Kunst
Strukturen des Wachsens
Die Wandgestaltung im Botanik-Gebäude
Die hölzerne „Wandgestaltung“ von Wolfram Huschens bildet einen essentiellen Teil der Gesamtausführung des Gebäudes A17 am Saarbrücker Campus. Als Institutsgebäude der Botanik wurde dieses ab 1962 zwischen der Universitätsbibliothek und dem Eingangsbereich in direkter Nähe zum Botanischen Garten errichtet. 1973 mit dem Architekturpreis des Bundes Deutscher Architekten ausgezeichnet, überzeugt es auch heute noch durch seine besondere architektonisch-gestalterische Ästhetik.1
Der zurückhaltende, in den leicht abfallenden Hang gesetzte Bau zeigt außen eine horizontal strukturierte, helle Betonverkleidung. Betritt man das nur zweistöckige Gebäude, vermittelt die großflächige, warmbraune Holzverkleidung der Wände im Kontrast zur weiß gehaltenen, eher niedrigen Decke, dem mit grauweißem Naturstein ausgelegten Fußboden sowie, insbesondere im Untergeschoss, dem Ausblick durch die hinteren Fenster ins Grüne den Eindruck ausgewogener Eleganz. Der eigenwillig geformte, an ein unregelmäßiges Sechseck angelehnte zweigeschossige Hörsaal ist leicht schräg in den ansonsten quadratischen Bau eingefügt, die Etagen mit einer stilistisch passenden Innentreppe verbunden.
Die Atmosphäre des Innenbereichs wird jedoch vornehmlich durch die hölzerne „Wandgestaltung“ geprägt, die den Hörsaal jeweils im Ober- wie Untergeschoss in einer imposanten Größe von knapp drei Metern Höhe und 31 Metern Breite im Obergeschoss respektive zwölf Metern Breite im unteren Bereich verkleidet. Die Holzreliefs stellen eine von insgesamt sechs verschiedenen Wandgestaltungen dar, die der Künstler für die Universität des Saarlandes geschaffen hat. Huschens, 1921 geboren, hatte sich nach dem Staatsexamen an der Münchner Akademie für angewandte Kunst im Jahr 1949 für ein Ergänzungsstudium an der gerade gegründeten Saar-Universität eingeschrieben; ab 1957/58 bekleidete er dann zwanzig Jahre lang das traditionelle Amt des „Universitätszeichenlehrers“. Die Vielgestaltigkeit, die seine Wandgestaltungen an der Universität zeigen, prägte auch sein sonstiges, umfangreiches Œuvre, zahlreiche seiner Werke schmücken den öffentlichen Raum im Saarland, insbesondere etwa in Schulen, Verwaltungsgebäuden oder auch dem Staatstheater.2
Huschens’ „Wandgestaltung“ für die Botanik wurde 1966 aus Holz der Sibirischen Kiefer angefertigt und besteht aus vertikal angeordneten Leisten und Lamellen unterschiedlicher Breite, die jeweils über die gesamte Wandhöhe des Hörsaals inklusive der Türen reichen. Die in den Raum hervortretenden Lamellen wurden so geschnitten, dass sie geometrische Flächen bilden, plastische Formen und Strukturen wie Kreise und Ovale, die teilweise ineinandergreifen oder sich scheinbar überlagern. Durch die wechselnden Ausmaße und Anordnungen der Hölzer bildet sich ein dynamisch anmutendes, wellenartiges Relief. Es scheint beinahe, als seien Töne oder Klänge dargestellt, eine „pulsierende Rhythmik“, vielleicht aber auch Strukturen des Wachsens in der Natur, was eine gedachte Verbindung zur Nutzung des Gebäudes herstellen würde.3
Um das Kunstwerk in voller Gänze zu beschauen, müssen die Betrachtenden die geschwungene Außenwand des Hörsaals abschreiten und die Etagen wechseln. Durch Blick- und Beleuchtungswechsel gewinnt das Werk so zusätzlich an Dynamik. Stilgeschichtlich ist es in der Nähe der „Op-Art“ einzuordnen, einer Kunstrichtung der 1960er Jahre, die mit abstrakten Form- oder Farbmustern überraschende optische Effekte oder gar Täuschungen erzeugte. Huschens’ Wandgestaltung im Botanik-Gebäude setzt freilich nicht auf Irritation. Das organische Material mit seiner warmen Ausstrahlung, die harmonischen Muster und die nur angedeutete Bewegung können als Verweis nicht nur auf die akademische Disziplin der Pflanzenwissenschaft, sondern auch auf die faszinierende Schönheit ihrer Untersuchungsobjekte gelesen werden.4
Ute E. Flieger
- Müller, Architektur, S. 31.
- Lageplan; Bonner, Wandgestaltung, S. 64f.; vgl. auch den Eintrag zu Huschens in Aktuelle Kunst Saar.
- Zitat: Bonner, Wandgestaltung, S. 64; Everinghoff, Dokumentation, S. 119.
- Brenner, Huschens, S. 128f.