Fokus

Auf dem Weg zur Europa-Uni: „UniGR“ und „T4E“

Durch ihre Gründung unter der Obhut der Universität Nancy 1948 trug die Universität des Saarlandes den Keim der Hochschulkooperation mit ihren westlichen Nachbarn in gewissem Sinne von Anfang an in sich. Er entfaltete sich zu besonderem Wachstum, als 1984, fünfzehn Jahre vor der auf die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums zielenden Bologna-Deklaration, die Saar-Universität mit zunächst sechs Hochschulen der Saar-Lor-Lux-Region die „Charta der universitären Zusammenarbeit“ vereinbarte. Allerdings gelang es dieser Föderation, auch wenn sich ihre Mitgliederzahl in den folgenden Jahren bis auf dreizehn erhöhte, nicht, das hochgesteckte Ziel eines „immer engeren Studien- und Forschungsverbunds“ zu verwirklichen.1

Um das Jahr 2000, im Zeichen der fortschreitenden Europäisierung, galten die bisherigen Formen grenzüberschreitender Zusammenarbeit daher als etwas in die Jahre gekommen, was auch die Lokalpresse bemerkte: Das „dauernde Eigenlob für die bestehende Kooperation zwischen Saarbrücken und Metz lähmt im Grunde die Entwicklung. Es besteht die Gefahr, dass Saarbrücken von anderen Universitäten in Deutschland mit neuen Formen der Kooperationen überholt und glatt abgehängt wird.“

Bereits 1998 hatte eine von der Landesregierung beauftragte Expertenkommission eine enge Verflechtung der Universitäten im Saarland und der Westpfalz empfohlen; das Ergebnis war der sogenannte Regional-Campus Südwest, der mit einer gegenseitigen Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen die Voraussetzungen für die Schaffung von regional verteilten Studienangeboten schaffen sollte – was freilich auch hier nie gelang. Diesem deutsch-regionalen Ansatz bemühte sich nun die Universität des Saarlandes ein anderes, internationales Modell an die Seite zu stellen.2

Nachdem die Regierungschefs auf ihren Gipfeltreffen in den Jahren 2003 und 2006 die Großregion als Innovationsraum mit einer einzigen, virtuellen Universität für gemeinsame Lehre und Forschung als politisches Ziel ausgerufen hatten, ergriff die Saar-Universität die Initiative. Auf der Grundlage eines Saarbrücker Strategiepapiers reichten im Jahr 2008 mit den Universitäten Saarbrücken, Lüttich, Luxemburg, Nancy und Metz fünf Projektpartner einen Antrag auf Förderung einer „Universität der Großregion“ im Rahmen des Interreg-Programms der Europäischen Union ein, der im September 2008 bewilligt wurde.3

Nicht nur im Hinblick auf die Ausgestaltung der „Governance“, sondern auch in Bezug auf die verabredeten Themenfelder wurde diese „Universität der Großregion“ tatsächlich zum Musterbeispiel für grenzübergreifende Entwicklungspartnerschaft im Hochschulbereich. Das Konzept bestand aus fünf gleichberechtigten Universitäten, die für fünf Module (Gouvernance, Mobilité, Education, Recherche, Ouverte) jeweils einmal die Leitungs-, einmal die Stellvertretungsfunktion übernahmen.

Entscheidenden Anteil am Erfolg hatte der Umstand, dass sowohl die Leitungsebenen aller Universitäten im „Rat der UGR“ als auch die Studierenden in einem Beirat eingebunden waren und eine sich viermal jährlich treffende Steuerungsgruppe die kontinuierliche Evaluierung, Anpassung und Entwicklung der Programme übernahm. Das Konzept ging auf, die Partner entschieden sich, das Projekt zu erstetigen und überführten es 2013 – unter Einschluss der Universitäten Kaiserslautern und Trier – in universitäre Regelstrukturen einschließlich der Etablierung einer eigenen Geschäftsstelle.

