Smarte Implantate – Experimentelle Bestimmung der Materialparameter und Modellierung des Bruchverhaltens von Knochen

Kontakt

Projektträger

Kooperationen

Prof. Dr. Tim Pohlemann, Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie 

 

Prof. Dr.-Ing. Stefan Seelecke, Universität des Saarlandes, Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme 

 

Prof. Dr.-Ing. Phillipp Slusallek, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz 

 

Smarte Implantate

Smarte Implantate ist ein interdisziplinäres Projekt, das Kompetenzen aus Medizin, Materialwissenschaften, Mechanik und Informatik miteinander vereint. Ziel ist es die personalisierte Behandlung komplizierter Frakturen des Unterschenkels zu verbessern. 

Im Zentrum des Projekts steht die Idee, Knochenheilung durch gezielte und angepasste Belastung des Frakturspalts positiv zu beeinflussen. Zu diesem Zweck soll ein neuartiges Implantat entwickelt werden, welches nicht nur aus mechanischer Sicht optimal auf die jeweilige Fraktur angepasst ist, sondern auch selbst durch aktive Bewegung und Versteifung unterstützend wirken soll. Hierbei kommt das intelligente Material Nickel-Titan (Nitinol) zum Einsatz, welches in der Form hauchdünner Drähte wie ein künstlicher Muskel wirken kann. 

Weiterhin werden durch das Implantat oder auch sensorbestückte Einlegesohlen Daten zu Gangprofil und Belastung gesammelt, die mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und Maschinellem Lernen patientenspezifisches Feedback und Heilungsprognosen erzeugen. Spezialisierte Simulationstechnik, welche die involvierten mechanischen Vorgänge möglichst präzise nachbildet, soll dabei die individuelle Optimierung des Implantats für jede Patientin und jeden Patienten bereits anhand herkömmlicher bildgebender Verfahren, beispielsweise der Computertomographie, ermöglichen. 

Das Projekt wird mit 8 Millionen Euro durch die Werner Siemens-Stiftung gefördert. 

Projektbeschreibung

Die Behandlung und Heilung eines Knochenbruchs ist eine wochenlange Angelegenheit. In einer Operation werden dabei die Bruchteile miteinander fixiert. Um eine Aussage über den Verlauf der Heilung treffen zu können, braucht es eine längere Zeit. Ein aktiver Eingriff während des Heilungsprozesses ist nicht möglich. 
Smarte Implantate soll die Behandlung von Knochenbrüchen revolutionieren. 

Es ist bereits bekannt, dass ein bestimmtes Maß an Bewegung sich positiv auf den Heilprozess auswirkt. Die Aufgabe der Biomechanik ist hierbei die Definition der auftretenden Kräfte im Frakturspalt, sowie der Belastungen im Knochen während des Gehens. 

Mit dem Wissen, wie die Lastverteilung im spezifischen Bruch aussieht, kann das Implantat für individuelle Frakturen entwickelt werden.

Um dieses Wissen zu erlangen, gibt es zwei eigens entwickelte Prüfstände. In Versuchsreihen wird dazu ein Knochen kontrolliert gebrochen, mit einem Implantat versorgt und anschließend die Belastung während eines Vorwärtsschrittes gemessen.

Der erste Prüfstand bricht kontrolliert den Knochen. Hierfür wird der Knochen mit Hilfe von Matrixklemmen in die Vorrichtung eingespannt (Abbildung 1). Angetrieben wird das Experiment durch Schrittmotoren. Kraftsensoren messen und kontrollieren den Ablauf während des Brechens. Das Experiment wird zusätzlich gefilmt, um die Frakturentstehung zu dokumentieren.

Doch wie wird der Knochen nun kontrolliert gebrochen? Aktuell werden Daten aus einer Datenbank entnommen. Das Belastungsszenario aus der Datenbank wird an die subjektspezifischen Daten des Knochenspenders kalibriert.

Die axiale Belastung entspricht also der maximalen Kraft, die bei einem Schritt nach vorne wirkt. Um den Bruch zu generieren, wird eine Rotation seitens des Knöchels aufgebracht, bis es zum Frakturereignis kommt.

Ziel ist es jedoch eine eigene Datenbank aufzubauen. In Zukunft soll der Brechprüfstand mit internen Daten, die ebenfalls an den jeweiligen Spender angepasst werden, den Bruch durchführen. Das entsprechende Monitoring zur Bewegungserfassung ist dazu bereits im Gange.

Zur Bestimmung der Materialparamter des Knochens sind weitere Experimente von Nöten. Vorab gilt es herauszufinden, wie ein Knochen aufgebaut ist (Abbildung 2). Ein Knochen besteht zum einen aus der Knochenwand (Corticalis) und zum anderen aus dem trabekulären Knochengewebe (Spongiosa).

 

Beide Materialien werden nun in Druck- und Zugversuchen auf ihre Materialparameter hin untersucht. Die Versuchsauswertung wird mittels digitaler Bildkorrelation (DIC) durchgeführt.

Zur Definition eines geeigneten Versuchsprotokolls behilft man sich mit Ersatzmaterialien. Dabei wurde ein kurzfasergefülltes Epoxid (simuliert Corticalis) sowie ein Polyurethan-Hartschaum (simuliert trabekuläres Knochengewebe) ausgewählt. Ist ein solches Protokell erstellt, werden die Experimente mit menschlichen Knochen durchgeführt.

Folgende Schritte beschreiben den Versuchsablauf:

  1. Probenpräparation 1: Zuschneiden der Probengeometrie
  2. CT-Scan der Probe (Grundlage für Simulation)
  3. Probenpräparation 2: Aufbringen des Speckelmusters für spätere DIC-Analyse
  4. Durchführen des Experiments
  5. Auswertung mittels DIC

Nach Erhalt der Materialparameter wird im Anschluss ein numerisches Modell zur Validierung erstellet. Ziel ist es, ein Modell zu erhalten, welches bestimmte Bruchmuster anhand vorhergehender Umgebungsparameter erzeugt. Dadurch soll vorhergesagt werden können, durch welche Belastungen das entsprechende Bruchmuster entsteht.

Ist der Knochen gebrochen, wird als nächstes die Fraktur behandelt. Dabei versorgt ein orthopädischer Unfallchirurg den Knochen mit dem Implantat.

Der zweite Prüfstand simuliert Kräfte, die bei einem normalen Schritt nach vorne wirken. Der Fokus liegt auf der interfragmentären Bewegung. Diese dient als Schlüsselgröße für die Knochenfrakturheilung.

Der mit dem Implantat versorgte Knochen wird in den Prüfstand eingespannt (Abbildung 3). Es wird ein mechanisches Belastungsszenario auf das Knochen-Implantat-System angewendet. Simuliert wird die Gangbewegung unter voller Gewichtsbelastung. Die Grundlage der Simulation bilden erneut die Daten der Datenbank, die bereits beim ersten Prüfstand genutzt worden sind.

Während des Tests werden die Spannungen und Dehnungen über ein Hochgeschwindigkeitskamerasystem in Kombination mit digitaler Bildkorrelation und mehreren Druck- und Kraftmessungen gewonnen. Somit lässt sich eine konkrete Aussage über die auftretende Scherdehnung unter der vollen Gewichtsbelastung im Frakturspalt formulieren.

Diese Vorgehensweise beschreibt den experimentellen Teil des smarten Implantates. Validiert werden die Erkenntnisse anhand eines numerischen Modells. Die Auswertung der DIC bilden die Grundlage für dieses numerische Modell.

 

Publikationen dieses Projekts