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Ausrichtung des Zentrums für Biophysik
Das Zentrum für Biophysik befasst sich mit der theoretischen und experimentellen Modellierung von Nichtgleichgewichtsprozessen in biologischen Systemen und Zellen. Dabei verfolgt diese Modellierung das Ziel die physikalischen Prinzipien, die durch das Zusammenspiel vieler molekularer und zellularer Akteure entstehen und so die vielen verschiedenen Formen und Funktionen belebter Materie hervorrufen, aufzudecken und zu verstehen. Prominente Beispiele hierfür sind etwa aktive Prozesse, die weit vom thermodynamischen Gleichgewicht entfernt ablaufen, wie intrazellulare Transport- und Signalprozesse oder auch Zellmigration und -polarisation. Studien auf molekularer Ebene haben über den Verlauf der letzten drei Dekaden hinweg ans Licht geführt, dass diese physiologischen Phänomene von komplexen Netzwerken molekularer Wechselwirkungen reguliert werden, aber auch, dass ihre Komplexität meist einen direkten oder intuitiven Zugang unmöglich macht. Dynamische Prozesse sind in diesem Zusammenhang besonders interessant, da in Systemen, die aus vielen Komponenten bestehen, in der Regel kein einfacher Zusammenhang zwischen der Struktur des Prozesses und den Eigenschaften der einzelnen Elemente besteht. Dementsprechend erfährt die Suche nach einem tieferen Verständnis solcher Prozesse momentan eine enorme Aufmerksamkeit und bietet auch in Zukunft ein hohes Potential.
Bislang haben mathematische Ansätze zur Erlangung eines solchen Verständnisses vorrangig zwei Richtungen eingeschlagen. Die erste beinhaltet die quantitative Analyse aller Elemente eines Netzwerks und die anschließende Simulation aller Wechselwirkung, anhand von Berechnungen. Diese Strategie ist vor allem in relativ simplen System wie metabolischen Netzwerken einzelner Zellen effektiv und wird vor allem im Bereich der Systembiologie verfolgt. Für komplexere Systeme, in denen auch zeitliche sowie räumliche Parameter eine wichtige Rolle spielen, allerdings, können anhand dieser Methode keine bedeutungsvollen Vorhersagen mehr getroffen werden. Eine zweite Methode, die vereinfachter mathematischer Modelle, die Details der Systeme auslassen, kann hier herangezogen werden um effektiver zu einer Beschreibung der Natur komplexer Systeme zu gelangen. Ein eindrucksvolles Beispiel für ein solches Model ist das Reaktions-Diffusions-Model, das von Alan Turing vorgeschlagen wurde. Ein vereinfachtes Model kann sich als sehr hilfreich im Treffen von Vorhersagen erweisen und in Kombination mit Experimenten zu einem allgemeinen Verständnis ausgewählter Probleme führen.
Aus physikalischer Sicht geht die Betrachtung der relevanten Nichtgleichgewichtsprozesse weit über die konventionelle Analyse der Aspekte nicht linearer oder kollektiver Prozesse, die für gewöhnlich in Systemen weicher, kondensierter Materie, wie komplexer Fluide, Kolloide und Polymere angewendet wird, hinaus, denn zellulare Prozesse dissipieren auf hoch organisierte Weise Energie und sind von innen heraus getrieben. Langfristig verfolgt unsere Forschung daher das Ziel neue theoretische Modelle und Experimente zu entwickeln, die zu einer ähnlich detaillierten Beschreibung zellularer Prozesse führen, wie diese für dynamische Systeme nicht belebter Materie schon vorhanden ist.
Aus der großen Menge an Nichtgleichgewichtsprozessen, die in zellularen Systemen auftreten, greift des Zentrums vor allem Selbstorganisation, Transport, Aggregation und molekularer Kooperativität auf. Dabei spielen sowohl die räumliche als auch die zeitliche Analyse von Phänomenen eine Rolle, die in Vielteilchensystemen auftreten. Diese Analyse kombiniert die Beobachtung und Quantifizierung von Wechselwirkungen zwischen Proteinen, Organellen und Zellen und beinhaltet die anschließende theoretische Analyse anhand der Konzepte der statistischen Physik und der Bioinformatik. Die Kombination dieser Ergebnisse findet dann im Zentrum für Biophysik statt und verfolgt das Ziel selbige Wechselwirkungen durch die Identifikation einzelner molekularer und zellularer Faktoren in die Beschreibung aktiver Prozesse einzubinden. Beispiele beinhalten lokale Reaktionen von Zellen, Zytoskelettdynamik, Endozytose, Exozytose, Zellpolaristation und -migration oder die Bildung bakterieller Biofilme.
Die Hauptalleinstellungsmerkmale des Zentrums sind zum ersten der thematische Fokus auf die Entwicklung von theoretischen Modellen für Experimente, die auch im Zentrum selbst durchgeführt werden, zum zweiten die enge Kooperation zwischen den Disziplinen der Biowissenschaften und der Physik, die sich in der starken Verknüpfung aufeinander ausgerichteter Forschungsprojekte bemerkbar macht, und zum dritten die medizinische Relevanz der untersuchten Systeme, wie T-Zellen, Kadriomyozyten, Erythrozyten, Staphylococcus Aureus, DNA-Methylierung, A/B Toxinen und Biofilmen auf Zähnen. Dabei zeichnet sich das Zentrum durch die zugrundeliegende Methodik Bildgebungsverfahren wie Flurorescence Deconvolution Video Imaging, TIRF Mikroskopie, Konfokal- und Mutliphotonenmikroskopie, optischen Pinzetten und Atomic Force Mikroskopie aber auch durch die theoretischen und numerischen Techniken, die eigens für aktive System weit vom Gleichgewichtszustand angepasst sind aus.
Die quantitative Analyse von Nichtgleichgewichtsprozessen, die in Vielteilchensystemen ablaufen, fällt in den Bereich der Physik. Die dringende Notwendigkeit der Anwendung bereits bekannter, aber auch der Entwicklung neuer physikalischer Methoden zu Erklärung zellularer Systeme wurde schon von vielen Wissenschaftlern erkannt. Um den Erfolg eines solchen Ansatzes jedoch zu garantieren bedarf es einer effizienten Zusammenführung der Expertise aller beteiligten Disziplinen. Hier bietet das Zentrum für Biophysik eine einzigartige Forschungsumgebung.