Mit dem Master in „Border Studies“ entstand nun ein interdisziplinärer Studiengang, der weit über die bisherigen Austauschprogramme und gemeinsamen Abschlüsse hinaus reichte und sowohl in der integrativen Anlage – als konsekutives Studium an mehreren Standorten – wie auch in den Forschungsansätzen neue Türen aufstieß. Die moderne Grenzraumforschung zeigte sich dabei ausgesprochen offen und so anschlussfähig an verschiedene Wissenschaftssparten, dass sich an dem „Europäischen Kompetenz- und Wissenszentrum für Grenzraumforschung (UniGR-CBS)“ ein Netzwerk von achtzig Forscherinnen und Forschern aus sechzehn Disziplinen beteiligte.4

Dieses Center for Border Studies sollte nun das Muster bilden für weitere, zunächst „European Schools“ genannte interdisziplinäre Exzellenzzentren mit fachübergreifenden gemeinsamen Professuren, die – so ein Strategiepapier aus dem Jahr 2020 – darauf abzielten, ein „hochwertiges multidisziplinäres Ausbildungsangebot zu kreieren, das eng mit gemeinsamen Forschungsprojekten verzahnt ist“.

Neben den Border Studies rückten die Bereiche Materialwirtschaft in Kreislaufsystemen („CIRKLA“), Biomedizin mit Schwerpunkt Gesundheit und Alter sowie Sichere Gesellschaft (vor allem Digitale Sicherheit) ins Blickfeld. Mit der Gründung des zweiten Zentrums „UniGR-CIRKLA“ gelang 2021 der erste Schritt zur Realisierung dieses Plans, weitere Vorhaben sind in Vorbereitung.5

Die Uni des Saarlandes war daher gerüstet, als der französische Präsident Macron 2017 die Gründung „Europäischer Universitäten“ als Mittel zum Ausbau der internationalen Kooperation vorschlug und damit eine breite Diskussion auslöste. Für den schließlich von der EU ausgerufenen hochkompetitiven „Erasmus+“-Wettbewerb entwickelte die Saar-Universität mit europäischen Partnerhochschulen in Alicante, Kattowitz, Kaunas, Sofia, Tallinn und Triest das Projekt „Transform4Europe“, in dem für insgesamt 116.000 Studierende interdisziplinäre Europa-orientierte Studiengänge in den Schwerpunktbereichen Digitale Transformation, Nachhaltigkeit und Gesellschaftlicher Wandel vorgesehen wurden. Im zweiten Anlauf gelang es 2020 tatsächlich, den begehrten Titel einer „Europäischen Hochschule“ zu erhalten und eine finanzielle Förderung für zunächst drei Jahre zu sichern. Als Kooperationsfelder für die anvisierte neue Generation junger Europäerinnen und Europäer wurden die Schaffung eines gemeinsamen Lehrangebots und innovativer Lehr-/ Lernumgebungen, die Vermittlung unternehmerischen Knowhows durch die Einbindung von Praktikern in die Lehre sowie die Formierung eines „Europäischen Campus‘“ durch partnerschaftliche Nutzung von Serviceangeboten und Infrastruktur konzipiert.

Dieses im Unterschied zur UniGR stärker auf Lehre und Ausbildung ausgerichtete Projekt entfaltete mit Summer Schools, Mobilitätswochen, Austauschprogrammen und attraktivem Studienangebot so viel Dynamik, dass zum Zeitpunkt der Projektverlängerung 2022 drei weitere Partner an die Tür klopften. Zusammen mit der Katholischen Universität Portugal, der slowenischen Universität Primorska und der Université Jean Monnet in Saint-Etienne verpflichteten sich nunmehr zehn Universitäten, ihre jeweilige regionale Verankerung in eine gemeinsame Vision für die Hochschulbildung der Zukunft in Europa einzubringen. Im Sinne eines besonderen Signals wurde jüngst zudem die ukrainische Mariupol State University als assoziierter Partner in den Verbund aufgenommen.6

Thomas Kees

 

Anmerkungen

  1. Zur Charta Wittenbrock, Universität, S. 1 und Beck, Weiterentwicklung, S. 28–30.
  2. SZ, 4.1.2000.
  3. Wittenbrock, Universität; Müller, Hochschulraum; Campus 38 (2008), Oktober, S. 18 (Sondernummer 60 Jahre UdS).
  4. Wittenbrock, Universität; Jahresbericht 2012, S. 82; Jahresbericht 2017, S. 29 und 37.
  5. Strategieplan UniGR; zu UniGR-CIRKLA.
  6. Vgl. Pressemitteilung zur erfolgreichen Bewerbung; Projektseite.