Gallischen Krieges – das spätrepublikanische Militärlager von Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg)

Als im Jahre 2010 die archäologischen Forschungen in Hermeskeil begannen, ließ sich kaum absehen, dass letztlich ein Kapitel Weltgeschichte im Fokus stehen würde. Zwar war ein zunächst eher unscheinbarer, im Grafenwald gelegener Erdwall schon seit geraumer Zeit als Bodendenkmal bekannt, zuverlässige Informationen zu seiner Funktion oder Zeitstellung fehlten jedoch. Nachdem im Frühjahr 2010 zunächst mit Hilfe von Feldbegehungen und geophysikalischen Messungen eine Deutung dieser Anlage als frühes römisches Militärlager wahrscheinlich gemacht werden konnte, begannen im Sommer des gleichen Jahres systematische Ausgrabungen an der Fundstelle. Diese wurden im Rahmen von Lehrgrabungen mit Fachstudierenden durchgeführt, zunächst von Seiten der Universität Mainz, seit 2018 von der Universität des Saarlandes.

Im Zuge dieser Arbeiten konnte das Militärlager Hermeskeil mit der Niederschlagung der beiden von Iulius Caesar in seinen Kommentaren zum Gallischen Krieg beschriebenen Trevereraufstände 53 und 51 v. Chr. in Verbindung gebracht werden. Es liegt strategisch, im Herzen des Stammesterritoriums, und kontrollierte die antike Nord-Süd-Achse in Richtung der Trierer Talweite sowie die Ost-West-Verbindung zwischen einem Saar-Übergang bei Serrig und dem Rhein. Zudem nahm es eine exponierte Höhe unweit einer dorfartigen Siedlung einheimischen Typs ein und verfügte über eine Sichtverbindung zum nahegelegenen spätkeltischen Oppidum „Hunnenring“. Die Befestigungen bestanden aus einem fast quadratischen Hauptlager von rund 19,5 ha Größe, an das im Nordwesten ein unregelmäßig geformter, 11,2 ha großer Annex anschloss (Abb. 1). Letzterer umfasste einen Quellaustritt und sicherte die Wasserversorgung. Seine Südwestseite folgte dem Verlauf besagter Nord-Süd-Verbindung, welche das nur 5 km entfernte Oppidum unmittelbar passierte. Die Lagerbefestigungen bestanden aus einem 2,5–3 m breiten und 1,5–2 m tiefen Spitzgraben. Die dahinterliegende Wehrmauer mit Rasensodenfront besaß ehemals rund 3 m Breite, war wohl 2,5–3 m hoch und auf einem Bett aus Zweigen errichtet, welches zur Drainage von Regenwasser diente. Lediglich an der Annex-Südwestseite ließ sich eine zweischalige Holzmauer nachweisen. Auf den Aushub eines vorgelagerten Grabens verzichtete man hier aufgrund des tief eingefahrenen Altweges. Den Wasserlauf im Bereich des Annex überspannte eine massive Bohlenwand, welche einen Abfluss ermöglichte. Hinweise auf hölzerne Türme oder Tore fehlen, allerdings dürften die Wehrmauern von einer Brustwehr bekrönt gewesen sein. Besonderheiten sind der Nachweis einer Pflasterung im Bereich des Südwesttores sowie eine Feuergrube, die vielleicht einer Kontrolle des Durchganges zwischen Hauptlager und Annex diente. Im Innern des Hauptlagers trennte eine weitere Wall-Graben-Befestigung dessen nördliches Drittel ab und deutet auf eine nachträgliche Verkleinerung der Anlage hin.

 

Die Verbreitung gut erhaltener Backöfen (Abb. 2) in der Innenfläche erlaubt eine Rekonstruktion der Infrastruktur. Das Hauptlager gliederte sich jenseits der innen an den Befestigungen verlaufenden via sagularis in Reihen von etwa 54 x 18 m großen Parzellen für jeweils eine taktische Einheit. Vermutlich beherbergten diese ein Manipel, also zwei Centurien mit je 80 Mann Sollstärke, die im Gallischen Krieg aber wohl nicht erreicht wurde. Jeweils drei dieser Parzellen repräsentieren vermutlich eine Kohorte. Das 19,5 ha große Hauptlager der Phase 1 bietet Raum für insgesamt 30 Kohorten, also drei Legionen. Nach der Verkleinerung konnten noch 20 Kohorten, entsprechend zwei Legionen, untergebracht werden. Da die Öfen im Bereich des Annex ein Raster mit abweichenden Parzellengrößen andeuten, ist hier mit einer Stationierung berittener Hilfstruppen zu rechnen, die man während der Eroberung bei gallischen und germanischen Stämmen rekrutierte. Außerdem war in diesem Bereich wohl auch der Troß untergebracht.

