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Das Dolmetscherinstitut – eine wechselvolle Geschichte

Nach dem Vorbild vergleichbarer, heute höchst renommierter Einrichtungen in Germersheim und Heidelberg wurde in Saarbrücken bereits im universitären Gründungssemester 1948/49 am 1. Dezember 1948 das „Dolmetscherinstitut“ (DI) eröffnet. Sein Geburtsfehler, nämlich eine mangelhafte Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln, sollte es von diesem Zeitpunkt an durch die Jahrzehnte begleiten. So gab es schon für die ersten 44 Studierenden keinerlei fest installierte Lehrkräfte; diese musste sich das Institut ein ums andere Mal „ausleihen“, meistens bei den neusprachlichen Philologien der Philosophischen Fakultät.1

Dabei passte die Kunst des Übersetzens zur deutsch-französischen, später dann europäischen Mission der zweisprachigen Universität natürlich hervorragend,  entsprechend viel Aufmerksamkeit fand das Institut in den frühen Jahren. Allerdings widmete sich die Universität selbst eher widerwillig dieser ihr als „fakultätsfreies“, also nicht in die Fakultätsstruktur eingebundenes Institut übertragenen Einrichtung. Eine Rolle spielten hier wohl Vorbehalte hinsichtlich der Wissenschaftlichkeit des Instituts, dessen primärer Zweck ja in der reinen Ausbildung lag. Nachdem das DI in der Konzeptionsphase noch als Teil einer zu gründenden wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gesehen worden war, wurde es per Statut vom 30. Mai 1951 administrativ, aber nicht organisatorisch der Faculté des Lettres zugeordnet und der Aufsicht einer zentralen Senatskommission unterstellt. Der akademische Status der Einrichtung blieb ungeklärt und umstritten, zumal die Regelstudienzeit dort lediglich sechs Semester betrug und damit nicht den Umfang eines Hochschulstudiums in den anderen Fächern erreichte. Deren Verlängerung auf acht Semester im Rahmen einer neuen Prüfungsordnung 1967 führte zu einer allmählichen Verbesserung der Stellung des DI und seiner Verankerung im akademischen Lehrbetrieb der Universität.2

Mit dem neuen „Lehrstuhl für Angewandte Sprachwissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der Theorie des Übersetzens“, auf welchen Wolfram Wilss 1968 zum Professor berufen wurde, erhielt das Dolmetscherinstitut die Bezeichnung „Institut für Übersetzen und Dolmetschen“ (IÜD). Als das novellierte Hochschulrahmengesetz keine fakultätsfreien Institute mehr vorsah, wurde es 1974 dem Fachbereich „Neuere Sprach- und Literaturwissenschaften“ der Philosophischen Fakultät zugeordnet und erneut umbenannt in „Angewandte Sprachwissenschaft sowie Übersetzen und Dolmetschen“. Daraus wurde freilich auf Fakultätsebene hinter vorgehaltener Hand die wenig schmeichelhafte Kurzbezeichnung „Fachrichtung sowie“. Früher schon hatten spöttische Zungen die Fachrichtung mit Blick auf den extrem hohen Frauenanteil unter den Studierenden gerne als „Heiratsinstitut“ tituliert.3

Doch tatsächlich begann für die Fachrichtung in jenen Jahren ein überaus erfolgreicher Zeitabschnitt: 1973 wurde der Sonderforschungsbereich „Elektronische Sprachforschung“ (SFB 100) begründet, an dem das Institut neben drei anderen, darunter dem der aufstrebenden Informatik (damals noch als „Angewandte Mathematik“ bezeichnet) beteiligt war. Die vielgeschmähte „Fremdsprachenschule“ bewegte sich mit ihren Pionierarbeiten im Bereich der Maschinellen Übersetzung und der Fachsprachenforschung plötzlich in vorderster Linie der einsetzenden technologischen Umwälzungen und hatte in dieser Hinsicht gegenüber anderen Fachrichtungen die Nase vorn. Allmählich setzte sich auch in der Breite das Verständnis dafür durch, dass Übersetzen und insbesondere (Simultan-) Dolmetschen in Fachsprachen eben mehr ist als bloßes Parlieren unter Einsatz erlernter Fremdsprachenkenntnisse.

Dennoch geriet die Fachrichtung auch wieder in schweres Gewässer, je mehr das Zahlenverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden als Leistungskriterium in den Mittelpunkt rückte. Die hohe Betreuungsintensität zumal der Dolmetscherausbildung ließ das Fach als außerordentlich kostenträchtig erscheinen. Zum Ende der 1980er Jahre war seine Auflösung und Zuordnung zu den Einzelphilologien geplant, auch um deren rückläufige Studierendenzahlen aufzufangen. Heftige Proteste bis hin zu Institutsbesetzungen waren die Folge. Und wirklich kam es 1989 dann genau anders: Die Fachrichtung blieb erhalten und wurde sogar durch vier weitere Professuren verstärkt. Allerdings währte die Freude nur kurz, denn schon die nächste „Strukturkommission“ plante in den 1990er Jahren erneut die Auflösung der Fachrichtung oder aber deren Überführung an die Fachhochschule, die ihrerseits jedoch keine Aufnahmebereitschaft zeigte. Die Studierendenzahlen – immerhin machten rund 1.100 Erstfachstudierende die Fachrichtung „8.6“ (später 4.6) im Jahr 1994 noch zu einer der größten Fachrichtungen der Universität – gingen aufgrund der unsicheren Zukunftsaussichten zurück und verschafften so den Gegnern zusätzlichen Rückenwind.

Die krisenerprobte Fachrichtung überlebte auch diese Anfeindungen, wenngleich nicht ohne Verluste, denn mit der Streichung des Russischen und des Italienischen verblieben nur noch vier von ursprünglich sechs Abteilungen, nämlich Englisch, Französisch und Spanisch für deutsche sowie Deutsch für französische Muttersprachler.4

Die Fachrichtung fand Anschluss an aktuelle Tendenzen, knüpfte an ihre sprachtechnologischen Kompetenzen aus den Zeiten des SFB 100 an und suchte in deren Weiterentwicklung den Schulterschluss mit den zukunftsträchtigen Forschungsbereichen Computerlinguistik, Sprachtechnologie und Künstliche Intelligenz, während die traditionsreiche Dolmetscherausbildung seit 2014 aufgegeben wurde. 2016 entstand so aus der Fusion mit Computerlinguistik und Phonetik (Allgemeine Linguistik) die heutige Fachrichtung „Sprachwissenschaft und Sprachtechnologie“.5

Die maßgebliche Beteiligung an dem erfolgreichen SFB „Informationsdichte und sprachliche Kodierung“ sowie die Studiengänge „Language Science“ und „Translation Science and Technology“ (Master) sind die Grundpfeiler dieser neuen Fachrichtung und ihrer hochgradig innovativen Fortführung des einstigen „Dolmetscherinstituts“ in einem ganz neuen fachlichen Kontext und mit Blick auf ein komplett neues Zeitalter.

Bernd Hagenau

 

Anmerkungen

  1. Wilss, Wandlungen, bes. S. 4–9.
  2. Müller, Zwischen, S. 29; Wilss, Wandlungen, S. 12–19.
  3. Wilss, Wandlungen, S. 50 bzw. S. 20.
  4. SZ, 9.7.1994; Wilss, Wandlungen, S. 138.