19.06.2024

Vortragsveranstaltung Prof. Dr. Otto Lagodny: „Auf der Suche nach der weltweiten Letztbegründung?"

Herr Prof. Dr. Lagodny

Auf Einladung des Instituts für Wirtschaftsstrafrecht sowie Internationales und Europäisches Strafrecht (WIE) referierte der renommierte Rechtswissenschaftler Otto Lagodny (Universität Salzburg) am 29.05.2024 im August-Wilhelm Scheer Graduate Center der Universität des Saarlandes zum Thema „Auf der Suche nach der weltweiten Letztbegründung? Eckpunkte einer transnationalen Rechtsphilosophie“.  Vor einem Publikum aus Vertretern von Wissenschaft und Praxis verschiedener Geisteswissenschaften, darunter Juristen und Philosophen, stellte er die Ergebnisse seiner Monografie „Rechtswissenschaft als Argumentationswissenschaft: Transnationales Toleranzprinzip oder hegemonialer Letztbegründungsanspruch?“ vor. Die Veröffentlichung thematisiert die Relevanz transnationalen Denkens als Ideengeber für transnationale Philosophie und damit auch für z. B. das Strafrecht.

Lagodny berichtete dem Fachpublikum von seiner vergeblichen und erfolglosen Suche nach einer nicht nur europäischen oder gar deutschen, sondern einer wirklich „weltweiten Letztbegründung“. Eine solche könne nie geben. Dies zeige unter anderem der Rekurs auf fernöstliche Denkweisen. Für diese sei es befremdlich, an Individualrechte, an subjektive Rechte des Einzelnen in europäischer oder amerikanischer Prägung zu denken. Dort gehe es nur um Rechtspositionen der Allgemeinheit und der Gesellschaft als Ganzer.

Als konkrete Beispiele für Konsequenzen aus dem transnationalen Denken sprach er dabei unter anderem an, dass man den juristische Gutachtenstil nur in Deutschland kenne, oder dass die Forschungsfreiheit in Deutschland für juristische wissenschaftliche Mitarbeiter sehr eng praktiziert werde. Generell sei in jeder Rechtswissenschaft aber wichtig, dass man konkrete Forschungsfragen formuliere und damit allgemeine wissenschaftliche Standards befolge. Insgesamt lud die Autorenlesung die Teilnehmer zum Hinterfragen der eurozentrischen Errungenschaften des deutschen und europäischen Kulturkreises als Grundpfeiler einer transnationalen Rechtsphilosophie ein. Dazu gehört neben der Bedeutung der Menschenrechte außerhalb Europas auch die fehlende Maßgeblichkeit europäischer philosophischer Konzepte in der übrigen Welt. So seien etwa im Islam nur Priester zu philosophischen Überlegungen befugt, wenn sie Fragen des Koran betreffen.

Als Kehrseite hieraus ergibt sich, dass z. B. die europäische Toleranz maßgeblich bestimmt wird von der EMRK oder von nationalen Grundrechten. Diese müssen jedoch hierfür gerade nicht weltweit akzeptiert sein, aber für europäische Staaten als „rote Linie“ fungieren.

Den Vortrag können Sie in voller Länge unter https://www.youtube.com/watch?v=Z2tqhrVSGUk auf YouTube ansehen. Die Veröffentlichung „Rechtswissenschaft als Argumentationswissenschaft: Transnationales Toleranzprinzip oder hegemonialer Letztbegründungsanspruch?“ (2023, 172 S., brosch., 29,– €, ISBN 978-3-8487-8702-9) finden Sie hier: https://www.nomos-shop.de/isbn/978-3-8487-8702-9.