Diese Beobachtungen lassen sich mit einer Datierung von Phase 1 des Hermeskeiler Lagers in die Kampagne 53 v. Chr. und der Verbindung von Phase 2 mit den Ereignissen des Jahres 51 v. Chr. gut vereinbaren. Denn in seinen Kommentaren zum Gallischen Krieg berichtet Iulius Caesar, dass bei den Trevererfeldzügen unter der Führung seines Generals Titus Labienus zunächst drei, danach zwei Legionen im Einsatz waren. Gestützt wird diese Deutung auch durch das Fundmaterial, welches eine längerfristige Nutzung des als Feldlager anzusprechenden Stützpunktes, wie auch signifikante Unterschiede zwischen verschiedenen Lagerarealen widerspiegelt. Keramik einheimischen Typs, italische Amphorenscherben, Militaria (darunter fast 100 Schuhnägel, Abb. 3) und Münzen untermauern einen zeitlichen Ansatz um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Von Interesse ist eine größere Zahl von Handdrehmühlenfragmenten, mit denen die Soldaten ihr Getreide zerkleinerten. Während der Eroberungsfeldzüge war man gezwungen, die kleinen, leichten Mühlen, welche zur Grundausstattung der römischen Truppen gehörten, nach und nach durch schwerere gallische Mühlen zu ersetzen. Betrachtet man deren Herkunft, sind Rückschlüsse auf vorherige Aufenthaltsorte des Heeres möglich. Mit dem verkleinerten Lager der Phase 2 lassen sich all jene Mühlsteine verbinden, die nicht vor 52 v. Chr. erworben worden sein können. Die Funde untermauern also eine Verbindung des Drei- bzw. Zweilegionenlagers Hermeskeil mit der Niederschlagung der Trevereraufstände 53 und 51 v. Chr. Zeitweise dürften mehr als 10.000 Soldaten in Hermeskeil stationiert gewesen sein. Die römische Militärpräsenz endete mit dem systematischen Niederlegen der Lagerbefestigungen, die Rasensodenfronten des Walles wurden abgenommen, der Graben verfüllt. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass das Lager feindlichen Angriffen der Treverer standhalten musste.

 

Nachdem die Grabungen im Bereich des Militärlagers im Sommer 2018 abgeschlossen werden konnten, widmet sich das Projekt seither der Frage nach den Auswirkungen der römischen Militärpräsenz auf die einheimische Bevölkerung. Im Mittelpunkt steht die Suche nach Hinweisen auf kriegerische Auseinandersetzungen, Siedlungsabbrüchen und wirtschaftlichen Krisen. Die Geländeforschungen beziehen daher nun auch umliegende Fundstellen in die Betrachtung ein. Diese systematische Erforschung einer ganzen keltisch-römischen Kulturlandschaft hat schon jetzt zahlreiche neue Erkenntnisse zu besiedlungsgeschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Hochwaldregion geliefert und bietet detaillierte Einblicke in eine Zeit, deren archäologische Relikte die eine oder andere Lücke in der historischen Überlieferung zu schließen vermögen. Die archäologischen und interdisziplinären Forschungen in Hermeskeil werden seit 2015 mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführt.

 

Projektpartner

Bodengeographie / Biomarker: Dr. Jago J. Birk (Geographisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Univ.-Prof. Dr. Sabine Fiedler (Geographisches Institut, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Keramikanalysen: Dr. Markus Helfert (Institut für Archäologische Wissenschaften, Abt. Archäologie und Geschichte der Römischen Provinzen, Goethe-Universität Frankfurt)

Archäobotanik: Dr. Margarethe König (Institut für Altertumswissenschaften, Arbeitsbereich Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Amphorenfunde: Dr. des. Debora Tretola Martinez (Institut für Archäologische Wissenschaften, Abt. Archäologie der Römischen Provinzen, Universität Bern, Amphoren)

Münzen: Dr. Lars Blöck (Generaldirektion kulturelles Erbe, Trier / Münzen);
Dr. David Wigg-Wolf (Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt, Münzen)

Mühlsteinprovenienzen: Dr. Andreas Kronz (Geowissenschaftliches Zentrum, Abt. Geochemie, Georg-August-Universität Göttingen)
Dr. Tatjana Gluhak (Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz)
 

Weiterführende Literatur:

S. Hornung, Siedlung und Bevölkerung in Ostgallien zwischen Gallischem Krieg und der Festigung der römischen Herrschaft – Eine Studie auf Basis landschaftsarchäologischer Forschungen im Umfeld des Oppidums „Hunnenring“ von Otzenhausen (Lkr. St. Wendel). Röm.-Germ. Forsch. 73 (Mainz, Darmstadt 2016).

