Anthropozän
"Der Mensch im Anthropozän"
In einer verhältnismäßig kurzen Zeit — den gut 4,6 Milliarden Jahren der Erde stehen lediglich etwa 12.000 Jahre seit der "Neolithischen Revolution" entgegen — hat der Mensch durch Zivilisations- und Kulturtätigkeiten die Umwelt so stark verändert, dass inzwischen kaum noch von 'unberührter' Natur gesprochen werden kann: Bis in die tiefsten Stellen der Ozeane findet sich Mikroplastik; Rauch und Abgase dringen in die Atmosphäre und vergrößern das "Ozonloch"; Kernspaltungen setzen Atome frei; Tier- und Pflanzenarten sind künstlich verändert oder irreversibel ausgerottet, Flüsse begradigt und Wälder gerodet.
Genau hier setzt das aus den Naturwissenschaften stammende Konzept des "Anthropozän" an — in der Grundprämisse davon ausgehend, dass sich der menschliche 'Fußabdruck' längst so stark in die Erdgeschichte eingeschrieben hat, und das bisherige Erdzeitalter des "Holozän" vom "Anthropozän" abgelöst werden müsse.
Durch die gesellschaftliche, politische und ökonomische Brisanz des menschgemachten Klimawandels ist das "Anthropozän" in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Konzept geworden, das inzwischen neben der Übertragung zum kulturwissenschaftlichen Denkmodell auch als künstlerische Metapher in Literatur, Film, Fotographie oder Malerei bereits eine große Bedeutung über die Naturwissenschaften hinaus erreicht hat.
Die Vorlesungen sollen daher die Bereiche von wissenschaftlichem Denken einerseits und medialen Repräsentationen andererseits zusammenbringen und in dieser Verknüpfung von 'Theorie' und 'Künsten' programmatisch aufzeigen, wie ein so abstraktes Konzept wie das "Anthropozän" durch künstlerisch-mediale Interventionen überhaupt 'dargestellt' und einer breiten Öffentlichkeit vermittelt werden kann.
Die Vorlesungsreihe wird als zentrale Maßnahme unterstützt durch den Fonds "Lehre und Studium" der Universität des Saarlandes.
Vorlesungsreihe
Die Vorlesungsreihe "Der Mensch im Anthropozän" bringt im Sommersemester 2021 theoretische und künstlerische Perspektiven in einem Dialog zusammen.
Termine der Gastvorträge:
- Montag, 3. Mai 2021 — Prof. Dr. Dr. Olaf Kühne, Universität Tübingen
- Freitag, 7. Mai 2021 — Jacobus Bracker MA, Universität Hamburg
- Montag, 10. Mai 2021 — Prof.in Dr.in Antje Bruns, Universität Trier
- Montag, 17. Mai 2021 — Prof.in Dr.in Gabriele Dürbeck, Universität Vechta
- Montag, 14. Juni 2021 — Denis Pavlovic, Filmemacher
- Montag, 21. Juni 2021 — Axel Braun, Fotograf
- Freitag, 9. Juli 2021 — Katharina Kohm, Lyrikerin
- Montag, 12. Juli 2021 — Frederik Iven, Dramaturg
Blog
Zu Seminar und Vorlesungsreihe entsteht ein begleitender Internet-Blog mit studentischen Beiträgen — so werden etwa die einzelnen Gastvorträge in kurzen Einträgen dokumentiert, und das Glossar "Anthro bis Zän" fasst interdisziplinäre Begriffe und zentrale Konzepte des Anthropozän-Diskurses in Artikeln zusammen: dermenschimanthropozaen.wordpress.com
Veranstaltung im Frankreichzentrum der Universität des Saarlandes
Dienstag, 29. Juni 2021, 18.30 Uhr (Online-Veranstaltung über Zoom)
Un soleil de plomb... über dem Schnee von gestern – Deutsch-französische Perspektiven auf das Klima in der Literatur
Mit Dr. Lucie Taïeb (Germanistin und Komparatistin, Université de Bretagne Occidentale, Brest) und Jun.-Prof. Dr. Jonas Nesselhauf (Kunst- und Kulturwissenschaftler, Universität des Saarlandes), Moderation: Sarah Thiery (Universität Trier)
Organisiert vom CFALor (Centre Franco-Allemand de l’Université de Lorraine), dem Frankreichzentrum, dem Goethe-Institut Nancy und dem Institut français Saarbrücken.
