Stimmen

Zeitzeugnis Hermann Josef Schuster (geb. 1933)

Zwischen Frankreich und Deutschland

Auch innerhalb der Universität waren zu meiner Amtszeit noch Nachwirkungen des Abstimmungskampfes über das Saar-Statut spürbar. Den Europäern, die möglichst viele der traditionellen Beziehungen zu Frankreich und der unter französischem Einfluss getroffenen Regelungen aufrechterhalten wollten, stand eine starke Gruppe jüngerer Professoren gegenüber, die eine Orientierung am Leitbild der deutschen Universität favorisierten. So spiegelte sich innerhalb der Universität ein Konflikt wider, der das allgemeine politische Klima an der Saar noch lange nach der Abstimmung von 1955 beeinflusste.

 
Autonomie und Partizipation

Durch das neue Universitätsgesetz des Jahres 1971 wurden gegen den Widerstand der Universität die den Charakter des Saarbrücker Modells bestimmenden Entscheidungsbedürfnisse stark eingeschränkt. Ich habe das sehr bedauert und dies in einer Stellungnahme in der ‚Saarbrücker Zeitung‘ auch zum Ausdruck gebracht. Die starke Autonomie des ‚Saarbrücker Modells‘ hatte sich nach meiner Meinung gerade auch während der Umbruchzeit bewährt. Man darf jedoch nicht übersehen, dass die Universität die Eingriffe des Gesetzgebers durch die wohl gemeinte, aber in einigen Punkten weit über das Ziel hinausschießende ‚Jahr-Verfassung‘ mit provoziert hatte …

Was mit bestem Willen versucht worden war, nämlich eine moderate Anpassung des Saarbrücker Modells an zeitgemäße Partizipationsbestrebungen, führte schließlich zu dessen Scheitern … Man mag diese Entwicklung bedauern, weil eine Organisationsform, die der jungen Universität in den ersten zwei Jahrzehnten ihrer Existenz Vorbildcharakter und große Erfolge sicherte, nicht an der kulturrevolutionären Bewegung der späten 60er Jahre, wohl aber an deren bedenklichen Auswüchsen scheiterte.

Eine gewisse Tragik bestand darin, dass die maßgeblichen Akteure dieser Jahre leidenschaftliche Verfechter einer weitgehenden Universitätsautonomie waren und blieben.

 
Leistungsfähige Verwaltung

So turbulent es in der Selbstverwaltung der Universität des Saarlandes bald nach meinem Dienstantritt auch zuging, die Bearbeitung der wichtigsten Angelegenheiten wurde von diesen Turbulenzen nur wenig berührt. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Wortführer der Gruppen weniger an Sachentscheidungen als an Struktur- und Paritätsfragen interessiert waren. Da die Tagesgeschäfte meist keinen Aufschub duldeten, spielten sie sich sozusagen im Schatten des Kampfgetümmels ab ... Bei meinem Amtsantritt konnte ich feststellen, dass die Universität über einen gut eingespielten Verwaltungsapparat verfügte. Die Referats- und Sachgebietsleiter beherrschten durchweg sachkundig ihr Metier …

Fand ich somit die Routineverwaltung besten Händen anvertraut vor, so wurde mir schnell deutlich, dass es jetzt vor allem darum ging, die agierenden Personen auf den bevorstehenden Quantensprung vorzubereiten. Die Universität war für 4.000 Studenten geplant. Bei meiner Ankunft studierten dort bereits etwa 6.000. Genauere Daten waren nur mit Zeitverzögerungen zu erhalten. Sie beruhten auf Strichlisten, die von Hand im Studentensekretariat gefertigt wurden … Mit einer kleinen Planungsgruppe machte ich mich an die Arbeit, die Folgen dieses Wachstums einigermaßen realitätsnah darzustellen. Vordringlich kam es darauf an, möglichst frühzeitig über zuverlässige Daten zu verfügen.

Zu diesem Zweck wurden Programme für eine detaillierte Studentenstatistik erarbeitet. Mit Hilfe des Rechenzentrums und von den Professoren Dörr und Hotz beratend begleitet, gelang es, von vornherein eine professionelle und entwicklungsfähige EDV-Unterstützung vorzusehen, um Studentenbewegungen auch auf der Ebene der einzelnen Fächer beobachten zu können. Heute ist das in allen Universitätsverwaltungen Routine. Damals leistete die Universität des Saarlandes lange Zeit beispielgebende Pionierdienste auf dem Gebiet der Hochschulplanung und Verwaltungsrationalisierung.1

 

Anmerkungen

  1. Auszüge aus: Schuster, Streiflichter, S. 198–202.