Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Pflegeeinrichtungen

Die Versorgung der Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen ist ein komplexer Prozess, in den Pflegekräfte, Ärzte, Apotheker und weitere Fachkräfte involviert sind. Damit die Bewohner bedarfsgerecht versorgt werden können, ist ein aktives Zusammenwirken der verschiedenen Professionen erforderlich.

Die Zahl der Menschen über 65 Jahre wird in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt bis 2050 auf über 30% der Bevölkerung anwachsen [1]. Entsprechend werden in Zukunft mehr pflegebedürftige Menschen zu versorgen sein. Auch ist ein zunehmender Anteil der Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen multimorbide und in der Bewältigung des Alltags eingeschränkt [2]. Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen sind gegenüber zuhause gepflegten Patienten im Durchschnitt älter und pflegebedürftiger [3].
Die Veränderung der Bewohnerklientel in Pflegeeinrichtungen birgt neue Herausforderungen an eine bedarfsgerechte Versorgung: an das Zusammenwirken von Ärzten und Pflegekräften, aber auch an den Medikationsprozess. Maßnahmen zur Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit können dazu beitragen, vermeidbare Risiken von den vulnerablen Bewohnern fernzuhalten.

Unser Forschungsgebiet:

„SaarPHIR“ (Saarländische PflegeHeimversorgung Integriert Regelhaft) ist ein mehrjähriges durch den Innovationsfond des G-BA gefördertes Projekt, dass sich mit der Versorgung der Bewohner in stationären Pflegeeinrichtungen auseinandersetzt. SaarPHIR untersucht die Wirksamkeit eines neuartigen Versorgungskonzeptes, dass zusätzlich zu einer veränderten ärztlichen Versorgung der Bewohner, auf eine Stärkung der ärztlich-pflegerischen Kooperation und auf Maßnahmen zur Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) setzt. Die Wirksamkeit der neuen Versorgungsform wird mithilfe einer c-RCT-Studie (cluster-randomizid controlled trial) evaluiert. Pilotregion ist das Saarland. Ziele sind beispielsweise vermeidbare Krankenhauseinweisungen zu reduzieren sowie den Medikationsprozess zu optimieren.

SaarPHIR wurde vor dem Hintergrund des steigenden Anteils pflegebedürftiger Menschen initiiert, der auf eine abnehmende Verfügbarkeit niedergelassener Hausärzte sowie begrenzte personelle Resourcen in der Pflege trifft. In jeder an SaarPHIR aktiv teilnehmenden Pflegeeinrichtung bilden die (teilnahmewilligen) Ärzte ein sogenanntes „ärztliches Versorgerteam“. Ein Arzt kann Mitglied mehrerer Versorgerteams sein, sofern Bewohner verschiedener Pflegeeinrichtungen betreut werden. Zwar versorgt jeder Arzt weiterhin seine bislang von ihm betreuten Bewohner, jedoch kümmert er sich im Bedarfsfall während Randzeiten auch um die eigentlich von seinen ärztlichen Kollegen betreuten Bewohner. Randzeiten sind in SaarPHIR die ärztliche Vorwochenend-Visite, sowie die erweiterte ärztliche Rufbereitschaft (Mo–Fr 18-21 Uhr). Zu diesen steht den Pflegekräften stets ein Arzt des Versorgerteams als Ansprechpartner zur Verfügung. Zusätzlich bieten gemeinsame Team- bzw. Fallbesprechungen von Ärzten, Pflegekräften und ggf. Apothekern die Möglichkeit zur gemeinsamen Problemlösung. Unübersichtliche „Medikamenten-Cocktails“ sollen vermieden werden, indem regelmäßige AMTS-Prüfungen (Medikationsanalysen) für die teilnehmenden Bewohner durchgeführt werden können.

SaarPHIR ist eine wissenschaftlich begleitete Studie. Die Wirksamkeit des neuen Versorgungskonzeptes wird untersucht, indem ein Teil der teilnahmewilligen Pflegeeinrichtungen im Saarland das SaarPHIR-Konzept für eine begrenzte Zeitdauer von 12 Monaten ausführt, während der andere Teil der teilnahmewilligen Pflegeeinrichtungen noch die bisherige Regelversorgung fortführt. Anschließend können alle Pflegeeinrichtungen das SaarPHIR-Konzept für die restliche Projektlaufzeit einführen, unabhängig davon, ob sie während des c-RCT der Interventions- oder Kontrollgruppe angehörten. In SaarPHIR werden Primärdaten, also vor Ort in den Pflegeeinrichtungen erhobene Daten, mit Sekundärdaten der Krankenkassen zur Bewertung der Wirksamkeit verknüpft. Im Erfolgsfall soll das SaarPHIR-Konzept nach Möglichkeit in die Regelversorgung überführt werden.

Unsere Arbeitsgruppe ist zusammen mit der Bergischen Universität Wuppertal und der Hochschule für Technik und Wissenschaft des Saarlandes für die wissenschaftliche Evaluation dieses national geförderten Projektes zuständig. Wir beschäftigen uns mit allen Daten und Fragestellungen, die die Medikation, den Medikationsprozess sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit der Arzneimitteltherapie betreffen.

Unsere Projektpartner:

  • SaarPHIR (Saarländische PflegeHeimversorgung Integriert Regelhaft): gefördert vom Innovationfond beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)
  • Bergische Universität Wuppertal (BUW) - Bergisches Kompetenzzentrum für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung
  • Hochschule für Technik und Wissenschaft des Saarlandes (htw saar) - Institut für Gesundheitsforschung und -technologietransfer
  • BARMER GEK
  • Kassenärztliche Vereinigung Saarland
  • Saarländische Pflegegesellschaft (SPG)
  • Knappschaft Bahn-See (KBS)
  • AOK Rheinland-Pfalz/Saarland
  • DAK Gesundheit
  • IKK Südwest
  • BKK-LV Mitte
  • TK
  • SVLFG
  • vdek

Kooperationspartner:

  • Ärztekammer des Saarlandes
  • Apothekerkammer des Saarlandes
  • ZRF Saar
  • MDK Saarland

Literaturverzeichnis:

[1] Statistische Bundesamt: Bevölkerung Deutschlands bis 2060 - 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden, 2009.

[2] Wingenfeld, K. Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO): VR12 Kapitel 6: Versorgungsbedarf in der stationären Langzeitpflege, 2012.

[3] Statistisches Bundesamt. Pflegestatistik 2015 - Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung – Deutschlandergebnisse, 2015.