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Zeitzeugnis Volker Linneweber (geb. 1951)
Ich war zwar ein Bewerber von außen, aber mir kam zugute, dass ich früher schon einige Zeit als Assistent in Saarbrücken verbracht hatte. Ich bin sicher, dass ich nicht gewählt worden wäre, wenn ich dieses ‚Ich bin schonmal hier gewesen‘ nicht hätte sagen können. Denn damit war den Wählenden klar: Der weiß, auf was er sich hier einlässt, zumindest was das Saarland und die saarländischen Verhältnisse angeht.
Für meinen Start als Präsident war es dann natürlich von enormer Bedeutung, dass mein interner Gegenkandidat, Rolf Hartmann, die Größe hatte, als Vizepräsident im Präsidium zu verbleiben und seine Erfahrung weiter für die Gestaltung der Uni einzubringen. Und es war sicher ein Vorteil für mich, dass ich als von Außen Kommender keine Vorbelastung durch eventuelle Kontroversen in früheren Ämtern an der UdS hatte.
Mit gewachsenem zeitlichem Abstand wird mir die besondere Rolle noch deutlicher, die die Uni des Saarlandes als ‚Keimzelle‘ oder als Anreger-Institution für andere Akteure in ihrem Umfeld gespielt hat. Ich denke hier etwa an die zwar langwierige, aber doch außergewöhnlich erfolgreiche Formierung des Verbunds der Universität der Großregion, außerdem natürlich an die Ansiedlung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in der Informatik, in den Materialwissenschaften und zuletzt in der Pharmazie, mit dem HIPS.
Und auch an die Rolle, die die Universität als Innovationsmotor für den Strukturwandel des Saarlandes gespielt hat. Uns wurde in allen diesen Kontexten zugemutet, Energie an Partnerakteure abzugeben, in Form von Ideen, Vorarbeiten, Finanzen, Dienstleistungen, vor allem aber in Form von Personen, häufig gerade den Leistungsträgern.
Wir waren also oft nicht der unmittelbare Nutznießer der Entwicklung, manche kritisierten das sogar als ‚brain drain‘ oder ‚glory drain‘. Aber das Umfeld als Ganzes, die Region hat dadurch enorm gewonnen. Und das hat sich dann auch wieder positiv auf die Entwicklung der Universität ausgewirkt, wie etwa die Erfolge in der Exzellenzinitiative gezeigt haben.
Dass der Universität 2004 die finanzielle Selbständigkeit in Form eines Globalhaushalts übertragen wurde, hat sie, von heute aus betrachtet, völlig unvorbereitet getroffen. Es fehlten uns Kompetenzen, Daten, in gewisser Hinsicht auch mentale Einstellungen und Routinen. Das Land als Partner war keinen Deut besser vorbereitet; hier mangelte es vor allem an der Bereitschaft, der Universität Zuständigkeiten und Spielräume zu überlassen und sich aus der Detailsteuerung zurückzuziehen.
Die neuen Steuerungsinstrumente, insbesondere die Ziel- und Leistungsvereinbarung zwischen Land und Uni, wurden nicht genutzt, um strategische Gesamtausrichtungen zu fokussieren, sondern waren von einer entnervenden Feinkörnigkeit. Etwas satirisch habe ich sie mal mit einem Ehevertrag verglichen, der die Härte des morgendlichen Frühstücks-Eis festlegt.
Die veränderte Steuerungsphilosophie hat also eine Menge Kraft gekostet, aber im Endeffekt hat sie uns doch auch viele Vorteile gebracht. Ich sehe dies am Vergleich mit Hochschulen ohne Globalhaushalt, etwa in Bayern, bei denen etliches doch sehr viel zäher und langsamer abläuft als bei uns. Natürlich darf man das Modell der Management-Steuerung auch nicht überdehnen, die Entwicklung von Kennziffern zur Leistungsmessung beispielsweise ist über Jahrzehnte betrieben worden und hat sich, zumindest für die Verhältnisse im Saarland, wo es nur eine Universität gibt, letztlich nicht als sinnvoll realisierbar erwiesen.
Eine Uni ist eben kein Unternehmen. Dass wir uns trotzdem effektiv um die Sicherung von Qualität kümmern können, zeigen beispielsweise unsere Ergebnisse bei der Qualitätsentwicklung in Studium und Lehre.“
Anmerkungen
Die Texte sind im Rahmen eines Erinnerungsinterviews im Dezember 2022 entstanden.