Weitere Informationen finden sich hier: www.uni-saarland.de/einrichtung/frz
Vortrag in Ringvorlesung der Universität Trier
Dienstag, 04. Mai 2022, 18.00 Uhr (Online-Veranstaltung über Zoom)
Anthropocene Gaze: Neue Bilder auf die Welt im Zeitalter des Menschen
Abendvortrag von Jun.-Prof. Dr. Jonas Nesselhauf im Rahmen der Ringvorlesung "#LecturesForFuture" an der Universität Trier.
Mit dem Anthropozän als neuem Erdzeitalter und dem Menschen als bestimmender geologischer Kraft, stellen sich nicht nur grundlegende Fragen des Verhältnisses von "Natur" und "Kultur", sondern auch ganz konkret die ästhetische Darstellung der nicht-menschlichen Umwelt (oder besser: Mitwelt) muss neu gedacht werden. Traditionelle Formen der Naturlyrik, der Landschaftsmalerei oder der Umweltfotografie scheinen dabei kaum mehr angemessen, und so experimentieren Künstler:innen in den vergangenen Jahren mit 'anderen' Narrativen und 'neuen' Bildern des Anthropozän. Anhand von exemplarischen Beispielen der visuellen und performativen Gegenwartskunst spürt der Vortrag solchen innovativen und experimentellen Ansätzen nach, die radikal neue Blicke eröffnen: Denn diese künstlerischen Interventionen fordern immer wieder das 'herkömmliche' Sehen heraus — sei es etwa durch programmatische Blickumkehrungen oder durch die Dekonstruktion traditioneller Ästhetiken.
Weitere Informationen zur Ringvorlesung "#LecturesForFuture" finden sich hier: https://www.uni-trier.de/studium/weiterbildung/open-university/lecturesforfuture-klimawandel-in-den-weitblick-nehmen
Publikation:
Jonas Nesselhauf: "Anthropocene Gaze: Neue Bilder auf die Welt im Zeitalter des Menschen." In: Monika Albrecht und Anastasía Antonopoúlou (Hrsg.): Anthropogene Klima- und Umweltkrisen. Griechisch-deutsche Beiträge zu Ecocriticism und Environmental Humanities. Bielefeld: Transcript 2022, S. 203–215, und Online.
"Schmelzpunkte. Zur Ästhetik des Anthropozäns bei Ólafur Elíasson, Steinunn Sigurðardóttir und Ilija Trojanow"
Montag, 19. Juni 2023, 18.00 Uhr, Rathaus Saarbrücken
Abendvortrag von Jun.-Prof. Dr. Jonas Nesselhauf im Rahmen der Ringvorlesung "Wildes Wetter! Wetterbeobachtung, Meteorologie, Klimawandel in der Literatur" des Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass.
Das Abschmelzen der alpinen Gletscher oder des arktischen Eises kann als in dieser Form irreversibler Zerstörungsprozess mit dem rezenten Zeitalter des Anthropozän in Verbindung gebracht werden: Die Menschheit als geologische Macht verändert das Erdsystem auf planetarer Ebene, wodurch das Verhältnis von "Natur" und "Kultur" völlig neu gedacht werden muss. Über den naturwissenschaftlichen Diskurs hinaus geschieht dies auch in den europäischen Literaturen und Künsten, wenn in Installationen das schmelzende Eis synästhetisch erfahrbar, in Gedichten und Romanen die Erinnerung an die 'sterbenden' Gletscher bewahrt wird. Dies stellt, wie die exemplarischen Beispiele von Ólafur Elíasson, Steinunn Sigurðardóttir und Ilija Trojanow zeigen, allerdings durchaus eine Herausforderung für das traditionelle Ästhetik-Verständnis dar, und die engagierte Auseinandersetzung mit der unwiederbringlichen Destruktion bewegt sich selbst am 'Schmelzpunkt' zwischen 'Erhabenheit' und 'Hässlichkeit'.
Weitere Informationen zur Ringvorlesung finden sich hier: https://www.uni-saarland.de/forschen/literaturarchiv/veranstaltungen/ringvorlesungen.html