S. Hornung / T. Gluhak / A. Kronz / G. Breedveld / J. Gätjen, The querns from the Roman military camp near Hermeskeil: Bridging the gap to Caesar’s De bello Gallico. In: T. Gluhak (Hrsg.), Ground Stone Artifacts and Society. Proceedings of the international conference on quarrying, production, function and exchange of ground stone artifacts, Mainz 12-15th September 2017. Journ. Lithic Studies (im Druck).

S. Hornung, The Hermeskeil fortress: new light on the Caesarian conquest and its aftermath in eastern Belgic Gaul. In: C. Haselgrove / A. Fitzpatrick (Hrsg.), Julius Caesar’s Battle for Gaul: new archaeological perspectives (Oxford 2019) 201-225.

S. Hornung / A. Zawadzka, A little bit of history reconstructed – new evidence on the provenance of the Abentheuer carnyces (Lkr. Birkenfeld) and their historical context. Bonner Jahrb. 217, 2017 (2019), 55-93.

S. Hornung. Le camp militaire de Hermeskeil : Une nouvelle perspective sur la conquête césarienne et ses conséquences à l’Est de la Gaule Belgique. In: M. Reddé (Hrsg.), Les armées romaine en Gaule à l’époque républicaine. Nouveaux témoignages archéologiques. Colloque Paris, 13-14 Novembre 2017. Coll. Bibracte 28 (Glux-en-Glenne 2018) 113-134.

S. Hornung, Auf den Spuren des Gallischen Krieges – das spätrepublikanische Militärlager von Hermeskeil. In: C. S. Sommer / S. Matešić, Limes XXIII. Akten des 23. Internationalen Limeskongresses in Ingolstadt 2015. Beitr. Welterbe Limes, Sonderbd. 4/II (Mainz 2018) 911-920.

S. Hornung, Tracing Julius Caesar – The late-Republican military camp at Hermeskeil and its historical context. In: M. Fernández-Götz / N. Roymans (Hrsg.), Conflict Archaeology: Materialities of Collective Violence in Late Prehistoric and Early Historic Europe. Themes in contemporary archaeology 5 (London 2017) 193-203.

S. Hornung, Auf den Spuren Iulius Caesars – das römische Militärlager von Hermeskeil. Jahrb. Kr. Trier-Saarburg 2018 (Trier 2017) 261-269.

S. Hornung, Das spätrepublikanische Militärlager bei Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg) – Überlegungen zu den Auswirkungen der römischen Eroberung auf die spätlatènezeitliche Besiedlung im Treverergebiet. In: G. A. Lehmann / R. Wiegels (Hrsg.), Über die Alpen und über den Rhein – Anfänge und früher Verlauf der römischen Expansion nach Mitteleuropa. Kolloquium Göttingen, 28.-30.11.2012. Abh. Akad. Wiss. Göttingen N.F. 37 (Berlin 2015) 103-132.

S. Hornung / T. Gluhak / A. Kronz, Die Provenienz der Mühlsteinfragmente aus dem spätrepublikani-schen Militärlager von Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg) – Eine Brücke zur historischen Überliefe-rung ? In: T. Gluhak / S. Greiff / K. Kraus / M. Prange (Hrsg.), Archäometrie und Denkmalpflege 2015, Jahrestagung Mainz, 25.-28. März 2015. Metalla Sonderh. 7 (Bochum 2015) 126-128.

S. Hornung, Caesar’s conquest of Gaul – a factor of crisis or consolidation? The Otzenhausen Oppidum and its Environment. In: M. Fernández-Götz / H. Wendling / K. Winger (Hrsg.), Paths to complexity – Centralisation and Urbanisation in Iron Age Europe (Oxford 2014) 193-204.

S. Hornung, Auf den Spuren Iulius Caesars im Hunsrück. Das spätrepublikanische Militärlager von Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg). Varus-Kurier 16, 2014, 20-23.

S. Hornung, Caesar ante portas. Am „Hunnenring“ ein Hauch von Weltgeschichte. Saargeschichte|n 1/2013, 4-11.

S. Hornung, Ein spätrepublikanisches Militärlager bei Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg). Vorbericht über die Forschungen 2010-2011. Arch. Korrbl. 42, 2012, 205-224.

S. Hornung, Eine Episode des Gallischen Krieges auf deutschem Boden? Aktuelle Forschungen im spätrepublikanischen Militärlager von Hermeskeil, Lkr. Trier-Saarburg. Funde u. Ausgr. Bez. Trier 44, 2012, 28-38.

S. Hornung, Roms Legionen im Land der Treverer. Das keltische Oppidum „Hunnenring“ im Spiegel der römischen Eroberung. Antike Welt 5/2012, 18-23.