GO-FIT-FAST Gait Observation for Fully Individualized Treatment and Aftercare following Surgery and Trauma
Kontakt
Projektträger
Kooperationen
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum des Saarlandes
Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) GmbH
Institut für Biomechanik, , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau
AO Research Institute Davos (ARI)
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen, Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Projektbeschreibung
Poröse Materialien sind weit verbreitet und spielen in vielen Aspekten unseres täglichen Lebens eine Rolle. Sie bestehen aus einer kontinuierlichen festen Phase, die das poröse Gerüst bildet, und einer fluiden Phase (Gas oder Flüssigkeit), die die Poren in diesem Feststoff füllt.
Frakturen der unteren Extremitäten sind weit verbreitet, treten in allen Altersgruppen auf und haben eine steigende Inzidenz gerade bei geriatrischen und weiblichen Patienten. Trotz aller Fortschritte in der operativen Frakturversorgung treten in bis zu 20 Prozent aller Fälle Komplikationen auf und in bis zu 10 Prozent der Fälle ist mit verzögerter Heilung oder sogar nicht heilenden Knochen zu rechnen. Diese Komplikationen erfordern eine langwierige Behandlung sowie sekundäre oder sogar häufigere chirurgische Eingriffe. Daher kann in diesen Fällen ein überproportionaler Anstieg der individuellen Krankheitslast, verbunden mit hohen direkten und indirekten Behandlungskosten beobachtet werden.
Trotz der allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnis, dass die Heilung multifaktoriell, individuell, geschlechtsspezifisch und abhängig von Parametern des Frakturmusters, der Fixationsmethoden und der mechanischen Belastung sowie des Aktivitätsniveaus ist, basieren moderne Konzepte der chirurgischen Stabilisierung und Nachbehandlung auf traditionellen, stark standardisierten Protokollen. Diese beinhalten feste Nachsorgeintervalle, ambulante Besuche und Röntgenuntersuchungen, obwohl diese Techniken nur eine geringe Sensitivität und Spezifität hinsichtlich einer zuverlässigen Beurteilung des Fortschritts der Frakturheilung aufweisen.
Klinische Studien konnten eine klare Korrelation zwischen der biomechanischen Fraktursteifigkeit und der Gewichtsbelastung zeigen. Dies zeigt, dass intermittierende Gewichtsbelastungsmessungen bereits gut mit der aktuellen Fraktursteifigkeit korrelieren und somit eine Heilung identifizieren können. Neben den kinetischen Parametern der Gewichtsbelastung haben klinische Studien auch charakteristische Veränderungen in den Gangmustern, sowohl zeitlich als auch räumlich, während der Frakturheilung detektiert und konnten diese mit der Frakturschwere korrelieren. Darüber hinaus waren Studien in der Lage, drohende Störungen der Frakturheilung allein durch intermittierende visuelle Ganganalyse 3 Monate nach der Verletzung zu identifizieren. Auch lokale, in vivo Messungen der biomechanischen Verhältnisse sind möglich. Diese sind jedoch auf spezielle Frakturentitäten, experimentelle Bedingungen sowie technische und medizinisch-rechtliche Fragen beschränkt, was ihre breite Anwendung erschwert. Alle diese klinischen Studien zeigen, dass die Frakturheilung durch externe und interne Maßnahmen überwacht werden kann, ohne dass röntgenologische Eingriffe erforderlich sind. Da alle diese Verfahren auf der tatsächlichen Belastung und Aktivität des Patienten beruhen, könnten daraus abgeleitete Nachsorgemaßnahmen zudem völlig individuell auf den Patienten und die Fraktursituation abgestimmt werden.
Das Ziel des Projektes ist, mit neu entwickelten Werkzeugen, die auf den jetzt verfügbaren Technologien basieren, die Defizite der aktuellen, standardisierten Nachsorge zu überwinden, um jedem Patienten eine individuelle Versorgung nach Frakturen der unteren Extremität zu ermöglichen. Diese Hilfsmittel müssen einfach zu bedienen sein und sich an die individuelle Belastung und das Aktivitätsniveau anpassen können. Sie werden die Sammlung individueller Gang-, Belastungs- und Aktivitätsdaten ermöglichen, die in spezifischen Datenbanken gespeichert und mit modernen Methoden analysiert werden, um erstmals Schwellenwerte für Gang-, Belastungs- und Aktivitätsniveaus zu definieren, die optimale, individuelle Frakturheilungsbedingungen gewährleisten.
Basierend auf entsprechenden individuell erhobenen Daten würde dies zu einer früheren Rückkehr "schnell heilender Personen" zu regelmäßiger Aktivität führen, was derzeit von den angewandten Standard-Nachsorgeprotokollen nicht erkannt werden kann. Noch wichtiger ist, dass eine gestörte Heilung, die zu einer Nicht-Heilung führen kann, deutlich früher als bisher erkannt werden könnte. Dies wird auf die Entscheidung für notwendige frühzeitige chirurgische Eingriffe oder sogar nicht-invasive Rehabilitationsmaßnahmen einen enormen Einfluss nehmen und so zu einer Reduzierung der individuellen Krankheitslast, der individuellen Gesundheitskosten und der allgemeinen Gesundheitsökonomie führen. Basierend auf den stetig wachsenden Daten, auch über diese Studie hinaus, werden die gewonnenen Daten eine wertvolle Basis für die weitere Individualisierung der Frakturversorgung liefern und möglicherweise die Anzahl der unerwünschten Heilungsereignisse verringern.
Der Wesentliche Baustein in diesem Projekt ist das Monitoring der Patienten mittels einer autark messenden Einlegesohle. Diese Sohlen verfügen jeweils über 16 Drucksensoren, ein 6-Achsen Gyroskop und einen Temperatursensor. Damit können in verschiedenen Settings mit Aufnahmeraten zwischen 10 Hz und 100 Hz die Bodenreaktionskräfte, die Druckverteilung, das Abrollverhalten des Fußes sowie eine große Anzahl weiterer biomechanischer Parameter erfasst werden. Die Daten können dabei auch über eine mobile Anwendung eines Mobiltelefons zusätzlich zur Sohle selbst gespeichert und übertragen werden (Abbildung 1).
In Abbildung 2 sieht man typisches Gangmuster während des Vorwärtslaufen auf einer ebenen Fläche. Das obere Bild zeigt die Bodenreaktionskraft für den linken (blau) und den rechten (rot) Fuß eines Probanden, während die unteren beiden Bilder verschiedene Live-Bilder der Druckverteilung und der Ganglinie zeigen.
Die Abbildung 3 zeigt die mittlere Druckverteilung während verschiedener Phasen des Vorwärtsschrittes.
In Abbildung 4 werden diese Daten aufgeschlüsselt für die einzelnen Sensoren jeder Einlegesohle gezeigt. Dies erlaubt eine detaillierte Analyse beispielsweise des Abrollens während des Bewegungsablaufes.
Ergänzend hierzu zeigt Abbildung 5 für verschiedene Phasen des Gehens die Druckverteilung des linken und des rechten Fußes. Derartige Darstellungen ermöglichen Physiotherapeuten und behandelnden Ärzten Rückschlüsse auf den Fortschritt der Heilung von Patienten zu ziehen.
Derartige Einschätzungen lassen sich über die Analyse von Ganglinien, wie sie in Abbildung 6 gezeigt werden, noch deutlich besser gewinnen. Unter einer Ganglinie versteht man in diesem Zusammenhang eine graphische Darstellung der Bewegung des Druckmittelpunktes („center of pressure – COP“) über einen gesamten Schrittzyklus hinweg.
Abbildung 7 zeigt exemplarisch einen typischen Verlauf der mittleren Bodenreaktionskraft über mehrere Schritte hinweg für den linken und den rechten Fuß im Vergleich.
Publikationen dieses Projekts
B. J. Braun, T. Pohlemann, S. C. Herath, M. Klein, M. F. Rollmann, R. Derr, S. Diebels, M. Roland „An individualized simulation model based on continuous, independent, ground force measurements after intramedullary stabilization of a tibia fracture”, Arch Appl Mech 89, 2351-2360 (2019)